Kalkan: Nicht gegen uns selbst, gegen den Faschismus

Duran Kalkan (PKK) appelliert an die Gefangenen, mit den Protestsuiziden aufzuhören: „Es sollten nicht immer wieder Aktionen dieser Art stattfinden. Wir sollten unsere Aktionen nicht gegen uns selbst, sondern gegen den Faschismus richten.“

Duran Kalkan, Mitglied im PKK-Exekutivkomitee, gab gegenüber dem Radiosender Dengê Welat eine Erklärung zu den sich häufenden Protestsuiziden in den türkischen Gefängnissen und zur allgemeinen Entwicklung des Widerstands ab. Dabei unterstrich Kalkan: „Wir müssen im Kampf ausdauerndere, den Faschismus noch empfindlicher treffende Methoden entwickeln. Wir müssen von kurzsichtigen, emotionalen und individualistischen Ansätzen Abstand nehmen.“

Zu Zülküf Gezen, einem Gefangenen aus der PKK, der sich aus Protest gegen die Isolation Abdullah Öcalans das Leben genommen hat, erklärte Kalkan, der Widerstand von Zülküf Gezen stehe in der Tradition von Mazlum Doğan, der sich an Newroz 1982 als Fanal des Widerstands im Foltergefängnis von Amed (Diyarbakır) das Leben nahm und einen Grundstein für den kurdischen Aufstand legte. Der menschenunwürdige Umgang mit den sterblichen Überresten Gezens zeige deutlich, dass sich der türkische Staat sogar vor den Beerdigungen fürchte und diese angreife.

Mit vielfältigem Widerstand zum Sieg gebracht werden

Kalkan unterstrich, die Offensive müsse durch vielfältige Widerstandsaktion noch wesentlich stärker werden und auf jeden Fall zum Sieg geführt werden. Er fuhr fort: „Der Genosse Zülküf stammt aus Sûr. Er ist in Sûr aufgewachsen, in dieser Stadt Kurdistans. Der Widerstand von Sûr, der legendäre Widerstand von Çîyager und Nûcan[1] hat sich dort entwickelt. Die Hungerstreikenden im Gefängnis sagen auch, dass dies ihre Grundlage darstellt, sie erklären: ‚Was auch kommen mag, das Ende wird wunderbar‘. Und das Ende wird wunderbar sein, der Sieg nähert sich Schritt für Schritt. Die Isolation wird zerschlagen, Kurdistan wird frei sein, die Türkei und der Mittlere Osten demokratisch, der Vorsitzende Apo wird frei leben und arbeiten können. Es ist wie ein Marathon. Zülküf hat ein Beispiel großen Mutes und großer Opferbereitschaft gesetzt. Als junger Mensch aus Amed, aus Sûr hat er gezeigt, dass er diesen Mut, diesen Willen und diese Überzeugung in seinem Innersten trägt.“

Nur die Sprache des Widerstands wird verstanden

Zur Situation in Amed erklärte Kalkan: „Das kurdische Volk zeigt Haltung. Die kurdischen Frauen und die Jugend beziehen Stellung. Unser Volk hat gesehen, dass die faschistische Mentalität und Politik des türkischen Staates weder weiß, was Demokratie ist, noch begreift, was eine Lösung oder ein humanistischer Ansatz bedeutet. Sie verstehen nur eine Sprache und das ist die des Widerstands. Es bedeutet, Aktionen zu entwickeln, mit denen die Unterdrückung und Repression zurückgeschlagen wird. Deswegen identifiziert sich die Bevölkerung mit der Guerilla. Wenn die Guerilla den Faschismus trifft, kann das Volk Luft holen. Die Menschen haben gesehen, dass es nur durch die Benutzung der Sprache, die der Faschismus versteht, Entwicklungen geben kann. Jetzt wird diese Wut organisiert und der Widerstand wird noch stärker. Bei den Kommunalwahlen am 31. März wird der AKP/MHP-Faschismus seinen schwersten Schlag erhalten. Danach wird der Kolonialismus zerschlagen und die völkermörderische faschistische Mentalität und Politik begraben werden. Das Folter- und Isolationssystem auf Imrali wird zerschlagen und es wird für freie Arbeits- und Lebensbedingungen für den Vorsitzende Apo gesorgt werden.“

Aktionen müssen vielfältiger werden

Kalkan sagte, er unterstütze die Aktion von Zülküf Gezen, betonte aber gleichzeitig: „Solche Aktionen können nicht immer und überall stattfinden. Der Vorsitzende Apo hatte nach der historischen Widerstandsaktion von Zîlan[2] erklärt: ‚So etwas darf nicht wiederholt werden.‘ Es kann nicht wieder und wieder gemacht werden. Wenn wir uns die Aktionen der Widerstandsoffensive ‚Die Isolation durchbrechen, den Faschismus zerschlagen‘ ansehen, so wird klar, dass diese vielfältiger werden müssen. Unsere Aktionen müssen die Isolation angreifen und dem Faschismus zusetzen. Das ist der Name unsere Offensive, deshalb müssen unsere Aktionen auch diesen Charakter widerspiegeln. Darauf sollten wir in den Gefängnissen, aber auch sonst überall achten. Die Genoss*innen im Gefängniswiderstand erleben zweifellos Folter und Repression, sie werden mit Gewalt isoliert und vereinzelt, aber sie haben diese Aktion organisiert begonnen, sie haben eine Struktur untereinander. Diese Organisiertheit sollte allen gezeigt werden. Die Gefangenen sollten dieser Organisiertheit entsprechend agieren. Sie sollten diesen organisierten Willen ausdrücken und soweit möglich individuelle Aktionen vermeiden. Sie sollten gemeinsam entscheiden und diese Entscheidungen zusammen umsetzen.

Die Aktionen müssen dem Faschismus schaden

Zweitens müssen sich die Aktionen weniger gegen uns selbst, als vielmehr gegen den Faschismus richten. Der Faschismus will uns sowieso vernichten, lasst uns ihm nicht diese Chance geben und ganz im Gegenteil Aktionen voranbringen, die den Zusammenbruch des Faschismus befördern. Der Faschismus muss noch stärker und beständiger bekämpft werden und um stärkeren Widerstand leisten zu können, ist es notwendig, am Leben zu sein. Wir müssen im Kampf ausdauerndere, den Faschismus noch empfindlicher treffende Methoden entwickeln. Wir müssen von kurzsichtigen, emotionalen und individualistischen Ansätzen Abstand nehmen.“


[1] Çîyager Hêvî (Cihat Türkan) war Kommandant im Widerstand von Sûr, die Kämpferin Nûcan Malatya - auch bekannt unter dem Nom de Guerre „Kanasçı -Scharfschützin- Roza” (Sonay Engin) ist am 30. Januar 2016 im Widerstand von Sûr gefallen.

[2] Zîlan (Zeynep Kınacı) sprengte sich auf eigene Initiative am 30. Juni 1996 bei einem Zapfenstreich der türkischen Armee im nordkurdischen Dersim in die Luft und setzte ein Fanal für die kurdische Freiheitsbewegung, insbesondere die Frauenbewegung.