Weltweit unterstützte die Bundesrepublik Deutschland als Frontstaat des Westens antikommunistische Putsche, von Chile 1973 bis zur Türkei 1980. Nun freigegebene Dokumente belegen eine deutsche Unterstützung für den Militärputsch 1965 in Indonesien. Die Täter des Massenmords sind bis heute straflos geblieben. Es wurden zwischen 500.000 und drei Millionen Menschen, die als Anhänger der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI) oder Angehörige der unter Generalverdacht gestellten chinesischen Minderheit galten, ermordet.
Aus t-online-Recherchen in den Beständen des BND (Bundesnachrichtendienst) geht nun eine Kooperation mit den Putschisten hervor. Unter anderem scheint der spätere Bundespräsident Karl Carstens dafür mitverantwortlich gewesen zu sein, dass Gelder an die Putschisten flossen.
Geld für „das Abschlachten von Kommunisten“
Die Akten deuten darauf hin, dass die Bundesregierung bereits im Vorfeld über den Putsch informiert war und den Militärs finanzielle Unterstützung in Höhe von mindesten 1,2 Millionen DM zusicherte. Gleichzeitig hatte die Bundesregierung Kenntnis über die Massaker. So schildert ein BND-Bericht mit dem Titel „Föhrenwald“ ein „regelrechtes Abschlachten von Kommunisten“, nur wenige Tage danach wird über die „dringende Bitte“ indonesischer Generäle um „Geldmittel, die – aus naheliegenden Gründen – nicht der indonesischen Staatskasse entnommen werden können“ diskutiert. Die 1,2 Millionen DM sollen als Barzahlung der Fortsetzung der „antikommunistischen Säuberungsaktion“ dienen und werde „hauptsächlich für Sonderaktionen gegen KP-Funktionäre und zur Durchführung von gesteuerten Demonstrationen benötigt“. Weiterhin solle das Geld der Produktion antikommunistischen Propagandamaterials dienen.
Zahlung muss heimlich erfolgen
Mit dem Material wurden Demonstrationen und Pogrome angestachelt, die von staatlich bewaffneten Milizen durchgeführt wurden. Die Bundesregierung sorgt sich nun um Bekanntwerden dieser Zahlungen: „Eine etwaige Hilfe in der vorgesehenen Art könnte jedoch – bei Bekanntwerden – sowohl für den Geldgeber wie auch für den Empfänger kaum übersehbare Folgen haben. Eine derartige Unterstützung kann daher überhaupt nur unter schärfster Abschirmung der Übermittlungswege gegeben werden“. Auch wenn auf dem Dokument handschriftlich eine Ablehnung formuliert ist, gibt es deutliche Hinweise darauf, dass dennoch Gelder geflossen sind. So ist ein Teil der Dokumente weiterhin unter Verschluss.
Späterer BND-Chef Wessel: Zahlungen erfolgt
Dem Autor der Recherche, Jonas Mueller-Töwe, liegt ein Entwurf eines Vortrags des späteren BND-Chefs Gerhard Wessel vor dem Vertrauensgremium des Bundestags vor. Darin heißt es: „Im Oktober 1965 bereits bestehende enge Verbindungen zum indonesischen strategischen ND [Nachrichtendienst, Anm. d. Red.] ermöglichten Unterstützung (Berater, Geräte, Geld) des indonesischen ND und militärischer Sonderorgane bei Zerschlagung der KPI (und Entmachtung Sukarnos – Steuerung und Unterstützung von Demonstrationen)."
Ausbildung indonesischer Geheimdienste und Militärs
Deutschland bildete systematisch Geheimdienst und Militär des Suharto-Regimes aus. Dabei begann die Zusammenarbeit bereits vor dem Putsch gegen die realsozialistisch orientierte Sukarno-Regierung.
Späterer Bundespräsident Karl Carstens
Der ehemalige SA-Mann, das NSDAP-Mitglied und späterer Bundespräsident Karl Carstens war als Staatssekretär für Waffendeals mit verschiedensten antikommunistischen Diktaturen und Militärs verantwortlich. In diesem Rahmen empfing Carstens 1965 den indonesischen Brigadegeneral Achmed Sukendro, der vom deutschen Botschafter in Jakarta als einer „der fähigsten und energischsten Antikommunisten“ gelobt wird. Carstens schreibt bereits im Vorfeld des Treffens „Schon vor Monaten“ habe Sukendro ihm gesagt, „die Armee warte nur auf den Vorwand, die Kommunisten zu vernichten“. Sukendro gilt als Architekt des indonesischen Massenmords und wurde offenbar sogar vom damaligen Außenminister Gerhard Schröder (CDU) empfangen.
Islamisten werden als antikommunistische Mordbrenner eingesetzt
Gemeinsam mit den USA unterstützte die Bundesregierung Sukendro, der islamistische Milizen bewaffnen und Pogrome begehen lässt. In dem „Föhrenwald“-Bericht des BND heißt es: „Auf Mittel- und Ostjava erfolgte zunächst ein regelrechtes Abschlachten von Kommunisten, in erster Linie durch fanatische Moslems. (...) Man lässt zumindest seitens der Armeeführung diesen anarchistischen Geschehnissen bewusst freien Lauf (...). Die vielen antikommunistischen Aktionen (...) sind selbstverständlich von der Armeeführung sorgfältig vorbereitet und die Bereitschaft der Massen (...) hierfür geweckt.“
Hinweise auf Mitverantwortung Deutschlands für die Ermordung von 500.000 Zivilist*innen
Der Historiker Geoffrey B. Robinson stellte gegenüber t-online fest: „Die Dokumente scheinen eine Mitverantwortung Deutschlands für die vorsätzliche und ungesetzliche Tötung von etwa einer halben Million Zivilisten zu zeigen sowie für die Masseninternierung von etwa einer Million weiterer.“ Weiter heißt es: „Das würden wir heute Verbrechen gegen die Menschlichkeit nennen.“