Bayık: Kurden haben feindlichen Plänen schweren Schlag versetzt

Cemil Bayık, Ko-Vorsitzender des KCK-Exekutivrats, erklärt, dass der mutige Widerstand in Rojava den kurdenfeindlichen Plänen schweren Schaden zugefügt hat.

Als Ko-Vorsitzender der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) hat Cemil Bayık eine Botschaft an die 19. Generalversammlung des Kurdistan Nationalkongresses (KNK) geschickt, die gestern in Amsterdam stattgefunden hat.

In der Erklärung hieß es: „Euer Kongress findet in einer historisch schweren Phase für Kurdistan statt. Wir erleben im Mittleren Osten eine Phase, die der Zeit der Neuaufteilung der Region im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg um nichts nachsteht. Im Mittleren Osten entstehen neue Balancen und diese Kräfteverhältnisse werden eine neue Gesamtsituation hervorbringen. Alle internationalen und regionalen Mächte haben ihre Möglichkeiten mobilisiert, um erfolgreich aus diesem Krieg hervorzugehen. Deshalb arbeiten sie vor allem daran, Allianzen zu schmieden. Diese Realität zwingt die Kurdinnen und Kurden, auch unter sich für Einheit zu sorgen. Ohne dass die kurdischen politischen Kräfte ihre Beziehungen unter einander bereinigen, ohne dass sie für nationale Einheit sorgen, wird den außenpolitischen Beziehungen der Kurden und ihren Bündnissen kein Vertrauen geschenkt werden. Sobald sie eine Einheit aufbauen, werden sie auch ernster genommen und sind vertrauenswürdiger. Ohne Zweifel seid Ihr Euch als KNK dessen bewusst. Die schweren Kriegsbedingungen im Mittleren Osten zeigen, wie wichtig und notwendig eine nationale Einheit der Kurdinnen und Kurden ist.

Wir sprechen von einem Dritten Weltkrieg im Mittleren Osten. Dieser Krieg schafft neue Balancen und einen neuen Satus Quo. Das bedeutet aber auch, dass die Kurden in diesem Krieg einen hohen Preis zahlen werden. Wenn wir nicht stark bleiben, wenn wir nicht wirkungsvoll kämpfen, wenn wir diese Möglichkeiten und Gelegenheiten verpassen, werden wir unsere bisherigen Errungenschaften verlieren. Aber vor allem müssen wir wissen: die Kurdinnen und Kurden ertragen es nicht mehr, gebrochen zu werden und zu verlieren. Verlieren und gebrochen zu werden, bedeutet hier nichts anderes als einen Genozid zu erleben. Deswegen muss das gesamte kurdische Volk, seine politischen Kräfte, seine Künstler und Intellektuellen, alle müssen eine große Verantwortung in dieser Phase übernehmen. Die Feinde des kurdischen Volkes halten an ihrem Genozid-Vorhaben fest. Das zeigt, wie wir uns in dieser Phase verhalten müssen.

Die völkermörderische Politik des türkischen Staates ist für alle offensichtlich

Der türkische Staat verteidigt seine Genozidpolitik ganz offen und setzt sie in die Praxis um. Die Angriffe des türkischen Staates auf das kurdische Volk machen den anderen Staaten, die Teile von Kurdistan besetzt halten, Mut. Ja, der Irak hat eine Verfassung und akzeptiert den Status des kurdischen Volkes. Aber wenn der Kampf um Freiheit und Demokratie in den anderen Teilen keinen Erfolg hat, dann werden die Errungenschaften in Südkurdistan ebenfalls in Gefahr geraten. So sehr jeder Teil seine eigenen Spezifika hat, das Schicksal eines Teils Kurdistans ist das Schicksal von allen. Wenn die kurdische Frage auf die Tagesordnung kommt, arbeiten die vier Staaten sofort zusammen. Daher wäre es ein großer Fehler, wenn sich die Kurden nicht auf der Grundlage der nationalen Einheit bewegten. Wir können nicht vor der Realität fliehen, wir müssen auf ihrer Grundlage agieren. Unsere freie und demokratische Zukunft hängt von dieser Überzeugung ab.

Kurdischer Freiheitskampf und Kampf um Demokratie in den Besatzerstaaten gehören zusammen

Unser Freiheitskampf im 20 und 21. Jahrhundert hat uns gezeigt, dass ohne eine Demokratisierung der Länder des Mittleren Ostens kein demokratisches und freies Leben für die Kurdinnen und Kurden garantiert werden kann. Deshalb kann der kurdische Freiheitskampf auch nicht getrennt vom Kampf um Demokratisierung dieser Staaten im Mittleren Osten betrachtet werden. Ohne Zweifel müssen alle kurdischen Bewegungen ein demokratisches Wesen haben. Es gibt ja bereits bei allen kurdischen politischen Kräften diese programmatische Zielvorstellung. Wir dürfen aber auch den Kampf um Demokratie nicht nur auf uns beschränken. Wir müssen diesen Kampf zusammen mit unseren Nachbarvölkern und den Völkern der Region führen. Wir müssen mit allen demokratischen Institutionen weltweit Beziehungen aufbauen und aus diesen Beziehungen Stärke ziehen. Wenn die Kräfte, die einen Genozid am kurdischen Volk verüben, nicht von unserem Kampf um Demokratie zurückgeworfen werden, wird auch die Gefahr eines Genozids nicht enden. Alle kurdischen politischen Bewegungen müssen dies als Hauptachse ihrer Freiheitsstrategie betrachten. Davon sind wir überzeugt.

Im Mittleren Osten sind die Kurden die einzige Kraft, die über eine demokratische Kultur und Mentalität verfügen. Es ist bekannt, dass die Kurden in dieser Region am meisten Leid und Unterdrückung erfahren haben. Die zentrale Rolle, welche die Kurdinnen und Kurden der Frauenfreiheit einräumen, hatte eine wichtige Bedeutung in der Stärkung des freiheitlichen Bewusstseins. Mit diesem starken Demokratieverständnis spielen die Kurden sowohl im gesellschaftlichen als auch im politischen Bereich eine Avantgarderolle in der Demokratisierung. Dieses wertvolle Demokratieverständnis kann auch andere politische Bewegungen anstecken, es kann eine wichtige Rolle bei der nationalen Einheit spielen und die Kurden zum stärksten Volk im Mittleren Osten machen. Diese Möglichkeiten und Gelegenheiten liegen auf dem Tisch. Aber leider hat sich eine solche demokratische Plattform zwischen den kurdischen politischen Kräften noch nicht entwickelt. Deswegen hat dieses bedeutende Potential noch nicht den Stellenwert eingenommen, den es verdient. Daher müssen die demokratischen Beziehungen zwischen den kurdischen politischen Kräften sofort umgesetzt werden. Das ist die Hauptaufgabe und Pflicht, die vor uns liegt.

Durch die Teilung Kurdistans ist die Stärke des Feinds gewachsen

Mit der Teilung Kurdistans wurde nicht nur die Kraft der Kurden zersplittert, die Kraft unserer Feinde hat sich vervielfacht. Dies zeigt ebenfalls, wie wichtig nationale Einheit ist. Die Bevölkerung hat dieses Bewusstsein in einem wichtigen Ausmaß erreicht. Die Forderungen nach nationaler Einheit und Demokratie werden lauter. Die Sprache der nationalen Einheit ist in allen Bereichen deutlicher hervorgetreten. Aber leider kommen die kurdischen politischen Kräfte diesen Forderungen nicht entgegen.

In diesem Jahrhundert haben zwei Ereignisse eine sehr starke Basis für eine nationale Einheit geschaffen. Das erste waren die Angriffe auf das Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017. Dabei handelte es sich um einen Angriff, der mit der Provokation von Chaos in Kerkûk zusammenhing. Das zweite ist die Revolution von Rojava und die Angriffe auf ihre Errungenschaften. Beide Ereignisse haben einen Angriff auf den Wunsch des Volkes Kurdistans nach Freiheit und Autonomie zur Folge gehabt. Beide Angriffe wurden vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan angeführt.

Am 9. Oktober 2019 hat eine Invasion gegen die Revolution von Rojava begonnen und dauert immer noch an. In der türkischen Presse steht ganz offen, dass hier ein nationaler Genozid verübt wird. Innerhalb einer Woche sind Hunderte gefallen und mehr als tausend Menschen wurden verletzt. Unser Volk und seine demokratisch-autonome Selbstverwaltung leisten heldenhaften Widerstand gegen diese Angriffe. Wir können ohne Zweifel sagen, dass insbesondere in Girê Spî (Tall Abyad) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) ein heldenhafter Widerstand stattfindet, der die Pläne und Ziele der Feinde der Kurden durchkreuzt. Dieser Widerstand stärkt den Willen und Glauben des kurdischen Volkes, seiner Freundinnen und Freunde und der Menschheit.

Die nationale Einheit steht auf fester Grundlage

Der Widerstand unserer Bevölkerung in Rojava hat uns dies ganz deutlich gezeigt, es gibt eine feste Grundlage, auf der eine nationale Einheit aufgebaut werden kann. Ohne Zweifel liegt die Last dieser wertvollen Arbeit auch auf den Schultern von uns KNK-Mitgliedern. Wenn man es verfolgt, dann sieht man, dass sich Menschen in allen Teilen Kurdistans und im Ausland gegen die Angriffe des Erdoğan-Regimes stellen, ohne dabei Partei- oder Organisationsgrenzen zu beachten. Fast überall sehen wir, dass eine nationale und internationalistische Einheit hergestellt worden ist. Nur an unserer politischen Einheit mangelt es. Diese Last und Verantwortung liegt auf unseren Schultern. Lasst uns diese Aufgabe und Verpflichtung erfüllen!

Der KNK hat wichtige und wertvolle Arbeit geleitet. Aber wie ihr seht, hat eine neue Phase begonnen. Aus diesem Grund sind auch neue Offensiven notwendig. So müssen zum Beispiel mehr Mitglieder am KNK teilnehmen, denn in unserem Volk sind das Bewusstsein und der Bedarf danach gestiegen. Deswegen sollten die politischen Vertretungen und die gesamte Vertretung unseres Volkes an der Arbeit der KNK teilnehmen oder dem KNK beitreten und politisch wirken. So werden der Einfluss des KNK und seine Bedeutung wesentlich größer werden.

Zuletzt möchte ich folgendes feststellen: die Basis für die kurdische nationale Einheit ist gestärkt. Aber es ist in einer solchen Phase inakzeptabel, dass sich die politischen Kräfte nicht vereinen und auf einen Nationalkongress hinarbeiten. Wir müssen uns umgehend als Nationalkongress versammeln.

Ich bin überzeugt und voller Hoffnung, dass der KNK sich in diesen Prozess aktiv einbringen wird. Ich glaube, ihr werdet auf dieser Generalversammlung sehr wertvolle Diskussionen führen und wichtige Entscheidungen zum Nutzen unseres Volkes treffen. Ich schicke auf diesem Weg meine Grüße und meinen Respekt und wünsche dem Kongress Erfolg.“