Erinnerungen an den Genozid am Leben erhalten

Die Familie Bûxîsiyam überlebte 1915 den Genozid an den Armeniern und floh nach Rojava.

Bis heute leugnet die Türkei, Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches, den Völkermord an den Armeniern, den aramäisch-sprachigen Christen, den griechisch-orthodoxen Christen und Eziden, der während des Ersten Weltkrieges unter Verantwortung der jungtürkischen Regierung geschah. Einige Überlebende der Massenmorde und Todesmärsche, die im Wesentlichen zwischen 1915 und 1917 stattfanden und denen je nach Schätzung zwischen 1,5 Millionen und 2,1 Millionen Menschen zum Opfer fielen, konnten sich nach Rojava retten. Zu den Überlebenden zählt auch die aus der Xerzan-Region im nordkurdischen Êlih (Batman) stammende Familie Bûxîsiyam, die sich nach der Deportation aus ihrer Heimat in Qamişlo/Rojava niederließ.

Aprîham Bûxîsiyam kam 1966 zu Welt. Er erzählt, mit den Erinnerungen an die Ereignisse während des Genozids und der Todesmärsche aufgewachsen zu sein. Als Kind habe er sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerungsberichte der Überlebenden an die zukünftigen Generationen weiterzugeben.

„Zwei meiner Tanten mütterlicherseits wurden in Xerzan während des Völkermords abgeschlachtet. Eine war dreizehn, die andere fünfzehn Jahre alt“, erzählt Aprîham.

Die Familie Bûxîsiyam kann trotz der Unterdrückung des Osmanisches Reiches ihre christliche Identität bewahren. 1918 feiert sie im Dorf Mêharka in Qamişlo die Eröffnung der ersten christlichen Kirche.

Kurdische und armenische Dengbêj-Kultur

Um seine Eltern zu unterstützen, beginnt Aprîham als 12-Jähriger in einer Autowerkstatt zu arbeiten. Währenddessen ist er auch ein begeisterter Zuhörer der kurdischen und armenischen Dengbêj-Kultur. Dengbêj (Barden) werden im Kurdischen die Sängerinnen und Sänger genannt, die historische Begebenheiten und Mythen in einem für die Dengbêj-Kunst spezifischen Sprechgesangsstil vortragen. Mit 15 beginnt Aprîham, die traditionellen Epen des armenischen und kurdischen Volkes zu singen.

Aprîhams Vater hinterlässt seinem Sohn ein Grammophon. Für die Übertragung des armenisch-kurdischen Kulturerbes hat Aprîham fast 100 Kassetten aufgenommen, die er in einem Archiv in seiner Werkstatt aufbewahrt.

„Die Armenier erleiden seit Jahrhunderten Ängste und Schmerz. Diese Gefühle sind in den Klageliedern der Dengbêj verwurzelt. Wenn ich diese Epen singe, empfinde ich tiefes Leid. Die Vergangenheit ist in diesen Liedern allgegenwärtig“, sagt Aprîham.

Leben in Rojava beruht auf Koexistenz

Das rassenfanatische Osmanische Reich habe mit dem ethnisch motivierten Völkermord das Land seiner armenischen Existenz beraubt und die kulturellen Werte des armenischen Volkes geplündert, sagt Aprîham. In Rojava jedoch haben die Armenier ein neues Leben gefunden, das auf der friedlichen Koexistenz der verschiedenen Völker basiert.