Vor vielen Jahren hat Eduardo Galeano geschrieben, dass angesichts des hohen Tempos der Mörder das Ende dieser Welt nicht mehr fern ist und der technische Fortschritt des 21. Jahrhunderts dem Fortschritt aus 20.000 Jahren der Menschheitsgeschichte entspricht, aber nicht bekannt sei, auf welchem Planeten diese Entwicklung gefeiert werden wird.
Noch viel früher sah der spanische Priester Luis Alfonso de Carvallo bereits im Jahr 1695 den Trend seiner Zeit voraus und schrieb: „Die Natur ist sehr müde." Der Priester erklärte nicht, wer die Natur müde gemacht hatte und überließ dies der Nachwelt.
Doch die Liste derjenigen, die die Natur müde machen, ist klar und deutlich: Es sind diejenigen, die die Wälder fällen, die an jeden Ort der Welt hunderttausende Staudämme, Wasserkraftwerke, Windkraftanlagen bauen. Es sind die Gold- und Juwelenjäger, diejenigen, die nach Öl und Schiefergas suchen, die mit Gentechnik experimentieren, die Produzenten von Massenvernichtungswaffen und diejenigen, die die Welt in ein Kriegsfeld verwandeln.
Die Eigentümer des kapitalistischen Systems, dessen Herrschaft durch die Pandemie des Coronavirus erschüttert wird. Die Imperatoren, die mit ihren Geschichten von der Globalisierung, dem „Ende der Welt" und der „Erde als globalem Dorf" die Gesellschaften einschläferten und neue Eroberungsfeldzüge vorbereiteten!
Diejenigen, die die Natur müde machten, sind gleichzeitig auch die fähigsten Illusionisten dieser Welt. Die Systemeigentümer, die mit großer Gier die Natur ausplündern, versuchen für die dadurch versursachte Zerstörung sieben Milliarden 774 Millionen Menschen verantwortlich zu machen. Diese Illusion wird durch dafür finanzierte „Umweltorganisationen" wie Greenpeace einfach aufrechterhalten.
Man kann nicht sagen, sie seien damit nicht erfolgreich. In den Filmen und Dokumentationen, die zur Umweltsensibilisierung vorbereitet werden, kommt dem Zuschauer bei den Worten „Wir haben mit unseren eigenen Händen die Regenwälder und den Amazonas vernichtet“ nicht in den Sinn, dass er nicht einen Baum gefällt hat. Mit einem tragikomischen Gefühl fühlt er sich selbst verantwortlich für das Abholzen der Bäume.
Wenn es im Fernsehen heißt, dass wir die Umwelt verschmutzen, ohne an unsere Zukunft zu denken, kommen dem Zuschauer nicht zuerst die Kernkraftwerke in den Sinn, sondern der Zigarettenstummel, den er auf den Boden geworfen hat. Genau das nennt man eine Illusion.
Während ausführlich davon berichtet wird, wie viele Jahrhunderte es dauert, bis die auf dem Markt gekaufte Plastiktüte sich abbaut, und dafür alle Menschen zur Verantwortung gezogen werden, wird nie davon erzählt, wie der giftige Rauch, der innerhalb einer Minute aus dem Schornstein des Kernkraftwerks kommt, die Atmosphäre zerstört.
Es ist nun die Zeit, überall dies nachzudenken, zu diskutieren und aufzuwachen. Es ist die Zeit gekommen, die jahrhundertelange Periode zu beenden, in der die Menschen zum Narren gehalten werden und Herrschaft auf dem Rücken der Gesellschaften ausgeübt wird.
Es ist die Zeit, der Propaganda des Liberalismus zu widersprechen, mit der das Virus als kleiner Ausrutscher dargestellt wird. Bei jeder Gelegenheit muss zur Sprache gebracht werden, dass die eigentliche Verantwortung für das Coronavirus beim kapitalistisch-imperialistischen System liegt.
„Ich kann sagen, dass COVID-19 die Rache der Natur gegen eine seit mehr als 40 Jahren andauernde gewalttätige und irreguläre neoliberale Plünderung ist", sagt David Harvey. Die Statistiken bestätigen ihn:
841.950.092 Menschen weltweit hungern.
1.691.177.950 Menschen sind übergewichtig.
802.409.139 Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser.
Könnte das Coronavirus ein „intelligentes" Virus sein, das aufgetaucht ist, um ein Gleichgewicht zwischen übergewichtigen und hungrigen Menschen herzustellen?
Es sind noch 15.748 Tage, bis die Ölquellen verbraucht sind.
Die Anzahl der verbleibenden Tage bis zum Ende des Erdgases beträgt 57,72.
Die Anzahl der Tage bis zum Ende der Kohle beträgt 148.898.
Verstärkt die „Anzahl der verbleibenden Tage" nicht die Wahrscheinlichkeit, dass COVID-19 nicht von selbst, sondern eher in Laboratorien entstanden ist?
Zahlen für dieses Jahr:
1.233.207 Hektar zerstörte Waldfläche
2.845.583 Hektar Land wurde zur Wüste
Durch Erosion zerstörter Boden 1.660.283 Hektar
Die Zahl der hungernden Menschen auf der Welt beträgt 841.842.711.
Die Zahl der Menschen, die heute vor Hunger sterben, beträgt 17.100.
Ist die Frage, woher COVID-19 kommt und wer dafür verantwortlich ist, inzwischen nicht sinnlos?
Das dümmste und unnötigste Geplapper dieser Zeit lautet: „Wieder suchen alle nach einem Sündenbock und beschuldigen jemanden. Wir alle stehen vor den gleichen Problemen und sollten zusammen nach einer gemeinsamen Lösung suchen.“
Verantwortlich sind diejenigen, die ihre Bürger mit Diskursen wie „Herdenimmunität" und „Kriegstriage" behandeln. Auch wenn sie in den USA, China, Russland, England, Deutschland, Spanien, Italien, Iran und der Türkei verschiedene Namen tragen, ist es dieselbe Klasse. Die wahren Eigentümer des Staates sind die Herrschenden, die Regierungen und die Bourgeoisie. Nicht wir alle!
Während der britische Premierminister seine Unfähigkeit mit den Worten zugibt, dass „die Lage sich verschlimmern wird“, fasst US-Präsident Trump seine Hilflosigkeit in den Satz: „Es wäre ein Erfolg, wenn wir die Zahl der Toten unter 100.000 halten." Tayyip Erdogan setzt unterdessen seine Spendenkampagne fort.
Wir sind also nicht alle mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert und es gibt auch keinen Kampf für irgendeine gemeinsame Lösung. Sie haben private Krankenhäuser, private Atemgeräte, private Ärzte und Hunderte Bedienstete, die sofort reagieren, wenn sie auch nur niesen.
Mit wem und wie sollen sich die Millionen Menschen zusammenschließen, die an dem Coronavirus erkrankt sind, keinen Platz im Krankenhaus finden, trotz Symptomen nicht zum Arzt gehen und keine Tests durchführen lassen können, wegen der Ausgangssperre ihre Arbeit verloren haben, ihre Miete und ihren Alltagsbedarf nicht mehr finanzieren können?
Es ist eine Weltkarte erstellt worden, bei der die Länder nach Farben getrennt sind. Bei einem Klick kann man in Echtzeit die Zahl der Infektionen und Toten durch COVID-19 sehen. Doch die Karte zeigt nicht die Armen an, die an Hunger und dem Virus gestorben sind. Ebenso wie die Zeit der Quarantäne, in der wir leben, kann auch die Karte mit den Todesbilanzen deprimierend sein.
Indem wir uns die Hoffnung auf eine lebenswerte und schöne Welt erhalten, sollten wir uns darauf vorbreiten, Rechenschaft von denen einzufordern, die uns wie eine Herde halten und in unserem Namen Listen von Menschen erstellen, die „zuerst sterben müssen".
Schauen wir deshalb nicht auf Todeskarten und Statistiken von Naturzerstörungen, sondern auf die „Vogelkarte", die Fırat Vural in den sozialen Medien geteilt hat. Eine Karte, die bei dem Klick auf den jeweiligen Vogel ihren Laut von sich gibt...
Die Kolumne von Ferda Çetin ist am 2. April 2020 in der Yeni Özgür Politika erschienen.