Türkei verfolgt expansionistische Politik im Nahen Osten

Der Nahe Osten kommt seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe. Internationale sowie regionale Mächte und ihre Interessen stehen sich gegenüber. In einer Analyse der türkischen Außenpolitik in Syrien und im Irak zeigen sich die Rolle der Türkei und ihre Absichten.

Aktuelle Analyse

Die Türkei hat in den vergangenen Jahren ihre politischen, militärischen und wirtschaftlichen Aktivitäten im Nahen Osten intensiviert. Beobachter:innen weisen auf eine Ausweitung des türkischen Einflusses hin, die die regionalen Machtverhältnisse verändert und Auswirkungen auf demokratische Bewegungen sowie Minderheiten in der Region hat. In einem aktuellen Bericht des kurdischen Senders Ronahi TV wird die derzeitige Außenpolitik der Türkei in Syrien und im Irak analysiert.

Militärische Präsenz im Irak

Unter dem Vorwand, gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat die Türkei ihre militärischen Operationen im Irak ausgeweitet. Große Teile Südkurdistans (Nordirak) stehen unter türkischer Militärpräsenz, unterstützt durch zahlreiche errichtete Stützpunkte. Besonders umstritten ist der Standort in Bashiqa, dessen Schließung der irakischen Regierung bislang nicht gelang.

Darüber hinaus baut Ankara seinen politischen und gesellschaftlichen Einfluss aus, insbesondere unter der turkmenischen und der sunnitischen Bevölkerungsgruppe. Diese Gemeinschaften werden gezielt in nationalistischen und konservativen Netzwerken eingebunden, um türkische Interessen, unter anderem in der strategisch bedeutenden Stadt Kerkûk (Kirkuk), voranzutreiben. Auch wirtschaftlich ist Südkurdistan zunehmend in die Abhängigkeit vom türkischen Markt geraten.

Interventionen in Syrien

In Syrien verfolgt die Türkei eine strikt anti-kurdische Agenda. Seit Beginn der Interventionen hat sie Gebiete wie Efrîn (Afrin) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) besetzt. Ankara arbeitete mit verschiedenen bewaffneten Gruppierungen zusammen, darunter laut Expert:innen auch Teile der dschihadistischen Organisation „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS), die international, bis zu ihrer Machtergreifung in Syrien, als terroristisch eingestuft wurde.

Durch die Einflussnahme und taktische Annäherungen an Russland und den Iran im Astana-Prozess gelang es Ankara, eine strategische Front gegen die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), die zuerst in den kurdischen Gebieten entstand, aufzubauen. Nach der Schwächung des Baath-Regimes schloss der türkische Staat ein Abkommen mit der HTS und startete neue Angriffe auf die kurdische Bevölkerung und die Autonomieverwaltung. Gebiete wie Şehba, Tel Rifat (Tall Rifaat) und Minbic (Manbidsch) wurden eingenommen. Die Offensive wurde jedoch von den kurdischen Selbstverteidigungskräften in Tişrîn gestoppt. Diese monatelangen Angriffe scheinen Beobachter:innen zufolge darauf abzuzielen, die DAANES vollständig zu zerschlagen und die kurdische Bevölkerung zu vertreiben.

Politische Einflussnahme und ideologische Ausrichtung

Politisch forciert die türkische Regierung eine konservativ-islamische Staatsstruktur für Syrien. Die von der Türkei unterstützte Übergangsverwaltung steht unter massiver Kritik, da sie pluralistische und demokratische Kräfte ausschließt und sich ideologisch stark an der Muslimbruderschaft orientiert. Die Türkei weigert sich, sich aus den von ihr besetzten Gebieten in Syrien zurückzuziehen, und es gibt keinen nennenswerten Druck oder ernsthafte Forderungen, dies zu tun. Die HTS ist nicht in der Lage, sich dagegen zu wehren. Die Türkei scheint sich nicht mit dem Status quo zufrieden zu geben, sondern arbeitet nun an der Errichtung neuer Militärstützpunkte auf syrischem Gebiet.

Spannungen mit Israel

Während sich die Türkei in Syrien weiter festsetzt, reagiert Israel zunehmend kritisch auf diese Entwicklungen. Das israelische Militär hat in jüngster Zeit mehrfach Stellungen in Syrien angegriffen, wobei insbesondere die vermuteten Bestrebungen der Türkei zur Errichtung neuer Militärbasen ins Visier genommen wurden. Hintergrund ist die Sorge, dass eine Ausweitung des Einflusses von HTS durch Ankara die regionale Sicherheit Israels gefährden könnte.

Gleichzeitig bleibt der türkische Staat ein Unterstützer der Muslimbruderschaft und hatte in der Vergangenheit enge Verbindungen zur Hamas – beides Aspekte, die das Verhältnis zu Israel zusätzlich belasten. Während die Türkei öffentlich erklärt, eine Eskalation mit Israel vermeiden zu wollen, verfolgt sie laut Beobachter:innen auch hier weiterhin eine aggressive Außenpolitik.

Israel verfolgt seine Interessen

Bekanntlich hat Israel seine Absicht erklärt, die Landkarte des Nahen Ostens neu zu zeichnen. Sowohl der Hamas als auch der Hisbollah wurden nachhaltige Niederlagen beigebracht, und tatsächlich war es Israel, das eine entscheidende Rolle beim Zusammenbruch des Baath-Regimes spielte. Die Hisbollah und die iranischen Streitkräfte in Syrien wurden konsequent ins Visier genommen und nach und nach unwirksam gemacht.

Die Türkei nimmt eine vorsichtige Haltung gegenüber Israel ein. Der türkische Außenminister Hakan Fidan erklärte: „Wir wollen nicht in einen Konflikt mit Israel geraten.“ Israel bleibt jedoch in dieser Angelegenheit hart und unnachgiebig. Es ist entschlossen, die gesamte militärische Infrastruktur Syriens zu zerstören und lehnt die Aufstellung einer neuen, schlagkräftigen Armee entschieden ab. In dieser Frage stehen die Türkei und Israel auf entgegengesetzten Seiten.

Geopolitische Umbrüche und regionale Spannungen

Der Nahe Osten befindet sich in einer Phase tiefgreifender geopolitischer Umbrüche. Der türkische Staat arbeitet an der Unterdrückung fortschrittlicher und demokratischer Bewegungen. Indem er den Nationalismus schürt, unterstützt er religiös begründete Regime und reaktionäre Gruppen. Sein Schweigen angesichts der Massaker an der alawitischen Gemeinschaft und seine Unterstützung der HTS in diesem Zusammenhang sind klare Beispiele für dieses Vorgehen.

Die Türkei strebt eine führende Rolle an – sowohl durch militärisches Eingreifen als auch durch ideologische Einflussnahme. Dabei gerät sie zwangsläufig in Konfrontation mit anderen regionalen Akteur:innen. Während sich Syrien weiterhin als Schauplatz dieser Auseinandersetzungen erweist, stellt sich zunehmend die Frage, wie lange dieser machtpolitische Kurs ohne gravierende Gegenreaktionen Bestand haben kann.