Die türkische Armee hat in der nordkurdischen Provinz Riha (tr. Urfa) ein Totengedenken gewaltsam aufgelöst und mehrere Personen in Gewahrsam genommen. Bei den Festgenommenen handelt es sich um die Ko-Sprecherin des Provinzverbands der Grünen Linkspartei (YSP), Senem Eriş, den Aktivisten Enes Rakım vom Jugendrat der YSP sowie Nuh Mert Turan, ein Mitarbeiter des Parlamentsabgeordneten Ömer Öcalan. Sie wurden auf eine Militärwache im Kreis Xelfetî (Halfeti) gebracht und müssen mit einem Ordnungsgeld rechnen.
Der Übergriff des Militärs ereignete sich auf einem städtischen Friedhof in der zu Xalfetî gehörenden Gemeinde Gogan (Yukarı Göklü), wo ein Grabbesuch bei Bazo Yılmaz stattfand. Zur Begründung für ihr Vorgehen nannten die Soldaten das Nichtbefolgen von Weisungen. Angeblich sei es verboten, bei Trauerzeremonien eine Rede zu halten. Der YSP-Politiker Ömer Öcalan, ein Neffe des in der Türkei seit 1999 inhaftierten kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan, wies die Argumentation als „an den Haaren herbeigezogen” zurück. „Bazo Yılmaz war Politiker. Weil er Kurde war, musste er in Haft einen grausamen Tod sterben. Diese Grausamkeit wird nun fortgsetzt. Wir lassen uns das Gedenken an ihn aber nicht verbieten”, sagte Öcalan und verurteilte die Gewalt der Soldaten.
Senem Eriş wird von Soldaten abgeführt
Bazo Yılmaz war der letzte demokratisch gewählte Ortsvorsteher von Gogan und Mitglied des Stadtrats von Xelfetî. Ende 2016 wurde er auf Anordnung des türkischen Innenministeriums durch einen Zwangsverwalter ersetzt und wegen seines Engagements im basisdemokratischen Bündnis „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD) inhaftiert. 2018 verurteilte ihn die türkische Justiz wegen angeblicher „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“, gemeint ist die PKK, und „Terrorpropaganda“ zu neun Jahren Haft.
Yılmaz war Asthmatiker und erkrankte in Haft an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Er war dauerhaft an ein Sauerstoffgerät angeschlossen und nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Der Menschenrechtsverein IHD führte ihn zuletzt in der Liste der schwerkranken Gefangenen. Mehrere Haftentlassungsanträge der Anwälte von Yılmaz wurden dennoch zurückgewiesen, auch eine Verfassungsbeschwere hatte keinen Erfolg. Am 18. August 2022 verstarb er im Alter von 67 Jahren im T-Typ-Gefängnis Nummer 2 Urfa.