Bürgermeister ohne Rathaus
In der nordkurdischen Kreisstadt Hezex gibt es kein Rathaus. Die HDP-Bürgermeister*innen haben die Kreisverwaltung mit einem Schuldenberg von 46 Millionen TL vom staatlichen Zwangsverwalter übernommen.
In der nordkurdischen Kreisstadt Hezex gibt es kein Rathaus. Die HDP-Bürgermeister*innen haben die Kreisverwaltung mit einem Schuldenberg von 46 Millionen TL vom staatlichen Zwangsverwalter übernommen.
In der nordkurdischen Kreisstadt Hezex (Idil) in der Provinz Şirnex (Şırnak) ging die Demokratische Partei der Völker (HDP) bei den Kommunalwahlen am 31. März mit 73,4 Prozent der Stimmen als Siegerin hervor. Die beiden Ko-Bürgermeister*innen Songül Erden und Murat Şen haben ihr Amt von einem aus Ankara eingesetzten Zwangsverwalter übernommen. Die Stadt ist verschuldet und verfügt nicht einmal über ein Rathaus. Heute fand eine öffentliche Versammlung in einem Kulturzentrum statt, das zurzeit als Kreisverwaltung genutzt wird.
Bürgermeisterin Songül Erden klärte die zahlreich erschienenen Menschen darüber auf, dass die Zwangsverwaltung der Kommune einen großen Schuldenberg hinterlassen hat. Der staatlichen Treuhänderpolitik sei bei den Wahlen eine klare Absage erteilt worden: „Der Willen der Bevölkerung ist bei den Kommunalwahlen ein weiteres Mal deutlich geworden. Die Verwaltung ist zwar verschuldet, wir werden bei den öffentlichen Dienstleistungen trotzdem keinen Schritt zurücksetzen.“
Ihr Amtskollege Murat Şen sagte, dass in Hezex in den drei Jahren unter Zwangsverwaltung überhaupt keine Arbeit stattgefunden hat. „Die Bevölkerung sollte vertrieben werden. Das kurdische Volk verfügt jedoch über einen festen Willen und hat sich für seine Errungenschaften eingesetzt. Die Kreisverwaltung besitzt 36 Fahrzeuge für kommunale Dienstleistungen, aber kein einziges davon ist einsatzbereit. Die städtischen Arbeiter können nicht mit Dienstfahrzeugen zu ihren Einsatzorten gebracht werden.“
Der Bürgermeister ging in seinem Redebeitrag auch auf die hohe Verschuldung der Verwaltung ein und erklärte: „In der Zeit der Ausgangssperren wurde das Rathaus zerstört und das Gebäude, das wir jetzt nutzen, ist ein Kulturzentrum. Es ist dafür geschaffen worden, den Kindern von Hezex ihre Kultur und Sprache näherzubringen. Das einzige funktionierende Fahrzeug, das die Kreisverwaltung noch hatte, ist der Polizeidirektion von Şirnex überschrieben worden.“
Die aktuelle Verschuldung bezifferte Şen mit 46 Millionen TL.
Zum Amtsantritt haben die Bürgermeister*innen Scharfschützenstellungen auf dem Dach des als Rathaus genutzten Gebäudes entfernen lassen, die vom Zwangsverwalter aufgebaut worden waren.
In den anderen von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) regierten Kommunalverwaltungen sieht die Lage nicht besser aus. In Qoser (Nusaybin) wurde als erste Amtshandlung nach der Übernahme aus der Zwangsverwaltung eine Mauer eingerissen, die um das Rathaus gezogen worden war. Auch in Bismil gibt es kein Rathaus, es wurde auf polizeiliche Anweisung abgerissen, als der Wahlsieg der HDP bestätigt wurde.
Der PKK-Kommandant Murat Karayilan bezeichnete die Teilnahme an Wahlen in der Türkei als notwendiges Kampfgebiet, das nicht aufgegeben werden dürfe. Eine Hoffnung auf Veränderung sei in einer Diktatur durch Wahlen jedoch nicht zu erwarten.