Erdêxan: Es reicht, für die HDP aktiv zu sein

In Erdêxan (Ardahan), einer Provinz auf türkischem Staatsgebiet an der Grenze zu Georgien, gibt es fast niemanden mehr, der bei der HDP aktiv ist und noch nie verhaftet oder festgenommen wurde.

Erdêxan ist eine der kleinsten Provinzen im türkischen Staat und befindet sich im äußersten Norden der Region Serhat an der Grenze zu Georgien. Die Repression, die dort gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) ausgeübt wird, zeigt das Ausmaß des politischen Vernichtungsfeldzuges in der Türkei.

Die HDP konnte in den letzten Jahren ihren Stimmenanteil in Erdêxan verbessern. Bei den vergangenen Wahlen erhielt die Partei 13.000 Stimmen. Insgesamt gibt es 60.000 Wahlberechtigte bei einer Einwohnerzahl von 97.000. Mit dem Anstieg des Stimmenanteils der HDP steigt parallel auch die Repression.

Allein in diesem Jahr wurden 150 Personen verhaftet. In den vergangenen drei Jahren wurde aus politischen Gründen gegen 2000 Personen Anklage erhoben. Vor Gericht sind 300 Strafverfahren wegen Mitgliedschaft oder Propaganda für eine Terrororganisation anhängig.

Ein Anwalt der Rechtsanwaltskammer Qers (Kars) ist der Meinung, dass in Erdêxan eine gesonderte Politik gegen Kurden geführt wird. Die Provinz liegt in der Grenzregion und hat eine kosmopolitische Struktur, führt der Anwalt aus: „Erdêxan ist die Stadt der Völker. Die AKP-Regierung fühlt sich ernsthaft gestört, wenn alle Völker sich zusammenschließen und gemeinsam vorgehen. Daher wurde das Rechtssystem sozusagen abgeschafft. Wer die HDP wählt, gilt als Straftäter. Es wird recherchiert, wer der HDP seine Stimme gegeben hat, und dann kommt es zur Festnahme. Die Gerichte arbeiten auf Befehl. Wir versuchen auf juristischem Wege dagegen anzugehen, aber wir sind vollkommen machtlos.“

Auch der ehemalige HDP-Abgeordnete Selami Özyaşar, der in Erdêxan eine Weile im Wahlkampf tätig war, meint, dass dort fast alle politisch Aktiven verhaftet worden sind. Gegen alle Vorstandsmitglieder der HDP und DBP laufen Prozesse und die Repression hält auch nach den Wahlen vom 24. Juni an: „Alle, die im Wahlkampf mitgearbeitet haben, sind festgenommen worden. Als Begründung werden häufig Beiträge in den sozialen Medien herangezogen. Es gibt niemanden mehr, der bei der HDP aktiv ist und noch nicht von der Polizei vorgeladen wurde.“