Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) führte am Samstag Gespräche mit einer europäischen Delegation über die anhaltenden Angriffe gegen die Autonomieregion. Die von Journalist:innen begleitete Delegation, bestehend aus Parlamentsabgeordneten, Bürgermeister:innen und Stadträt:innen aus Frankreich und Italien, kam im Sitz des Exekutivrates der DAANES in Raqqa mit den Spitzen der Selbstverwaltung und ihrer militärischen Verbände zusammen.
Die Gespräche fanden inmitten eskalierender Kriegshandlungen der Türkei und ihrer Proxytruppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA) statt. Im Windschatten des Sturzes des Assad-Regimes hat Ankara seine Besatzungsambitionen gegenüber Nord- und Ostsyrien verschärft, die Auswirkungen auf die humanitäre Lage und Stabilität in der Region sind besorgniserregend. Im Zentrum des Austauschs zwischen der DAANES und der Delegation lagen die Angriffe gegen den Tişrîn-Staudamm sowie die Qereqozax-Brücke am Euphrat. Dort kommt es seit Anfang Dezember zu schweren Angriffen sowie Auseinandersetzungen zwischen den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und Besatzungstruppen.
Militärgewalt und Kriegsverbrechen
Die Türkei will die QSD östlich des Euphrat-Flusses drängen, möglicherweise für einen weiteren Vormarsch bis zur symbolträchtigen Grenzstadt Kobanê, und verübt für dieses Ziel mutmaßliche Kriegsverbrechen. Die Tişrîn-Talsperre ist aufgrund von Schäden infolge türkischer Angriffe seit Dezember außer Betrieb, über 400.000 Menschen sind von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten. Zudem bombardiert die Türkei seit Wochen eine zivile Mahnwache, die auf dem Gelände der Anlage aus Protest gegen die Militärgewalt auf Nord- und Ostsyrien durchgeführt wird. Bei den Angriffen starben bisher 21 Menschen, über 200 weitere wurden verletzt.
Pressegespräch mit europäischen Journalist:innen
Die Delegation, der unter anderem die linke französische Parlamentsabgeordnete Danielle Simonnet angehört, nahm auch an einem Pressegespräch unter anderem mit den Sprecher:innen der QSD, YPG und YPJ teil, bei dem kritische Themen zur Zukunft Syriens, zu den Beziehungen zur neuen syrischen Regierung und der Notwendigkeit eines umfassenden Dialogs zwischen allen Gesellschaftsgruppen im Land angesprochen wurden. Die DAANES-Spitze betonte die Bedeutung eines nationalen Dialogs unter Einbeziehung aller religiösen und ethnischen Gruppen der Gesellschaft Syriens. Vor allem die Jugend und die Frauen müssten eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Zukunft des Landes spielen, hieß es. Die internationale Gemeinschaft wurde erneut aufgefordert, eine aktivere Rolle bei der Bekämpfung der türkischen Aggression und der Unterstützung der Stabilität in der Region zu spielen.
Die europäische Delegation brachte ihre Unterstützung für diese Grundsätze zum Ausdruck und wies darauf hin, dass eine nachhaltige Lösung des Syrienkonflikts integrative politische Prozesse beinhalten muss. Die Teilnehmenden forderten außerdem, in Europa den internationalen Druck auf die Türkei zu erhöhen, damit sie ihre Besatzungsoffensiven und Angriffe in Nord- und Ostsyrien einstellt.
Höhepunkte der Pressekonferenz
Hervorgehoben wurde bei dem Pressegespräch die Notwendigkeit, stärkere internationale Beziehungen zur DAANES zu fördern. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Militäraktionen der Türkei die Friedensbemühungen in Syrien nicht untergraben oder die humanitäre Krise in Syrien verschärfen. Parallel sollten Initiativen unterstützt werden, welche die Führungsrolle von Frauen und das Engagement von Jugendlichen in der politischen und sozialen Entwicklung fördern.
Künftige Auswirkungen
Der Besuch der europäischen Delegation wird als Teil umfassenderer internationaler Bemühungen gesehen, mit der Autonomieverwaltung in Kontakt zu treten und dringende Probleme im Norden Syriens anzugehen. Obwohl die DAANES für ihr Verwaltungsmodell und ihr Engagement für Inklusivität zunehmend Anerkennung erfährt, bestehen weiterhin Herausforderungen, da die Region mit anhaltenden Angriffen und politischer Unsicherheit zu kämpfen hat.