Die Volksverteidigungskräfte (ku. Hêzên Parastina Gel, HPG) haben die Namen von zwei Guerillakämpfer:innen veröffentlicht, die im April in der Besta-Region in der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) im Zuge einer türkischen Militäroperation ums Leben gekommen sind. Sechs weitere Mitglieder der HPG sowie der Frauenguerilla YJA-Star sind ebenfalls im Verlauf der Operation in Besta gefallen. Ihre Identitäten werden veröffentlicht, sobald sie gesichert vorliegen.
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Codename: Nûjîn Sêrt
Vor- und Nachname: Zeynep Dayan
Geburtsort: Sêrt
Namen von Mutter und Vater: Emine – Musa
Todestag und -ort: 8. April 2021 / Besta
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Codename: Firat Şax
Vor- und Nachname: İbrahim İldeniz
Geburtsort: Wan
Namen von Mutter und Vater: Kudret – Adıl
Todestag und -ort: 8. April 2021 / Besta
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Nach HPG-Angaben wurde die Militäroperation in Besta am 5. April eingeleitet. Am Folgetag bombardierte die türkische Armee zunächst das Gebiet Mewjîkê sowie die Gipfel Givara und Şehîd Dîyana, bevor Luftlandetruppen in der Region abgesetzt wurden. Über zwei Tage fanden intensive Auseinandersetzungen statt, an der Operation beteiligten sich neben regulären Soldaten auch paramilitärische Einheiten sowie Dorfschützer. „Im Zuge der Gefechte, die zu zahlreichen Verlusten in den Reihen der Besatzer führten, geriet unser Freund Özgür Gabar verletzt in Gefangenschaft. Die Person Êrîş Nerexî hat sich dem Feind ergeben. Unsere Weggefährt:innen Dîlan, Hêvî und Tolhildan sind im selbstlosen Kampf gefallen.“
Zur Situation von Özgür Gabar teilen die HPG mit: „Der kolonialfaschistische türkische Staat versucht unseren ohnehin schwerverletzten Freund Özgür Gabar unter Anwendung systematischer Folter zur Reue zu zwingen. Bisher konnten in dieser Hinsicht keine Ergebnisse erzielt werden. Das Verbot von Folter an einem verletzten Kriegsgefangenen ist zwingend nach dem Völkerrecht sowie dem Menschenrecht. Der türkische Staat begeht dieses Verbrechen ganz offenkundig.“
Anhand der durch Êrîş Nerexî preisgegebenen Informationen weitete die türkische Armee die Operation in Besta am 8. April aus. Eine Guerillaeinheit lieferte sich noch am selben Tag über mehrere Stunden schwere Gefechte mit dem Militär und leistete „heroischen Widerstand“. Im Verlauf der Auseinandersetzungen starben neben Nûjîn Sêrt und Firat Şax auch die Kämpferinnen Mizgîn, Hebûn und Ezda. Ihre vollständigen Identitäten konnten ebenfalls noch nicht bestätigt werden und werden zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben. Die HPG kündigen derweil an, Vergeltung für den Verrat durch Êrîş Nerexî zu üben.
Über das Leben von Nûjîn Sêrt und Fırat Şax
Über Nûjîn Sêrt ist bekannt, dass sie als Tochter einer patriotischen Familie in der nordkurdischen Provinz Sêrt (Siirt) geboren wurde. Sie wuchs in einem von der Stammeskultur geprägten Umfeld auf und lernte die kurdische Befreiungsbewegung bereits früh kennen, da viele Angehörige der Familie im Befreiungskampf ums Leben gekommen sind. Nach HPG-Angaben musste Nûjîn Sêrt aufgrund der „Unterdrückung durch den Feind“ ihre Geburtsstadt verlassen. „Auch wenn sie fortan in den fernen Metropolen war, bedeutete dies nicht, dass sie ihrer Heimat nicht mehr verbunden war, im Gegenteil“, heißt es im Nachruf auf die Kämpferin. „Schon in jungen Jahren erkannte sie den wahren Feind ihres Volkes, wuchs mit der dadurch hervorgebrachten Wut auf und erreichte das Bewusstsein, am Kampf teilzunehmen.“ 2005 fasste Nûjîn Sêrt den Entschluss, sich der Guerilla anzuschließen. Als Militante der Frauenpartei PAJK wurde sie unter anderem in Zap, Gare und Metîna ausgebildet. Von 2010 bis 2017 kämpfte sie in der Widerstandshochburg Botan. Aufgrund ihrer Kampferfahrungen wurde Nûjîn Sêrt zu einer versierten Kommandantin der YJA Star. Mit der Umstrukturierungsphase der Guerilla betätigte sie sich ab 2018 als Regionalkommandantin für Besta.
Nûjîn Sêrt
Firat Şax wurde in Wan als Sohn einer patriotisch-kurdischen Familie geboren. Er wuchs in den Bergen von Botan auf, kannte die dortige Natur wie seine Westentasche, da er früher ein Hirte war. Anfang der 2010er Jahre lernte er die kurdische Bewegung kennen, 2014 schloss er sich am Kato Jîrka der Guerilla an. „Als Kind, das in den Bergen Kurdistans aufgewachsen ist, kannte sich Firat Şax im Gelände bestens aus. Er leistete praktische Pionierarbeit im Kampf und war seinen Freundinnen und Freunden tief verbunden”, so die HPG. Auch wenn er die Schule nicht lange besuchen konnte, richtete er sein Leben nach der „Vertiefung, Entwicklung und Perfektionierung der apoistischen Ideologie und Philosophie“ aus. „Indem er seinen flinken Verstand mit Stärke und Mut im Kampf und einem apoistischen Bewusstsein verband, gelang es unserem Weggefährten Firat, zu einem versierten Guerillakommandanten zu werden. Er kämpfte in vielen Regionen, von Kato bis Besta, war überall beliebt und beteiligte sich an etlichen Aktionen gegen den Feind.“
Angesichts des Verlusts von Nûjîn Sêrt und Firat Şax sprechen die HPG den Angehörigen der Gefallenen und dem patriotischen Volk Kurdistans ihr Mitgefühl aus.