Xebat Andok: Die PDK muss überwunden werden

„Die PDK ist keine Partei, mit der sich die nationale Einheit aufbauen lässt. Sie muss überwunden werden, damit es zur innerkurdischen Einheit kommen kann“, sagt Xebat Andok mit Blick auf die Zusammenarbeit der Barzanîs mit kurdenfeindlichen Kräften.

Die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) verhält sich den Regimeparteien der Türkei immer ähnlicher. Wohin wird ihr Alleinvertretungsanspruch und ihre faschisierte Praxis Südkurdistan führen? Als Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) hat sich Xebat Andok in einem ausführlichen Interview über die Hintergründe der Zusammenarbeit der PDK mit kurdenfeindlichen Mächten, ihre ablehnende Haltung gegenüber der kurdischen Befreiungsbewegung und ihre Versuche geäußert, eine innerkurdische Einheit zu verhindern. Das Interview zeichnet einen kurzen Umriss der Auswirkungen der Politik des Regimes in Hewlêr (Erbil) auf ganz Kurdistan und dechiffriert eine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem türkischen Kolonialismus. Der bereits veröffentlichte erste Teil des Interviews ist weiter unten verlinkt.

Seit Jahrzehnten verfügt Südkurdistan über einen autonomen Status. Die Region ist reich an Öl und Gas, aber auch an Wasser und fruchtbarem Land. Wofür nutzt die PDK den enormen Reichtum Südkurdistans?

Die von den Barzanîs geführte PDK hat neofeudale Strukturen etabliert und bewegt sich mit ganzer Kraft Richtung Kapitalismus. Weil Kapitalismus ihr Ziel ist und sich der Geist des Kapitalismus durch Profit und Individualismus auszeichnet, kann die PDK aus ontologischen Gründen niemals volksverbunden und patriotisch sein. Sie wird sich nicht um das Volk, Land oder die Umwelt bemühen. Sie nutzt alles, um für die Barzanî-Familie und für eine Minderheit, die sich um sie versammelt hat, grenzenlosen Profit zu sichern. Dafür nutzt sie die Partei, Südkurdistan und – als würde all das nicht reichen – die anderen Teile Kurdistans. Für sie ist alles eine Frage von Kaufen und Verkaufen. Die PDK verwandelt sehr gekonnt alles, was sich ihr anbietet, in Geld. Daher gibt es nichts, was sie nicht verkaufen würde. Heute sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es praktisch nichts mehr gibt, was noch nicht von der PDK veräußert wurde.

Vor nicht allzu langer Zeit haben einige US-amerikanische Journalisten öffentlich gemacht, welch enormen Reichtum die Barzanî-Dynastie mittlerweile angehäuft hat. Dabei haben diese Journalisten nur den öffentlich bekannten, in den USA existierenden Besitz der Barzanîs recherchiert. Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass die Barzanî-Familie heute zu den Reichsten der Welt gehört. Vor Jahren wurde öffentlich darüber diskutiert, dass dieser Clan gewissen Personen beziehungsweise Institutionen dutzende Millionen Dollar Bestechungsgelder gezahlt hat, um nicht auf der Liste der Reichsten der Welt genannt zu werden. Da existierte eine gewisse Furcht vor Protesten der Bevölkerung. Es steht außer Zweifel, dass die Barzanîs ihren Reichtum dadurch erlangt haben, dass sie – so wie alle Kapitalisten – den Reichtum des Landes ausbeuten und die Ressourcen zum Verkauf anbieten. Durch ihre Kollaboration und ihren Verrat verwandelt die PDK praktisch alles in Geld. Dazu gehören etwa die strategische Lage Kurdistans, die sich gegen die Regionalstaaten nutzen lässt, die natürlichen Ressourcen und das Blut von PKK-Mitgliedern.

Je mehr die Barzanîs ihre enormen Reichtümer anhäufen, desto stärker verarmt zugleich unser Volk in Südkurdistan. Die ganze Welt hat vor nicht allzu langer Zeit mitverfolgt, wie sehr das Volk Südkurdistans jegliche Hoffnung verloren hat und sich deshalb auf den Weg an die weißrussisch-polnische Grenze begab. Dabei ist Südkurdistan der einzige Ort, an dem die Kurden einen offiziellen Status erlangt haben. Südkurdistan müsste also ein Anziehungspunkt für alle Kurden sein. Es müsste ein Ort sein, an dem nicht nur unsere südkurdische Bevölkerung, sondern auch Kurden aus den anderen Teilen Kurdistans leben möchten. Doch die heutige Situation entspricht genau dem Gegenteil. Wie wir bereits dargestellt haben, lässt die PDK die aus Nordkurdistan stammenden Menschen in Südkurdistan vom türkischen Staat ermorden oder weist sie selbst aus. Sie setzt Fluchtbewegungen nach Europa in Gang und liefert all diejenigen, die bleiben, Hunger und Unterdrückung aus. Obwohl die PDK lange Zeit die gesamten Ölverkäufe Südkurdistans abwickelte, inklusive des Öls aus Kerkûk, behauptet sie, nicht einmal die Gehälter ihrer Beamtenschaft bezahlen zu können. Stattdessen fordert sie ununterbrochen Geld von der irakischen Zentralregierung.

Auch das von der irakischen Zentralregierung für die Kurdistan-Region Irak zur Verfügung gestellte Budget wird von der PDK geplündert. Alle Ministerien befinden sich in der Hand der PDK. Doch sie ist nicht dazu bereit, das bestehende Budget gleichmäßig unter den verschiedenen Regionen aufzuteilen. Die Regionen Silêmanî und Helebce werden bewusst ausgeklammert. Diese offensichtliche Plünderung und Ungerechtigkeit hat die Politiker und Bevölkerung dieser beiden Regionen mittlerweile so weit gebracht, dass sie ihre offiziellen Geschäfte nicht mit der südkurdischen Regierung, sondern direkt mit Bagdad abwickeln. Südkurdische Medien berichten zudem immer wieder über Fälle von älteren Menschen, die ihr ganzes Leben für die Befreiung Kurdistans gekämpft haben, heute jedoch sterben, während sie in der Schlange stehen, um ihre Rente zu erhalten.

Aktuell erlebt Europa aufgrund des Russland-Ukraine-Krieges Probleme im Bereich der Energieversorgung. Deshalb ist die PDK nun mit der Frage beschäftigt, wie sich die Gasvorkommen in Çemçemal im Gouvernement Silêmanî mithilfe des genozidal-kolonialistischen türkischen Staates nach Europa transportieren lassen. Auf Basis gemeinsam mit der Türkei entwickelter Pläne versucht die PDK für dieses Vorhaben die Unterstützung mächtiger Staaten zu gewinnen. Diese Unterstützung möchte sie dann für den Krieg gegen die PKK nutzen und zugleich die Patriotische Union Kurdistans (YNK) unter Druck setzen, damit diese den Plan von ihr und der Türkei akzeptiert. Während die PDK all dies tut, achtet sie tunlichst darauf, dass das Regionalparlament geschlossen bleibt.

Kurz gesagt, die PDK ist eine Bande, die an nichts anderes als Geld glaubt und deren Geist vollständig vom Kapital vereinnahmt wurde. Durch ihre schmutzigen Geschäfte hat sie allerlei Besitz angehäuft. Alles andere, worauf sie Anspruch erhebt, gehört in Wirklichkeit dem kurdischen Volk. Wir haben es hier also mit einem System der Plünderung zu tun, durch das alle Reichtümer des kurdischen Volkes und Kurdistans gemeinsam mit dem türkischen Regime ausgebeutet werden.

Die PDK verfolgt eine sehr aggressive Politik gegenüber den anderen Teilen Kurdistans. Dazu gehört, dass sie immer wieder die Grenze zur Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien schließt oder mithilfe ihr nahestehender Medienorgane und Parteien versucht, dort Unruhe zu stiften. Eine ähnliche Haltung nimmt die PDK gegenüber der Autonomieverwaltung Şengals ein. Die PDK blockiert den Zugang zu der Region, wodurch der Wiederaufbau und die Rückkehr von Geflüchteten verhindert werden. Außerdem rechtfertigt sie die regelmäßigen türkischen Luftangriffe auf die Region. Warum nimmt die PDK solch eine feindliche Haltung gegenüber diesen Teilen Kurdistans ein?

Die feindlichen und problematischen Handlungen der PDK beschränken sich nicht nur auf die von Ihnen erwähnten Teile Kurdistans. Denn das Gleiche tut sie auch in Südkurdistan. Aus diesem Grund stößt sie heute in Südkurdistan am stärksten auf den Unmut der Menschen. Abgesehen von dem begrenzten Kreis an Personen, der den Reichtum Südkurdistans für sich beansprucht, lässt sich dort nicht eine einzige Person finden, die mit der PDK zufrieden ist. Bei der PDK handelt es sich nicht um eine Kraft, die sich mit Eigenstärke und durch Unterstützung des Volkes auf den Beinen hält. Sie wird unter größten Anstrengungen von den Kolonialisten und den globalen kapitalistischen Kräften am Leben gehalten. Diese Akteure halten die PDK auf den Beinen, um in Kurdistan ihre dunklen Pläne umsetzen zu können. Denn als Partei ist die PDK bereits dutzende Mal militärisch, politisch, gesellschaftlich und ideologisch ans Ende geraten.

Die PDK ist eine gescheiterte Partei. Als solche wird sie in Südkurdistan mit großem Aufwand, Unterdrückung, Tyrannei, der direkten Leitung und Führung durch die Türkei und mithilfe der Unterstützung aus den kapitalistischen Zentren als despotische Kraft am Leben gehalten.

Aus dieser Perspektive betrachtet wird von selbst deutlich, warum die PDK die vorher beschriebene Haltung gegenüber den anderen Teilen Kurdistans, aber auch gegenüber Şengal und Mexmûr, einnimmt. Zweifelsfrei möchte die PDK, wie jeder Kapitalist und Egoist auch, in ihrem eigenen Umfeld als Hegemon auftreten. Wir können also durchaus sagen, dass die PDK das Ziel verfolgt, in ganz Kurdistan zur Alleinherrscherin zu werden. Doch aufgrund ihres Charakters versucht sie dies nicht, indem sie sich auf das Volk stützt, sondern durch Kollaboration. Gegen all diejenigen, die sie in dieser Frage als Konkurrenz betrachtet, setzt die PDK massiv auf Komplotte, Gewalt, Morde, Vertreibung und Zerschlagung mithilfe der Kolonialisten. In Ostkurdistan [Westiran] standen die kurdischen politischen Bewegungen eine Zeit lang kurz davor, erfolgreich eine Revolution durchzuführen. Doch die PDK ging ein Bündnis mit dem Iran ein und zerschlug diese Bewegungen. Aus diesem Grund wird sie in Ostkurdistan noch heute als ‚rotköpfige Bande‘¹ (Cehşên Sersor) bezeichnet. Wir sind bereits darauf eingegangen, wie die PDK gemeinsam mit Saddam Hussein die YNK aus Hewlêr vertrieben hat und dort die Kontrolle übernahm. Anhand historischer Dokumente belegt ist auch, wie die PDK gemeinsam mit dem türkischen MIT die PDK-Türkei im Zuge des sogenannten ‚Ereignis der beiden Saits‘² zerschlug. Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Die Liste der historischen Verbrechen der PDK ist nicht nur in Südkurdistan, sondern in ganz Kurdistan endlos. 

Wie Sie selbst in ihrer Frage erwähnen, nimmt die PDK gegenüber den anderen Teilen Kurdistans eine feindliche Haltung ein. Gegenüber dem Geflüchtetencamp Mexmûr, das außerhalb des von der PDK kontrollierten Gebiets liegt, bezieht sie dieselbe Position wie der türkische Staat. Was die Türkei über Mexmûr denkt und wie sie sich gegenüber der Flüchtlingsgemeinschaft verhält, genauso nähert sich auch die PDK diesem Camp an. Darauf sind wir zuvor kurz eingegangen.

Lange Zeit kontrollierte die PDK gemeinsam mit der irakischen Regierung das Gebiet Şengal. Doch als der IS dort 2014 angriff, flohen sowohl die PDK als auch die irakischen Kräfte. Auch in Bezug auf Şengal gilt: Was immer der türkische Staat denkt, das vertritt auch die PDK. Beide setzen dies dann gemeinsam in die Praxis um. In Şengal wurde unsere ezidische Bevölkerung auf der Grundlage der Philosophie von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] von der PKK weitergebildet und organisiert. Die Hauptsorge des türkischen Staates und der PDK besteht aktuell darin, die von der Bevölkerung Şengals aufgebaute Selbstverwaltung zu zerschlagen. Dafür verüben sie Mordanschläge auf gesellschaftliche Führungspersönlichkeiten der Eziden, verhindern die Rückkehr der Vertriebenen, die seit den IS-Angriffen von der PDK in Camps in Geiselhaft gehalten werden, und üben mithilfe der UNO, USA und gewissen EU-Ländern Druck auf den Irak aus, damit dieser die Autonome Verwaltung Şengals auflöst. Kurz gesagt, die PDK nimmt aktuell die am stärksten feindliche Haltung gegenüber Şengal ein und unternimmt alles in ihrer Macht Stehende, um zu verhindern, dass Şengal – eine Region, die vor existentiellen Herausforderungen steht – sich selbst verwalten kann. Dabei ist die PDK ein schamloser Akteur, der tausende Peschmerga abzog, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzugeben, als der IS Şengal angriff und dadurch hunderttausende Ezidinnen und Eziden dem Terror auslieferte. Unter normalen Umständen müsste sie vor Gericht gestellt werden und die denkbar schwerste Strafe dafür erhalten. Stattdessen tut sie all die zuvor beschriebenen Dinge, ohne jegliche Scham dafür zu zeigen.

Die Rojava-Revolution hat die Hoffnungen der Menschheit auf Freiheit und Demokratie erneut geweckt; und das unter den Bedingungen der kapitalistischen Moderne und eines völlig zersplitterten Nahen Ostens. Sie hat Allen neue Hoffnungen für die Gegenwart und die Zukunft geschenkt und es zugleich unserem Volk in Rojava ermöglicht, sich selbst zu verwalten. Auch gegenüber dieser Revolution nimmt die PDK dieselbe Haltung ein wie der türkische Staat. Die Türkei fußt auf dem Ziel, die Kurden vollständig zu vernichten und betrachtet die kurdische Existenz als ontologische Gefahr für sich. Aus diesem Grund verfolgt sie im In- und Ausland Kurdenfeindlichkeit als ihre grundlegendste Strategie. Sie betrachtet daher den Fakt, dass die Kurdinnen und Kurden in Rojava zu einer sich selbst verwaltenden Kraft geworden sind, als die größte nur denkbare Gefahr für sich und unternimmt alles für die Zerschlagung der dortigen Revolution. Genau hier kommt die PDK ins Spiel. Denn der türkische Staat tut all dies gemeinsam mit der PDK. Heute hat die Türkei die von ihr organisierten IS-Reste und den von der PDK kontrollierten ENKS³ unter ein und demselben Dach organisiert. Mithilfe dieser Kräfte hat der türkische Staat Efrîn, Serêkanîyê und Girê Spî besetzt. Dort werden demographische Veränderungen vorgenommen und es findet ein Völkermord an den Kurden statt. Ja, die PDK ist heute die Hauptverantwortliche für den Völkermord an den Kurdinnen und Kurden in Rojava. Um zu verhindern, dass sich auf regionaler und internationaler Ebene Widerstand dagegen regt und der von der Türkei begangene Völkermord an den Kurden eindeutig erkannt wird, verschleiert der türkische Staat mithilfe der PDK seine auf Vernichtung ausgerichtete Politik. Die PDK spielt hier also die denkbar schlechteste Rolle, nämlich die eines schmutzigen Schleiers.

Was die PDK in Nordkurdistan tut, lässt sich praktisch nicht in Worte fassen. Abgesehen von den Bündnissen, die sie dort in der Vergangenheit eingegangen ist, haben wir es heute mit einem strategischen Bündnis der Barzanîs mit Recep Tayyip Erdoğan und Devlet Bahçeli zu tun. Das Hauptziel dieser faschistischen Regierung ist der Völkermord an den Kurden. Durch ihr Bündnis mit eben dieser Regierung spielt die PDK eine aktive Rolle in der Völkermordpolitik. Für die Zerschlagung der PKK, durch die dem Völkermord an den Kurden Tür und Tor geöffnet würde, unternimmt die PDK alles. International präsentiert sie sich den Staaten gegenüber als ‚guter Kurde‘ und versucht zugleich alle davon zu überzeugen, dass die PKK, die seit einem halben Jahrhundert selbstlos für die Existenz und Freiheit der Kurden kämpft, der ‚böse Kurde‘ sei.

Um es kurz auf den Punkt zu bringen: wir könnten alle die Verbrechen der PDK einzeln aufzählen, doch würde das unserer Meinung nach nicht ausreichen. Der ausschlaggebende Punkt ist vielmehr, dass die Haltung der PDK gegenüber allen Teilen Kurdistans und den kurdischen politischen Kräften genau die gleiche ist, die auch von den Kolonialisten vertreten wird. Die PDK betrachtet die Kurden und deren politische Kräfte mit den Augen des Kolonialismus und der Völkermörder. Dieser Umstand wirft natürlich die Frage auf, ob die PDK – oder vielmehr deren Kern, also die Barzanîs – wirklich Kurden sind. Wenn sie wirklich Kurden sind, was für ein Kurdentum soll das dann bitte sein? Wie kann jemand als Kurde bezeichnet werden, der seine gesamte Macht dafür mobilisiert, seine eigenen Wurzeln zu zerstören?

KCK-Vertreter:innen betonen immer wieder die Notwendigkeit der nationalen Einheit des kurdischen Volkes. Wie beurteilen Sie die Position der PDK zur nationalen Einheit der Kurden?

Trotz des zuvor beschriebenen Wesens der PDK und all ihrer Verbrechen davon auszugehen, unter Beteiligung dieser Partei sei die nationale Einheit möglich, stellt nichts anderes als leere Worte dar. Mit einer Beteiligung der PDK wird es niemals zur nationalen Einheit kommen. Die PDK ist keine Partei, mit der sich die nationale Einheit aufbauen lässt. Ganz im Gegenteil, es handelt sich bei ihr um eine Partei, die überwunden werden muss, damit es zur nationalen Einheit kommen kann. Denn aktuell ist die PDK das größte und einzige Hindernis für die nationale Einheit des kurdischen Volkes. Es ist Barzanîs größter Traum, der Präsident ganz Kurdistans zu werden. Doch selbst als Rêber Apo vorschlug, dass Mesûd Barzanî den Vorsitz des Nationalkongresses übernehmen könnte, unterstützten die Barzanîs die nationale Einheit nicht. Denn der Kopf, der die PDK leitet, gehört nicht ihr selbst. Obwohl er kurdisch wirkt, wird dieser Kopf in Wahrheit von anderen Kräften geleitet und gelenkt. Kurz gesagt, die PDK ist nicht unabhängig. Ganz im Gegenteil, sie hat zahlreiche Besitzer. Das ist auch der Grund dafür, warum die PDK nicht im Interesse des kurdischen Volkes, sondern entsprechend der Vorgaben der kapitalistischen Kräfte handelt, die Kurdistan ausbeuten und in der Region ihre eigenen Interessen verfolgen. Solange also die PDK ihr Wesen nicht verändert, ihre kollaborierende, verräterische Haltung nicht aufgibt und nicht auf die Seite des kurdischen Volkes wechselt, wird es ein leerer Traum bleiben, dass es unter ihrer Beteiligung zur nationalen Einheit kommen kann. Wenn die PDK nicht diesen Weg einschlägt, sind alle derartigen Anstrengungen für die nationale Einheit des kurdischen Volkes vergebens.

Es stimmt, dass es aus kurdischer Sicht definitiv der nationalen Einheit bedarf. Abgesehen von der PDK sind sich alle darüber einig. Doch die ausschlaggebende Frage, die es zu beantworten gilt, ist, mit wem und wie das geschehen kann. Als Partei, die sich für ihre gesamte Nation entwickelt hat und all ihre Arbeiten auf dieser Grundlage ausführt, hat die PKK dieses Ziel zu einem gewissen Grad bereits erreicht. Sie hat sich also zu einer Partei der demokratischen Nation aller Kurden entwickelt. Sie hat in der Vergangenheit alles dafür unternommen, mit den anderen politischen Parteien und gesellschaftlichen Kräften der Kurden zusammen zu kommen und mit ihnen gemeinsam die nationale Einheit des kurdischen Volkes herzustellen. Und sie unternimmt auch weiterhin alles für dieses Ziel. Denn bei der PKK handelt es sich um eine Partei, die gemäß den Bedürfnissen des kurdischen Volkes gegründet wurde und auf eine dementsprechende Art und Weise arbeitet. Für die Existenz und Freiheit unseres Volkes ist die nationale Einheit unbedingt notwendig. Aus diesem Grund fordert die PKK mit größtem Nachdruck die nationale Einheit und arbeitet dafür, dass sie Wirklichkeit wird. Doch gibt es Kräfte, die die nationale Einheit des kurdischen Volkes als Gefahr für sich betrachten. An deren Spitze steht außer Frage der türkische Staat. Hinzu kommen Syrien, der Iran und Irak, die als regionale Kräfte den Status Kurdistans als Kolonie aufrechterhalten möchten und daher die nationale Einheit der Kurden ablehnen. Dann gibt es noch die hegemonialen Kräfte der kapitalistischen Moderne, denen die Kurdistan-Frage die Möglichkeit eröffnet, im Nahen Osten auf verschiedenste Art und Weise zu intervenieren. Auch sie haben kein Interesse an der nationalen Einheit der Kurden. Der türkische Staat und all diese anderen Kräfte verhindern mithilfe der PDK die nationale Einheit des kurdischen Volkes. Sie leiten und lenken die PDK sowie die PDK-kontrollierten politischen Kräfte und nutzen sie, um die Arbeiten für die nationale Einheit zu sabotieren. Die PDK verfügt nicht über einen Kopf, der sich an kurdischen Interessen orientiert und selbst kurdisch ist. Ihr Kopf wurde vollständig von den Besatzern und Völkermördern in Beschlag genommen. Die PDK wird also vom türkischen Staat geführt und gelenkt. Aus all diesen Gründen ist es völlig umsonst darauf zu setzen, dass sie sich an den Bemühungen um die nationale Einheit der Kurdinnen und Kurden beteiligt.

Ganz abgesehen von der Frage der nationalen Einheit des kurdischen Volkes droht aktuell unmittelbar der Ausbruch eines sehr schweren und umfassenden inneren Krieges. Denn die PDK beteiligt sich heute viel stärker als früher an dem Zerschlagungskonzept gegen die PKK, das von den USA und einigen EU-Ländern koordiniert und vom türkischen Staat praktisch umgesetzt wird. Die PDK ist aktiv an den Angriffen beteiligt, die der türkische Staat am 17. April gegen die Medya-Verteidigungsgebiete und kurz darauf der Irak gegen Şengal starteten. Der türkische Staat hat große Schwierigkeiten im Kampf gegen die Freiheitsguerilla Kurdistans, befindet sich aktuell in einer ausweglosen Lage und steht dementsprechend kurz vor einer strategischen Niederlage. Seine Angriffe gegen die Medya-Verteidigungsgebiete hat er von PDK-kontrollierten Regionen aus begonnen. Die PDK hat zum einen dem türkischen Staat die von ihr kontrollierten Gebiete vollständig zur Verfügung gestellt, damit dieser von dort aus die Freiheitsbewegung Kurdistans zerschlägt, und macht sich zum anderen in Form von Hinterhalten selbst auf die Jagd nach der Guerilla. Auf diese Weise beteiligt sich die PDK so aktiv wie möglich gemeinsam mit dem türkischen Staat an diesem Krieg. Der Völkermörder Erdoğan hat sich öffentlich bei der Regierung in Hewlêr und der irakischen Zentralregierung dafür bedankt, dass der Besatzungsangriffe mit ihrer Hilfe gestartet werden konnte und weiterhin andauert.

Gemeinsam mit dem türkischen Staat war die PDK auch die entscheidende Kraft, die es der irakischen Zentralregierung ermöglichte, am 17. April diesen Jahres Şengal anzugreifen. Aktuell wird öffentlich darüber diskutiert, ob der türkische Staat seine Besatzungsangriffe auf Rojava noch einmal verstärken wird. Erdoğan hat genau dies bereits angekündigt. Es bestehen keinerlei Zweifel daran, dass er diese Angriffe gemeinsam mit der PDK planen wird.

Mehr als vor der nationalen Einheit des kurdischen Volkes stehen wir heute also offensichtlich vor einem sehr umfassenden inneren Krieg. Der einzige Weg, um zu erreichen, dass solch ein innerkurdischer Krieg nicht stattfindet und die nationale Einheit der Kurdinnen und Kurden Wirklichkeit wird, besteht darin, dass die PDK kurdisch wird, also unter Beweis stellt, dass sie eine kurdische Partei ist. Das ist nur möglich, wenn sich die PDK, deren Geist und Körper von den Kolonialisten besetzt wurde, vollständig verändert. Doch ob dies tatsächlich passiert, erscheint als unwahrscheinlich.


[1] Bezieht sich auf die rot-weiße Kufiya, die traditionell auch von PDK-Mitgliedern getragen wird.

[2] Sait Kırmızıtoprak und Sait Elçi waren führende Kader der PDK-T in der Türkei. Sie arbeiteten beide aktiv darauf hin, den Guerillakampf in Kurdistan zu beginnen. Im Jahr 1971 wurden sie von der PDK in der südkurdischen Region Behdînan ermordet.

[3] Der Türkei nahestehender „Kurdische Nationalrat“ in Syrien.