Der Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), Cemil Bayik, hat sich in einer Sondersendung bei Stêrk TV über die türkischen Großmachtambitionen und mögliche Gegenstrategien geäußert. Bayik führte aus, dass der türkische Staat seiner Expansion das sunnitische Türkentum zugrunde lege und damit eine existenzielle Bedrohung für alle anderen Völker in seinem Machtbereich darstelle. Das AKP/MHP-Regime habe all seine Ressourcen mobilisiert, um das kurdische Volk und seine Freiheitsbewegung anzugreifen. Dabei gehe es um die vollständige Vernichtung des kurdischen Volkes. Es sei ausschließlich die PKK, die dem türkischen Staat einen Strich durch die Rechnung macht, so Bayik.
„Niemand hat die Kraft, die PKK aus Heftanîn zu verdrängen“
Cemil Bayik wurde in der TV-Sendung zur feindseligen Haltung der südkurdischen Regierungspartei PDK gegenüber der Guerilla befragt. Der KCK-Vorsitzende forderte die PDK auf, Angriffe auf Südkurdistan durch die Türkei nicht länger zu rechtfertigen und die Anwesenheit der Guerilla nicht in Frage zu stellen. Er wies auf parlamentarische Initiativen der PDK hin, durch welche die Angriffe der Türkei auf Südkurdistan mit der Anwesenheit der Guerilla in Verbindung gebracht werden sollen, und die darauf hinauslaufen, den Rückzug der Guerilla aus Südkurdistan zu fordern. „Ich warne davor. Niemand sollte so eine Initiative oder so einen Report gegen die PKK vorbereiten oder einen Schritt in diese Richtung gehen. Die PKK wird Heftanîn nicht verlassen. Sie wird einen seit Jahren geführten Kampf nicht aufgeben. Niemand hat die Kraft, die PKK hier herauszuholen. Stattdessen sollten Entscheidungen gegen die Türkei getroffen werden. Es müsste heißen, dass die Türkei aus unserem Territorium verschwinden sollte“, sagte Bayik.
PDK baut „Dorfschützersystem“ auf
Über die Pläne der PDK, in Südkurdistan ein Dorfschützersystem von Paramilitärs zu errichten, äußerte Bayik: „In Nordkurdistan hat es genauso angefangen. Damals wurde gesagt: ‚Nehmt die Waffen und verteidigt euer Dorf.‘ Aber letzten Endes wurden die Dorfschützer als Kontras gegen das kurdische Volk benutzt. Jetzt soll das gleiche in Südkurdistan wiederholt werden. Die PDK hat Treffen durchgeführt und den Menschen nahegelegt, Dorfschützer zu werden und ihren Ort zu verteidigen. Sie kann bloß nicht eingestehen, dass dahinter der Wille des türkischen Staates steht und man sich entsprechend verhält. An dieser Linie festzuhalten, bedeutet Verrat. Deshalb warne ich insbesondere die Menschen in Südkurdistan: Werdet nicht Teil dieses Plans. Lauft nicht dem Geld hinterher und stellt euch gegen die Invasion. Der türkische Nationalstaat basiert allein auf dem türkischen Sunnitentum. Er will die anderen Völker vernichten, deshalb greift er das kurdische Volk mit all seinen Mitteln an. Politisch geht es ihm um die existenzielle Vernichtung des kurdischen Volkes. Der türkische Staat weiß, dass er das nicht schaffen kann, ohne die PKK auszulöschen.“
Kriegsmaschinerie aus Söldnerbanden
Bayik führte weiter aus: „Der türkische Staat hat eine aus Söldnerbanden bestehende Kriegsmaschinerie entwickelt. Diese Maschinerie wird in Rojava, in Südkurdistan, in Libyen, dem Jemen und Aserbaidschan eingesetzt. Der türkische Nationalstaat schiebt dafür immer wieder den Islam vor. Er hat jedoch selbst nichts mit dem Islam zu tun. Es geht ihm einzig und allein um türkischen Expansionismus. Deswegen ist er ein Feind der Völker.“
Nicht nur ein Problem der Kurden
„Wenn es nur um Kurdenfeindschaft ginge, wäre die Türkei nicht in Libyen einmarschiert. In Libyen, Idlib oder dem Mittelmeer gibt es keine Kurden. Wir sehen, was im Mittelmeer passiert, die Türkei ist dort mit allen im Konflikt. Sie sagt sogar, sie werde in den Krieg ziehen. Der türkische Staat hat Libyen mit Söldnertruppen vollgestopft. In Idlib herrscht die gleiche Situation. Auch in Aserbaidschan oder im Jemen gibt es keine PKK. Das bedeutet, dass dieses Problem nicht nur ein Problem der Kurden ist. Der türkische Staat ist ein Feind aller Kulturen, Völker und Weltanschauungen jenseits des sunnitischen Islams. Alle Konfessionen außer der sunnitischen werden angegriffen. Gegen alle Völker außer dem türkischen geht er vor - nur Türken, Sunniten und die türkische Kultur werden akzeptiert. Wer sich nicht einverstanden erklärt, wird als Feind markiert, der vernichtet werden sollte. Die Türkei verfolgt diese Linie mittlerweile auch in der Außenpolitik.“
Siedlungsprojekte in den besetzten Gebieten
„Wo auch immer der türkische Staat einmarschiert, wird diese Region als Provinz der Türkei betrachtet. In Efrîn und Serêkaniyê wurden türkischen Institutionen eingeführt und es werden keine anderen geduldet. Alles wird verboten, zerstört und geplündert. Es werden türkische Schulen errichtet, die türkische Sprache wird den Menschen aufgezwungen und überall werden türkische Fahnen gehisst. Es werden eine Polizei und ein Geheimdienst aufgebaut und türkische Beamte als Landräte, Gouverneure und Bereichsleiter eingesetzt. So wie gestern das arabische Hatay türkisiert wurde, wird gleiches heute auch in Efrîn, Serêkaniyê, Girê Spî und auf Zypern umgesetzt.“
Annexionspolitik wird auch in Libyen verfolgt
Der türkische Staat formiert aus Personen aus arabischen sowie anderen Ländern Söldnertruppen, organisiert diese, bildet sie aus und bewaffnet sie. Diese Truppen werden dann überall dort als Kriegsmaschinerie eingesetzt, wo das AKP/MHP-Regime seine Hegemonie ausbauen will. Dieses Regime schüchtert jeden mit seiner Grausamkeit ein. So soll jeder zur Aufgabe gezwungen werden. Denen, die sich nicht ergeben, wird das Lebensrecht abgesprochen. In Libyen wird genau diese Politik verfolgt.“
Flüchtlinge aus Syrien als Geiseln
„Die türkische Regierung hat in voller Absicht viele Menschen aus Syrien in die Türkei gebracht. So schafft sie sich eine Infrastruktur für ihre Syrienpolitik, benutzt die Schutzsuchenden als billige Arbeitskräfte und hält die Milizen durch ihre Angehörigen in der Türkei unter Kontrolle. Aus den Schutzsuchenden werden ebenfalls immer wieder neue Söldner rekrutiert. 17.000 dieser Söldner wurden nach Libyen geschickt, ihnen wurden Pässe ausgestellt. Der türkische Staat will Libyen plündern und mit Angst zur Kapitulation zwingen.“
Große Gefahr für die arabische Bevölkerung
„Der türkische Staat ist auch für die Araber eine große Gefahr. Deswegen sollte sich das arabische Volk an der Seite der Kurden gegen den türkischen Staat stellen. Im ersten und zweiten Weltkrieg waren es Kurden und Araber, die im Mittleren Osten den größten Schaden erlitten. Es wurde eine Politik entwickelt, um diese beiden Völker zu spalten. Die Türkei hält weiterhin an dieser Politik fest. Alle Bewegungen sollen vernichtet und alle zu Sklaven gemacht werden. Dagegen können sich die Araber und Kurden in einer Allianz stellen. Wenn es eine solche Allianz geben würde, könnte die Türkei ihre genozidale Besatzungspolitik nicht länger fortsetzen."
Intellektuelle müssen aktiv werden
„Der türkische Staat hat eine überwiegend aus arabischen Jugendlichen bestehende Söldnertruppe aufgebaut, die gegen die arabischen Völker ins Feld geschickt wird. Durch sie werden Massaker verübt und Araber getötet. Wie sollen das arabische Volk, seine Schriftsteller, seine Akademiker und seine Intellektuellen – also jene, die das Gewissen der Gesellschaft repräsentieren – diese Situation akzeptieren? Sie sollten das nicht hinnehmen und sich dagegenstellen. Sie müssen die Gesellschaft informieren und mobilisieren. Wir arbeiten ebenfalls auf dieser Grundlage. Wenn sich unsere Kämpfe vereinen, dann endet dieses Regime. Sowohl das kurdische Volk als auch das arabische Volk werden dann die Wahrheit erkennen und in Geschwisterlichkeit leben“.