Wie verteilen sich Auslandsstimmen und warum sind sie wichtig?
Die Wähler*innen aus dem Ausland beeinflussen die Wahlergebnisse in 87 Provinzen der Türkei.
Die Wähler*innen aus dem Ausland beeinflussen die Wahlergebnisse in 87 Provinzen der Türkei.
Die im Ausland lebenden drei Millionen in der Türkei Wahlberechtigten haben eine entscheidende Auswirkung auf die Wahl am 24. Juni. Am 7. Juni 2015 nutzten über eine Million Staatsbürger*innen im Ausland ihr Wahlrecht, am 1. November 2015 waren es dann 1,3 Millionen.
Die aus der Verteilung der im Ausland resultierenden Ergebnisse werden von allen politischen Parteien und ihren Kandidat*innen genauestens verfolgt, da sie eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Wahlergebnisse spielen.
Die Stimmen aus dem Ausland sind für die Hürde entscheidend
Die Stimmen aus dem Ausland sind für die Allianzen entscheidend, für die Überwindung der Zehn-Prozent-Hürde für die HDP sind sie allerdings lebensnotwendig. Nach Umfragen steht der Stimmanteil der HDP bei zehn Prozent auf Messers Schneide. Die Auslandsstimmen entscheiden bei der HDP etwa über einen halben Prozentpunkt. Wenn wir das System der Allianzen betrachten sehen wir, dass die Bedeutung der Stimmen aus dem Ausland für die HDP immer weiter zunimmt.
Wie verteilen sich die Stimmen aus dem Ausland?
Betrachten wir also die Bedeutung der Stimmen aus dem Ausland anhand der Methode ihrer Verteilung und den daraus folgenden Konsequenzen:
Die Diskussion über die Verteilung der Auslandsstimmen auf die Wahlkreise in der Türkei ist noch nicht abgeschlossen. Bisher konnte dazu noch immer kein gerechter Mechanismus geschaffen werden. Der jetzige Mechanismus wurde eingerichtet, um die Parteien zu bevorzugen, die über einen hohen Stimmanteil verfügen. Entsprechend der Ergebnisse vorangegangener Wahlen sieht es so aus, dass die AKP erste und die HDP zweitstärkste Partei im Ausland wird. Nach dem neuen Gesetz über Wahlallianzen allerdings und unter Einbeziehung der Stimmen der IYI-Partei, könnte die HDP auch dritte werden. In diesem Kontext könnten die Vorteile der HDP an die Volks-Allianz verloren gehen.
Die Stimmen aus dem Ausland werden dem des Stimmanteil entsprechend auf die 87 Wahlkreise in der Türkei verteilt. Nehmen wir ein Beispiel:
Angenommen in der Türkei werden 48 Millionen Stimmen genutzt, drei Millionen davon in einem Wahlkreis von Istanbul. Nehmen wir an, dass im Ausland 1,5 Millionen Stimmen abgegeben wurden. 300.000 für die HDP, 825.000 für die AKP, 255.000 CHP und 120.000 Stimmen für die anderen Parteien. Der einem Wahlkreis zugeteilte Stimmanteil entspricht der Anzahl der gültigen Stimmen in dem Wahlkreis. In dieser Situation gehen 6,25 Prozent (3 Prozent von 48 Millionen), also 93.750 von 1,5 Millionen in den genannten Wahlkreis in Istanbul. Die Zusammensetzung dieser Stimmen entspricht dem Anteil der einzelnen Parteien im Ausland. In diesem Beispiel wären es 51.562 Stimmen für die AKP, 18.750 für die HDP, die bei 20 Prozent liegt, und für die CHP 15.797 Stimmen, die somit bei 17 Prozent liegt. Die Wahlallianzen in diesem Wahlkreis können die Ergebnisse der einzelnen ihnen zugehörigen Parteien zu ihrem eigenen Durchschnitt selbst hinzufügen, da sie selbst als eine Partei gezählt werden.
Wenn die AKP im Ausland 55 Prozent erhält, dann bekommt sie in allen Wahlkreisen 55 Prozent der Stimmen aus dem Ausland. Wenn zum Beispiel der Stimmanteil der AKP real 5 Prozent beträgt, dann erhält sie dort trotzdem zusätzlich 55 Prozent. Für die HDP sind das dann immer nur 20 Prozent. Die HDP erhält in Yozgat, Kastamonu, Çankırı, Kütahya und Ordu mehr Stimmen aus dem Ausland, als im Inland.
Nach unserem Beispiel käme ein Stimmanteil von 93.750 Stimmen auf den Wahlkreis in Istanbul. Für die HDP wären das 18.750 Stimmen, also 20 Prozent. Damit würden 7,5 Prozent der für die HDP im Ausland abgegebenen Stimmen für den Wahlkreis in Istanbul gezählt werden. Wie relevant die Entscheidungen sein können, sehen wir in folgendem Beispiel.
Die HDP hatte bei den vorangegangenen Wahlen im 1. und 3. Wahlbezirk von Istanbul mit 300 bis 500 Stimmen zu wenig ihren Kandidaten nicht ins Parlament bringen können. Mit 4.000 weiteren Stimmen hätte sie sogar noch einen weiteren Sitz für den 1. Wahlbezirk erreichen können. Wären 6.667 weitere Stimmen der HDP zugefallen, dann hätte ein weiterer Abgeordneter, sowohl aus dem 1., als auch aus dem 3. Wahlbezirk von Istanbul gewonnen werden können. Diese Zahlen gelten ebenfalls für alle anderen 87 Wahlkreise.
*Am 7. Juni 2015 wurden drei Abgeordnetenmandate durch die Stimmen aus dem Ausland geändert.
*In Kocaeli ging eine mit Stimmen im Inland zunächst gewonnene Kandidatur der MHP durch die Verteilung der Stimmen aus dem Ausland an die HDP.
*Im 2. Wahlkreis von Izmir ging eine zunächst gewonnene Kandidatur der CHP aufgrund der Stimmen aus dem Ausland an die AKP.
*In Amasya ging eine zunächst gewonnene Kandidatur der MHP aufgrund der Stimmen aus dem Ausland an die AKP.
Bei den Wahlen am 7. Juni 2015 sorgten die Stimmen aus dem Ausland zur Steigerung der AKP um zwei, der HDP um einen Sitz, während die MHP einen und die CHP dadurch zwei Sitze verlor.
Bei den Wahlen vom 1. November 2015 veränderten die Stimmen aus dem Ausland drei Mandate.
*In Manisa ging eine zunächst gewonnene Kandidatur der MHP aufgrund der Stimmen aus dem Ausland an die AKP.
*In Kırıkkale ging eine zunächst gewonnene Kandidatur der MHP aufgrund der Stimmen aus dem Ausland an die AKP.
*In Denizli ging eine zunächst gewonnene Kandidatur der CHP aufgrund der Stimmen aus dem Ausland an die AKP.
Die Stimmen aus dem Ausland sorgten bei der AKP für eine Steigerung von drei Mandaten, während die CHP eines und die MHP zwei Mandate verlor.
Die Zahlen zeigen, wie bedeutungsvoll die Stimmen aus dem Ausland sind. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Wahlen am 24. Juni 2018 den Beginn eines neuen Regimes markieren, dann wird klar, dass jede kleinste Veränderung in der Zusammensetzung des Parlaments von größter Bedeutung ist.
Einige Abgeordnete können in einer kritischen Phase entscheidend für die Durchsetzung oder Ablehnung von Verfassungsänderungen sein. Für die Aufhebung der Immunität reichte die Stärke der AKP und der MHP nicht, sie mussten sich Hilfe von einigen CHP-Abgeordneten holen. Im neuen System werden die Allianzen als eine Partei anerkannt, daher wird diesmal der Einfluss der Stimmen aus dem Ausland noch größer sein.