Amedspor spielt wieder mit Fans

Seit Januar 2016 bestand ein fast durchgängig andauerndes Auswärtsverbot für den kurdischen Fußballverein Amedspor. Wie der Klub nun mitteilt, ist die Sperre nach 64 Spielen ohne Fans aufgehoben worden.

Kein Verein in der Türkei wurde vom türkischen Fußballverband „Türkiye Futbol Federasyonu“ (TFF) mit derart vielen Disziplinarverfahren – von Zuschauerausschluss bis Geldstrafen – überzogen wie der Klub Amedspor SK. Der in der kurdischen Metropole Amed (türkisch: Diyarbakir) ansässige Verein ist permanenten Angriffen von türkischen Nationalisten und staatlichen Organen ausgesetzt. Neben den Spielern sind es auch Mitglieder der Fangruppe Direniş (Widerstand), die bei nahezu jedem Auswärtsspiel mit psychologischen Angriffen, rassistischen Parolen und Verwünschungen von Seiten der gegnerischen Fans konfrontiert werden. Seit Januar 2016 bestand ein fast durchgängig andauerndes Auswärtsverbot für die Fans von Amedspor. Wie der Klub am Freitag mitteilte, ist die Sperre nach 64 Spielen ohne Fans nun aufgehoben worden. Das erste Spiel mit eigenen Zuschauern findet morgen gegen den Verein Manisaspor statt.

Der ehemals „Diyarbakır BB” benannte Klub wurde im Jahre 2014, während sich die Türkei und die kurdische Freiheitsbewegung in Friedensverhandlungen und einer Phase der Entspannung befanden, in Amed SK umbenannt. Seit der Umbenennung erfreut sich der Verein einer großen Beliebtheit – nicht nur im Norden Kurdistans. Diese Popularität zeigt sich insbesondere auch in der Struktur des Vereins: Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen, Fans, Spieler und Funktionäre entscheiden Hand in Hand über Belange des Vereins.

Auswärtsverbot auf Frauenmannschaft ausgeweitet

Das vor drei Jahren verhängte Auswärtsverbot wurde 2018 auch auf die in der ersten Liga spielende Frauenmannschaft ausgeweitet. Doch auch bei Heimspielen, wo im Durchschnitt etwa 15.000 Anhängerinnen und Anhänger anwesend sind, kommt es immer wieder zu Provokationen und Übergriffen durch türkische Sicherheitskräfte und gegnerische Fans. Diese Situation erreichte 2015 ihren Höhepunkt, als die türkische Regierung die Friedensverhandlungen mit der PKK beendete und auf Krieg gegen die kurdische Bevölkerung setzte, um für die anstehenden Wahlen mehr Stimmen aus dem nationalistischen Lager zu holen. Der über mehrere Monate andauernden Militärbelagerung in Städten wie Amed, Şirnex, Cizîr und Nisêbîn fielen Hunderte Menschen zum Opfer. Während die türkische Armee einen Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung und ihre Selbstverwaltung führte, wurde Amedspor zur Zielscheibe gegnerischer Fans.

„Die Kinder sollen nicht sterben, sie sollen zum Spiel gehen!“

Die Auswärtsverbote begannen Anfang 2016 mit einem Pokalspiel gegen den Verein Başakşehir. Zu dem Zeitpunkt wurde Sûr, das historische Altstadtviertel von Amed, vom türkischen Militär zerstört. Beim Spiel gegen Başakşehir riefen Mitglieder von Direniş die Parole: „Die Kinder sollen nicht sterben, sie sollen zum Spiel gehen!“ Auch gab es Transparente mit der gleichen Forderung. 36 Fans von Amedspor wurden nach dem Spiel festgenommen, in Handschellen abgeführt und von der Polizei verprügelt. Die Repression und rassistische Übergriffe auf den Klub und seine Fangruppe stiegen mit jedem Tag an, die gleichgeschalteten Medien des Landes verbreiten die Mär vom „Terroristenklub“.

Fußballverband handelt nicht

Die Vereinsleitung hat sich bereits etliche Male an den Fußballverband gewandt. Während der TFF ansonsten nicht zögert, großzügig Zuschauersperren und Geldstrafen zu verhängen, geschieht im Fall von Amedspor nichts.

Anfang des Jahres hatte ein Netzwerk linker Fußballfans die deutschlandweite Amed SK Soli-Tour „Geschichte eines Fußballvereins zwischen kurdischer Identität und türkischer Repression” organisiert, um auf die Situation des Vereins hinzuweisen und Geld für den Ausbau der Frauenabteilung zu sammeln. Nach dem Putschversuch 2016 und dem anschließend verhängten Ausnahmezustand setzte die Regierung die Stadtverwaltungen in vielen kurdischen Städten ab und platzierte dort ankaratreue Stadthalter – auch in Amed. Für Amedspor bedeutete dies das Ende der Unterstützung durch die Stadtverwaltung. Durch Verbandsstrafen und systematische Benachteiligung gebeutelt, kämpft der Verein heute um sein wirtschaftliches Überleben.