Die historische Entwicklung der deutsch-türkischen Beziehungen
Duran Kalkan, Mitglied des PKK-Exekutivrates, äußert sich im Interview zu den deutsch-türkischen Beziehungen.
Duran Kalkan, Mitglied des PKK-Exekutivrates, äußert sich im Interview zu den deutsch-türkischen Beziehungen.
Wir veröffentlichen den ersten Teil eines Interviews mit Duran Kalkan.
Auch wenn die deutsch-türkischen Beziehungen offiziell in der Zeit der Seldschuken im 11. Jahrhundert begannen, kann von einer gemeinsamen Beziehung ab dem 19. Jahrhundert gesprochen werden. Wie haben sich die Beziehungen zwischen Preußen und dem Osmanischen Reich im 19. Jahrhundert entwickelt und wie ist der Charakter dieser Beziehungen für beide Seiten zu bewerten?
Mit der Entwicklung des europäischen Kapitalismus und dem Wachstum des Russischen Kaiserreichs wurde das Osmanische Reich ab dem 17. und 18. Jahrhundert zunehmend schwächer und befand sich in einer Phase des Niedergangs. Anfang des 19. Jahrhunderts demaskierte sich diese Situation noch deutlicher. Das Russische Kaiserreich im Osten engte das Osmanische Reich amSchwarzen Meer und am Kaukasus ein, wie auch der zunehmend an Einfluss gewinnende europäische Kapitalismus von England und Frankreich. Das Osmanische Imperium verlor mit den Niederlagen in Kriegen immer mehr Land und wurde militärisch geschwächt.
Die Bemühungen des Osmanischen Reiches zu Beginn des 18. Jahrhunderts, sich entsprechend der kapitalistischen Moderne Europas zu formieren, konnte den Niedergang des Imperiums nicht stoppen. Um den zunehmenden Zerfall zu verhindern, begann man, die Autonomie, die Anfang des 19. Jahrhunderts den verschiedenen Gesellschaften innerhalb des Reiches gewährt worden war, einzuschränken. Insbesondere militärische Feldzüge im Inneren dienten dazu, die autonomen Verwaltungen, vor allem der kurdischen und armenischen Gesellschaften einzuschränken und deren lokale und militärische Kraft unter Kontrolle des Imperiums zu stellen.
Das Osmanische Reich geriet wegen der Expansion des [a.d.Ü: europäischen, französischen, britischen] kapitalistischen Systems unter Druck und konnte sich nicht dagegen schützen. Es suchte deshalb eine Lösung im Inneren entsprechend dem Prinzip „Wer seinen Esel nicht schlagen kann, schlägt den Packsattel“ und verfolgte eine Politik der Zentralisierung sowie Bündelung der politischen und militärischen Macht, indem es die autonomen Verwaltungen im Reich in ihren Rechten einschränkte. So wollte das Osmanische Reich seine Existenz sichern. Angefangen von dem Rewanduz-Angriff über die Maßnahmen gegen den Widerstand von Şêx Ûbeydûllah zu Beginn der 1880er Jahre bis hin zu den gemeinsamen Angriffen mit dem Iran gegen das Fürstentum Botan, um den Einfluss des Fürsten Bedirxan zu brechen, begann das Osmanische Reich einen fortschreitenden hundertjährigen Krieg und eine militärische Okkupation Kurdistans.
Dieser Zustand konzentrierte zum einen die politische und militärische Macht der kurdischen Fürsten im Zentrum des Osmanischen Reiches, zum anderen führte es zu mehr Kontrolle über die Reichtümer der armenischen Gesellschaft. Trotz dieser internen Maßnahmen und der dabei erbeuteten politischen, militärischen und ökonomischen Ressourcen konnte das Reich dem Druck der externen Kräfte – vor allem der de facto Allianz Englands, Frankreichs und Russlands – nicht standhalten. Auf der Suche nach einer externen Stütze gegen diese Einengung von außen fand das Osmanische Reich das aufstrebende Deutsche Reich als vorteilhafteren Verbündeten.
Es ist bekannt, dass das durch preußische Macht geeinte Deutsche Reich während der Entwicklung der kapitalistischen Moderne in Europa, ähnlich wie das Osmanische Reich auch, isoliert war. Die kapitalistischen Beziehungen entwickelten sich in England, den Niederlanden, Spanien und Frankreich früher als in Deutschland. Zudem verfügte Deutschland nicht über die nötige Einheit, so dass der deutsche Einfluss im europäischen Kontext sehr schwach war.
Dieser Zustand veränderte sich erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Modernität voranzubringen, indem in Anlehnung an den Staat von oben die Entwicklung des Kapitalismus betrieben wurde, brachte Vorteile. In Kombination mit der Vereinigung aller deutschen Teile zu einem Reich mithilfe der preußischen Macht wurde das deutsche Imperium in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer wichtigen politischen und militärischen Kraft in Europa. Aufgrund dieser verspäteten kapitalistischen Entwicklung des nun sehr starken und einheitlichen deutschen Staates war das Deutsche Reich besonders gierig und ausbeuterisch. Es wurden neue koloniale Gebiete dringlich gebraucht und gesucht.
Bedingt durch das englische, französische und russische Bündnis verlor das Osmanische Reich an Kraft und Bedeutung und wurde immer weiter in die Enge getrieben. An diesem Punkt bot es sich dem hungrigen und ausbeuterischen deutschen Kapitalismus als ein wichtiger Partner an. Das Osmanische Reich wurde für das Deutsche Reich sowohl zum wichtigen Partner im Kampf gegen politisch-militärische Gegner, als auch zu einem kolonialen Raum, der die Bedürfnisse des deutschen Kapitalismus als neues Feld der Ausbeutung erfüllte. Die sich Ende des 19. Jahrhunderts intensiv entwickelnden Beziehungen zwischen den beiden Reichen auf diese Weise zu beschreiben, die Gründe und Ursachen so zu benennen, führt zum besseren Verständnis der heutigen Situation und des Bündnisses.
Dabei fällt auf, dass beide Seiten sich gegenseitig auf vielfältige Weise brauchten. Auch wurden beide Imperien von ähnlichen Feinden umzingelt und unter Druck gesetzt. Durch die gegenseitige Abhängigkeit und den Kampf gegen denselben Feind wurden die Beziehungen immer mehr gestärkt. Der mit dem Bau der Berlin-Bagdad-Bahn begonnene Prozess der Partnerschaft führte zur Schicksalsgemeinschaft im Ersten Weltkrieg gegen den britisch-französisch-russischen Block und ermöglichte den Bestand beider Imperien.
Aus Sicht der Deutschen Reichs bot sich das vom Kapitalismus bisher nicht in Beschlag genommene große Territorium des Osmanischen Reichs als Raum für Investitionen an. Zudem eröffnete sich damit die Möglichkeit, im asiatischen Raum gegen die europäische und russische Konkurrenz zu agieren. Nachdem der deutsche Kapitalismus seine Einheit herstellte und sich reformierte, verfolgte er das Ziel, zu einer globalen Hegemonie zu werden und die Führung über die kapitalistische Moderne zu übernehmen. Diese Strategie diente dazu, führende hegemonische Macht weltweit zu werden. Es ist bekannt, dass eine solche Strategie und Praxis verfolgt wurden.
Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts begann dieser sich durch eine zunehmende Militarisierung kennzeichnende Prozess. Aufgrund der vielfältigen Beziehungen und Bündnisse mündete der Prozess in den ersten Weltkrieg. Es ist bekannt, dass der erste Weltkrieg im Wesentlichen ein deutsch-britischer Krieg war. Wir wissen auch, dass das System der kapitalistische Moderne entwickelt wurde, um selbst zur globalen Hegemonie zu werden, also sich überall zu verbreiten. Gleichzeitig fand ein Verteilungskampf zwischen den führenden kapitalistischen Kräften statt. Der späte Aufbruch und der Eifer des deutschen Imperialismus gegen die sich bereits kolonialistisch entwickelten Mächte Großbritannien, Frankreich und Russland führte zu einem erneuten Verteilungskampf und zum Krieg um die Eroberung und Einflussnahme neuer Gebiete.
Es ist bekannt, dass in diesem Kampf, in dem es vor allem um die Neuaufteilung der von England angeführten kapitalistischen Moderne ging, die osmanischen Gebiete – gekennzeichnet von Ausbeutung der eigenen Gebiete und als Eintrittspforte nach Asien – der Strategie des deutschen Kapitalismus am meisten dienten.
Es ist offensichtlich, dass die Beziehungen zum Osmanischen Reich dem Deutschen Reich im Kampf gegen die englische Vorherrschaft große Vorteile brachten. Daher hat es stets Wert darauf gelegt, mit der zentralen Führung des Osmanischen Reiches Beziehungen aufzubauen. Die Suche des Osmanischen Reiches nach externen Verbündeten, um dem Niedergang durch die Expansion des englischen und französischen Kapitalismus in Europa und der Einengung durch das Zarenreich zu entgehen, präsentierte sich das Deutsche Reich als Retter in der Not. Das waren die Ursachen und Motive ihrer Partnerschaft, die zum schicksalshaften Bündnis im Ersten Weltkrieg führte. Für die Osmanen, die sich in der Defensive befanden und von der Allianz der Briten, Franzosen und Russen bedroht wurden, war der externe Halt durch das Deutsche Reich eine verteidigungsstrategische Notwendigkeit.
Für das Deutsche Reich, welches eine etatistisch-kapitalistische Entwicklung vollzog, war eine zentrale Motivation für dieses Bündnis, wie bereits gesagt, das Territorium des Osmanischen Reichs als Absatzmarkt und das sich damit öffnende Tor nach Indien und Asien. In diesem Zusammenhang spielte das Osmanische Reich für die Interessen des Deutschen Reiches eine außerordentliche Rolle.
Mit dem Bau der Berlin-Bagdad-Trasse in der Mitte des 19. Jahrhunderts intensivierten sich die Beziehungen. So erreichte Deutschland eine wichtige Ausbeutungsbasis. Dieses Bündnis nutzte eine Zeitlang beiden Kräften. Diese Phase gipfelte im ersten Weltkrieg. Hier konnte trotz aller Bestrebungen das genannte Bündnis den Angriffen aus England und Frankreich nicht stand halten. Beide Mächte waren somit mit ihrer Strategie gescheitert. Deutschland konnte nicht zur führenden globalen Macht werden. Später erfolgte der Versuch, dieses Ziel mittels des Hitler-Faschismus zu erreichen. Das Osmanische Reich konnte sich nicht vor dem Zerfall retten. Auf den Trümmern des osmanischen Reiches gründete sich, wie wir wissen, die Republik Türkei, die sich mit der kemalistischen Bewegung von den Kriegsverlusten zu erholen versuchte. Während das Osmanische Reich unter der Einheitsregierung zerfiel, erlangte eine kemalistische Gruppe, die ein kleiner Ableger dessen war, die Initiative. Sie nutzte die Chance und gründete einen neuen Staat in Form der Republik Türkei. Deutschland hingegen versuchte, sich ebenfalls von der Niederlage zu erholen, was in den Hitler-Faschismus mündete.
Wie bewerten Sie in diesem Zuammenhang den deutschen Imperialismus? Was sind seine zentralen Charakteristika?
Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass sich der deutsche Kapitalismus im europäischen Kontext recht spät entwickelt hat. Es ist zudem wichtig festzustellen, dass es sich um einen Kapitalismus handelt, der sich durch Reformierung von oben in Anlehnung an den Staat entwickelt hat. Demgegenüber haben sich das kapitalistische System und die kapitalistischen Beziehungen in zahlreichen anderen europäischen Staaten dadurch entwickelt, dass die feudalen Strukturen durch Weiterentwicklung in zunehmendem Widerspruch zum Bestehenden standen.
In Deutschland vereinigten sich die Fürstentümer mit den preußischen Kräften und so entstand eine Staatsführung. Die kapitalistischen Beziehungen lehnten sich an diese Staatsmacht an; sie wurden als staatlicher Kapitalismus etabliert und in Wirtschaft und Politik dominant. So unterschied sich die Entwicklung des deutschen Kapitalismus grundlegend von der anderer europäischer Staaten. Eine gegenteilige Formatierung ist der Fall: Eine Veränderung von oben, eine durch die Staatmacht herbeigeführte. Sie ist von Beginn an zentralistisch, monopolistisch und hegemonisch, was zu einer stärkeren Schwächung führt, aber auch die Aggressivität steigert.
Wir müssen daher folgendes erkennen: Es handelt sich um einen verspäteten Kapitalismus. Ein Kapitalismus, der sich mit Staatskraft entwickelt, ist somit weniger stark, sehr aggressiv, zentralistisch und monopolistisch. Die kapitalistischen Führungsbestrebungen Deutschlands führten zum ersten Weltkrieg.
Der Hauptgrund für den Angriff auf Russland im zweiten Weltkrieg liegt nicht, wie von einigen gedacht und oft zur Sprache gebracht, darin, gegen den Kommunismus zu sein, den sowjetischen Kommunismus besiegen zu wollen und zum Verteidiger des Kapitalismus zu werden. Es ging um mehr, als nur die Vorherrschaft über die kapitalistische Moderne zu erlangen. Es ging vielmehr darum, über den Kaukasus den Iran und von dort aus Indien zu erreichen.
Sicherlich hat der anti-sozialistische, anti-kommunistische Charakter eine Rolle hierbei gespielt. Durch den Kampf mit der Sowjetunion sollte die englische und französische Regierung in den Hintergrund gedrängt werden. Man wollte Vorteile daraus generieren, sich als Verteidiger sowie Vorreiter der kapitalistischen Welt zu präsentieren. Auf diese Weise sollten alle kapitalistischen Kreise angesprochen und ihre Unterstützung gesichert werden. Dies sind alles Einflussfaktoren, jedoch stellen sie nicht den ausschlaggebenden Grund dar. Beabsichtigt war, Indien zu erreichen und England so von einer derartigen Expansion fern zu halten. In diesem Sinne stehen auch die Bestrebungen, die Sowjetunion zu schwächen und über den Kaukasus und den Iran nach Indien zu gelangen. Somit spielt der Widerstand der Sowjetunion gegen den Hitler-Faschismus eine zentrale Rolle, wenn es um die Vereitelung der deutschen imperialistischen Strategie geht. So wurden die Angriffe Hitlers auf sowjetischem Boden sowie die Expansion nach Kaukasien und in den Iran gestoppt.
An diesem Punkt blieb Hitler einzig die Chance, Beziehungen zur Republik Türkei aufzubauen und auf diesem Wege nach Südasien zu gelangen. Doch aufgrund des Einflusses von Staaten wie England, Frankreich und der Sowjetunion auf die Inönü-Regierung stand dieser Weg dem deutschen Kapital und der Hitler Regierung nicht zur Verfügung. Auch wenn sie im Krieg die Hitler-Regierung unterstützte, musste sie aus Angst vor der Allianz der genannten Staaten die Forderungen des Hitler-Faschismus ablehnen. Der deutsche Imperialismus wurde ein zweites Mal besiegt.
Obwohl Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg umfangreiche Vorbereitungen zur Kolonialisierung des Mittleren Ostens traf, erlitt es eine große Niederlage. Historiker bezeichnen dies sogar als das „Mesopotamien-Trauma Deutschlands”. Was sind ihrer Meinung nach die Interessen Deutschlands im Mittleren Osten?
Deutschland führt über Istanbul im Grunde seit den letzten 150 Jahren eine ernstzunehmende Kolonialisierung im Mittleren Osten aus. Dieser Prozess begann mit dem Bau der Berlin-Bagdad-Bahn und dauert trotz einiger Unterbrechungen an. Auch heute sind der deutsche Staat und das deutsche Kapital die Kraft, die die besten Beziehungen zur Istanbuler Bourgeoise und der türkischen Republik haben. Die umfassendsten Handelsbeziehungen bestehen zwischen diesen beiden. An führender Position in der türkischen Wirtschaft steht immer Deutschland. Folglich gibt es eine Kolonialisierung in einem sehr bedeutenden Raum im Mittleren Osten. Innerhalb der Grenzen der Türkei beutet zuallererst deutsches Kapital das Land aus. Auch im Iran gehört das deutsche Kapital zu den ausbeutenden Kräften. Auch hier steht vielleicht das deutsche Kapital an erster Stelle der Ausbeutung.
Abseits davon bleibt der arabische Raum. Das deutsche Kapital ist im Hinblick auf den arabischen Raum eventuell keine führende ausbeutende Kraft. Da jedoch das deutsche Kapital in der Türkei und im Iran, den beiden hegemonialen Regionalmächten des Mittleren Ostens, an vorderster Stelle steht, kann man keinesfalls davon sprechen, dass es keine Ausbeutung des Mittleren Ostens durch deutsches Kapital gebe.
Der strategische Rahmen des deutschen Kapitals, über das Osmanische Reich seinen Einfluss bis nach Indien auszuweiten, ist fehlgeschlagen. Der Grund dafür ist, dass trotz des Baus der Berlin-Bagdad-Bahn, die sogar bis nach Basra reicht, die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Aktivitäten der sich im Bündnis befindlichen Länder England, Frankreich, Sowjetunion sowie der erste Weltkrieg den Prozess abgebrochen haben. Das deutsche Imperium hatte zum Ziel, seine wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen mit dem Osmanischen Reich soweit auszubauen, um ohne Krieg bis an die Tore Indiens zu kommen. Seine Feinde haben dies unter anderem auch durch den ersten Weltkrieg verhindert und den Weg versperrt. Das ist der einzige Punkt, an dem die Deutschen nicht erfolgreich waren und eine Niederlage einstecken mussten.
Ein anderer Punkt ist, dass die deutsche Politik und das deutsche Kapital im Mittleren Osten immer Partner zentraler Staatsstrukturen waren. Die Führung des Osmanischen Reichs war der einzige Gesprächspartner. Das gleiche gilt auch für den Iran. Das deutsche System hat den lokalen Autoritäten im Osmanischen System nicht sehr viel Beachtung geschenkt und damit einhergehend auch keine Beziehung aufgebaut. Wenn wir bedenken, dass im arabischen Raum solche lokalen Autoritäten stärkeren Einfluss haben, dann hat Deutschland auch an diesem Punkt verloren.
Dagegen haben Länder wie Frankreich und England, anstatt die zentralen Leitungen zur Grundlage zu nehmen, mehr Beziehungen zu lokalen Autoritäten ausgebaut. Damit haben sie an vielen Orten des Mittleren Ostens, besonders im arabischen Raum an Einfluss gewonnen und trotz des Osmanischen Reichs die Kontrolle über einen Großteil des Mittleren Ostens gewinnen können. Dies hat dazu geführt, dass die Öl- und Energiequellen unter die Kontrolle von Ländern wie England und Frankreich gerieten und das deutsche Kapital dieser Quellen beraubt wurde. Dies kann aus zwei Blickwinkeln bewertet werden. Erstens ist die Strategie, durch das Verlegen von Schienen und Straßen auf einfache Weise nach Indien zu kommen, durch den ersten Weltkrieg abgebrochen worden. Zweitens hat die Politik Deutschlands, mit lokalen Autoritäten keine Beziehungen aufzubauen, dazu geführt, dass zum einen England und Frankreich insbesondere im arabischen Raum die Kontrolle über Energieressourcen erhielten, und zum anderen Deutschland durch die Beziehung mit der zentralen osmanischen Autorität nicht alle Quellen innerhalb des Osmanischen Reichs unter Kontrolle bekommen konnte.
Das hängt mit dem deutschen Politikstil und der Art der Ausbreitung des Kapitals zusammen. Beispielsweise ist der Stil von Frankreich, England und sogar Amerika ein anderer. Amerika hat im Mittleren Osten einen ähnlichen Stil wie England und Frankreich verfolgt. Es hat mit breiteren Kreisen, mehr mit lokalen Autoritäten Beziehungen geknüpft, sich nicht auf ein Gebiet begrenzt und Rückschläge an einem Ort mit Erfolgen an anderen Orten ausgeglichen.
Die Art der Beziehung, Ausbreitung und Einflussnahme des deutschen Kapitals und der deutschen Politik ist anders. Es hat immer die zentrale Planung, das zentrale System und sich selbst als Ausgangspunkt genommen. Dies hängt mit seiner eigenen Entstehungsweise zusammen. Wir haben bereits zuvor den Zusammenhang mit der Entstehungsweise des deutschen Kapitalismus erwähnt. In Deutschland ist die kapitalistische Entwicklung aus der Transformierung der feudalen Fürstentümer hervorgegangen. Es ist monopolistisch und hat damit in der politischen und wirtschaftlichen Ausdehnung immer das zentrale System als Ausgangspunkt genommen. In der Vergangenheit hat sich dies in der Beziehung mit dem Osmanischen Reich widergespiegelt. Gestützt auf die Beziehungen und die geschaffene Basis mit dem Osmanischen Reich hat Deutschland einen Großteil des osmanischen Bodens ausgebeutet. Bis zur Niederlage im ersten Weltkrieg war der osmanische Boden der wirksamste Bereich der Ausbeutung für das deutsche Kapital. Auch wenn es eine kurze Unterbrechung im Krieg gab, gab es einen regen Austausch zwischen der türkischen Republik und Deutschland, die bis zum Niedergang des Hitler-Faschismus andauerte. Die Türkei hatte unter İsmet İnönü bis ins Jahr 1944 die besten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen. Hitler gewährleistete das für den Krieg nötige Rohmaterial über die Beziehungen mit der Türkei.
Es ist auch eine offenkundige Tatsache, dass nach dem zweiten Weltkrieg und der Gründung der EU und der NATO vor allem Deutschland als westliches Land mit der Türkei wirtschaftliche Beziehungen knüpfte. Wir erwähnten dies bereits zuvor. In dieser Hinsicht sind die Interessen Deutschlands im Mittleren Osten die wirtschaftlichen Beziehungen, die mit den zentralen Systemen geführt werden. Dies wird auch heute auf wirksame Weise mit der Türkei und dem Iran durchgesetzt.
Wir wissen nicht genau wie das „Mesopotamien-Syndrom“ entstanden ist, aber das deutsche Imperium hatte mit der Berlin-Bagdad-Bahn ein großes Projekt begonnen. Es plante eine langfristige Ausbeutung. Ziel war es, den Mittleren Osten auch mit der Beziehung zum Osmanischen Reich zum eigenen Einflussraum zu machen. Doch dies ist mit der Niederlage im ersten Weltkrieg ins Leere gelaufen. Deutschland konnte diesen Plan nicht umsetzen. Wenn das mit dem Begriff „Mesopotamien-Syndrom“ gemeint ist, stimmt er.
Es ist bekannt, dass in der Phase der globalen Hegemoniewerdung des Kapitalismus der erste Weltkrieg ein Krieg zwischen Deutschland und England um die Kontrolle des Mittleren Ostens war. Die Politik Deutschlands hat ein Bündnis zwischen England, Frankreich und Russland mit sich gebracht. Indem dieses Bündnis mit lokalen Autoritäten des Mittleren Ostens Kontakt aufnahm und den Mittleren Osten auf die Agenda brachte, wurde dem Ersten Weltkrieg, der eigentlich ein Kampf um den Mittleren Osten war, der Weg bereitet.
Den genannten Plänen Deutschlands wurde mit dem ersten Weltkrieg ein Strich durch die Rechnung gemacht, aber diese Pläne waren entscheidende Faktoren für die Entwicklung und den Ausbruch des Krieges. Einer der Hauptgründe für das Bündnis dreier großer Staaten wie England, Frankreich und Russland war die Strategie des deutschen Imperiums, auf Basis der aufgenommenen Beziehungen mit dem Osmanischen Reich den Mittleren Osten unter Kontrolle zu bekommen. Denn dass diese Staaten zu einem Bündnis zusammenkommen oder solch ein Weltkrieg ausbricht, ist keine einfache Sache. Natürlich gibt es auch noch andere Faktoren, aber es ist wichtig, auch diese Realität als einen wichtigen Grund für den Ausbruch eines solch großen Krieges wie dem ersten Weltkrieg zu sehen.