Bawer Dersim, einer der Kommandanten des Volksverteidigungszentrums (NPG), hat gegenüber ANF die Entwicklungen in Kurdistan seit Beginn des bewaffneten Kampfes am 15. August 1984 bewertet.
Dersim weist darauf hin, dass das kurdische Volk und die Freiheitsbewegung seit 38 Jahren einen unerbittlichen Krieg gegen die türkische Republik führen: „Man darf nicht vergessen, dass dieser Krieg unter sehr ungünstigen historischen und sozialen Bedingungen begann. Der Kampf für die Freiheit, der mit großem Aufwand geführt wurde, hat heute eine weltweite Bedeutung erlangt. Die Guerilla als schöpferische Kraft der Befreiungserfolge in Kurdistan und im Nahen Osten ist zur grundlegenden Dynamik eines Kampfes geworden, der in der Geschichte selten ist. Unser Kampf zielt darauf ab, ein kämpfendes Volk zu schaffen. Begonnen hat er als Existenzkampf für ein freies Leben gegen die auf einen Völkermord abzielenden Angriffe der Kolonialisten. Deshalb war es ein Meilenstein."
Eine Aktion bekomme einen historischen Charakter, wenn sie die entscheidenden Probleme der Gesellschaft in der Zeit und an dem Ort, an dem sie durchgeführt wird, aufzeige oder löse, fährt Dersim fort. Eine solche Aktion sei ein Meilenstein und bedeute einen Sprung zu einer neuen Etappe. Mit dem 15. August sei die Befreiungsbewegung Kurdistans in die Lage versetzt worden, „unter allen Bedingungen Widerstand zu leisten und dauerhaft zu kämpfen. Diese Realität ist für ein Volk wie das kurdische Volk, das an den Rand der Ausrottung gebracht wurde, von großem Wert, um für die Wiederauferstehung, die Befreiung und den Aufbau zu kämpfen. Der 15. August hat einen große Überzeugung und ein leidenschaftliches Engagement für die Freiheit geschaffen. Er ließ die Hoffnung auf Freiheit und Sieg wieder aufleben. Der Grundstein für eine Volksarmee wurde gelegt."
Entwicklung des Guerillakampfes
Der Stil des Guerillakampfes sei in Kurdistan erstmalig mit der PKK aufgekommen und am 15. August 1984 in die Praxis umgesetzt worden, so Bawer Dersim: „Diese Realität bestimmt die Strategie und Taktik des Guerillakriegs, der im Allgemeinen als eine Art Krieg der Schwachen gegen die Starken definiert wird. Der von den Schwachen geführte Kampf zielt darauf ab, den Feind zu zermürben und zu schwächen, die eigenen Kräfte zu schützen und auszubauen und so das Kräfteverhältnis umzukehren. Die Kampferfahrungen der Menschheit führten dazu, dass sich die Mittel und dementsprechend auch die Strategien und Taktiken mit den wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen weiterentwickelten und sich der Guerillakriegsstil entsprechend durchsetzte. Wenn wir die Geschichte analysieren, sehen wir, dass die ersten Formen des Guerillakampfes im Klassenkampf und in den nationalen Befreiungskriegen der Völker angewandt wurden. Im 19. Jahrhundert wurde die Guerilla als Stil der Kriegsführung infolge der Entwicklungen in den Klassen- und Nationalkämpfen systematisiert und zu einer der wirksamsten Formen der Kriegsführung des 20. Jahrhunderts. Die Guerilla wurde zu einer der wichtigsten Methoden im Kampf der Arbeiterklasse und der unterdrückten Völker gegen die Bourgeoisie und den Imperialismus. Vor allem im Kampf gegen Kolonialismus und Besatzung spielte sie eine Rolle als grundlegende Methode der Befreiung für die Selbstbestimmung der Völker. Mit der Guerilla schufen die Völker einen Stil der Kriegsführung, der die gesamte Menschheit beeinflusste und den Unterdrückten und Völkern Hoffnung auf Freiheit gab. Es wurde eine neue Seite in der Geschichte der Befreiung aufgeschlagen. Die Guerillakämpfe in Ländern wie China, Kuba und Vietnam waren die damaligen Höhepunkte. Später haben die Arbeiterklasse und unterdrückte Völker die Guerilla als Methode in ihrem Befreiungskampf wirksam eingesetzt."
Guerillapraxis in Kurdistan
Die Bevölkerung Kurdistans habe sich immer gegen Unterdrückung gewehrt und es seien in der Geschichte zweifellos auch Formen des Guerillakampfes zu finden, fährt Dersim fort: „Mit der PKK ist jedoch eine theoretische und politische Linie des Guerillakampfes entstanden. Der Volkskrieg und die Guerilla wurden als grundlegende Taktik der nationalen Befreiungsrevolution festgelegt. Von Anfang an wurden Anstrengungen unternommen, um die Guerilla in Kurdistan zu etablieren, die Bevölkerung im Guerillastil gegen den Kolonialismus kämpfen zu lassen und die Realität eines kämpfenden Volkes zu schaffen. Die Guerillapraxis in Kurdistan ist mit der Guerillapraxis in keinem anderen Land vergleichbar. Es gibt zwar Ähnlichkeiten und die weltweiten Erfahrungen wurden genutzt, aber es gibt auch viele Eigenheiten.
In Kurdistan wird ein Kolonialismus praktiziert, wie es ihn in der Welt noch nie gegeben hat. Die Existenz des kurdischen Volkes wurde nicht nur von der Türkischen Republik, sondern auch von vielen Weltmächten geleugnet. Unser Volk wurde gezwungen, seine Existenz und seine Versklavung weitgehend zu leugnen. Der Guerillakampf, der seit dem 15. August 1984 geführt wird, ist die Kriegspraxis eines Volkes, das in eine solche Situation gebracht wurde. In diesem Umfeld war es sehr schwierig, die Menschen dazu zu bringen, für ihr Land, für die Befreiung ihres Volkes und für die Freiheit zu kämpfen. In unserer fast vierzigjährigen Kampfpraxis gab es jedoch nicht nur Schwierigkeiten und Schmerzen, sondern auch große Begeisterung, Freude und fast tägliche Siege. Natürlich verlief dieser Kampf nicht reibungslos und einfach. Auf der einen Seite gab es einen erbitterten Kampf gegen den Feind und auf der anderen Seite einen erbitterten Kampf gegen die klassenmäßigen, nationalen und lokalen Sackgassen der Militanten selbst. Auf diese Weise wurde die Linie geschaffen, auf der sich die Guerilla heute bewegt. Die Grundlage dafür war der 15. August 1984. Diese Linie bedeutet nicht nur, eine Waffe in die Hand zu nehmen und Guerilla zu sein oder eine Linie des militärischen Kampfes. Guerilla ist eine Lebensweise. Es ist der Stil des Kampfes für Freiheit.
Prototyp des freien Menschen
In Kurdistan ist die Guerilla der Prototyp des freien Menschen, und das Leben in der Guerilla ist der Prototyp des freien Lebens. Im 20. Jahrhundert sind sich kurdische Männer und Frauen nicht basierend auf Freiheit, sondern auf der Grundlage von Gefangenschaft und Sklaverei näher gekommen. In gewissem Sinne war der 15. August ein Meilenstein, der das Schicksal der kurdischen Männer und Frauen zusammengeführt hat. Die bestehende soziale, geistige und physische Gefangenschaft brachte kurdische Männer und Frauen auf der Suche nach Freiheit zusammen. Die Aktion vom 15. August steht für das Überdenken und Verstehen der Beziehung zwischen Krieg-Sklaverei, Krieg-Freiheit, Krieg-Politik, Krieg-Wirtschaft, Krieg-Frauen, Krieg-Männer, Krieg-Beziehung, Krieg-Patriotismus, Krieg-Heldentum in der Sprache der Berge. Es geht um den Kampf der Kurdinnen und Kurden, um eine freie Identität und Persönlichkeit zu erlangen. Er ist die Grundlage für die Revolution und Renaissance der kurdischen Mentalität. Er ist eine Brücke, die kurdische Frauen und Männer zur Freiheit, zum Land und zur Natur schlagen. Er ist ein brennender Krieg, in dem das kurdische Volk seine rückständigen und schönen Seiten erkennt.
Übergang zum revolutionären Volkskrieg
Unser Kampftaktik in den letzten 38 Jahren basiert vor allem auf der Strategie eines langfristigen Volkskriegs. Diese Strategie, die sich als Umgang mit den Widersprüchen des 20. Jahrhunderts und deren Analyse herauskristallisierte, wurde zur Grundlage unserer Bewegung, die Anfang der 1970er Jahre Gestalt annahm. Mit dem in dieser Richtung geführten Guerillakrieg wurde ein Existenzkampf geführt, und wir hörten auf, ein Volk zu sein, das verleugnet und vernichtet werden kann. Wir wurden zu einem Volk mit einer Identität. Mit der Veränderung des Weltgleichgewichts in den 1990er Jahren erforderten die Begriffe Demokratie, Gleichheit und Freiheit, die sowohl durch den Kampf der Unterdrückten als auch durch wissenschaftliche Entwicklungen in den Vordergrund traten, eine Änderung der Strategie im Kampf für die Freiheit der Völker. Obwohl sich die Phasen des Kampfes und die Art der Kriegsführung änderten, wurde die Guerilla zu einer grundlegenden Kraft für den Erfolg des Freiheitskampfes. In dieser Hinsicht bilden die Grundprinzipien der Guerilla und ihre Verwirklichung in den idealsten Formen die Essenz unseres Verständnisses von Krieg in der neuen Periode. Die Guerilla der demokratischen Moderne hat ihren Einsatz, ihre taktischen Ziele und ihr Aktionsfeld entsprechend der Strategie des revolutionären Volkskriegs festgelegt und ihren neuen Kurs entsprechend dem politischen Lösungsziel, das sie sich gesetzt hat.
Gebot des Sieges
Angesichts der jahrhundertealten Politik der Verleugnung und Zerstörung in Kurdistan und der Tatsache, dass das 21. Jahrhundert das Zeitalter der Technologie, der Information und der Telekommunikation ist, ist der revolutionäre Volkskrieg und die Umstrukturierung der Guerilla eine Voraussetzung für den Sieg. Es gibt keinen anderen Weg, diese faschistische Mentalität zu besiegen. Als Freiheitsbewegung haben wir den Guerillakampf in diesem Raumfahrtzeitalter neu definiert, um als Guerilla der demokratischen Moderne erfolgreich zu sein. Wir haben sein Organisationssystem, seine Art der Bewegung, seine Aktionen und seinen Lebensstil neu gestaltet und organisiert.
Überzeugung, Mut, Weisheit und Kreativität
Der Guerillakampf, den wir nach dem Paradigma der demokratischen Nation führen, hat einen neuen Inhalt bekommen. Da es sich um einen Prozess handelt, in dem die Guerilla gleichzeitig zur Verteidigung ihrer Existenz und zur Erlangung ihrer Freiheit kämpft, hat der revolutionäre Volkskrieg die Eigenschaft einer ganzheitlichen Strategie, in der jede Phase vom Volk, der Partei und der Guerilla bestimmt wird. Aus diesen Gründen bedarf es einer starken Performance der HPG und YJA Star im philosophischen, soziologischen, politischen und militärischen Bereich. Was die Taktik betrifft, so braucht sie eine flexible, kreative und dynamische Bewegung, die die Technik in den Dienst der Taktik stellt und sich nicht nur auf Überzeugung oder Mut, sondern auch auf die Vernunft stützt.
Die Kommandant:innen und Kämpfer:innen der HPG und der YJA Star haben mit ihren eindrucksvollen und wirksamen Aktionen, die sie im Einklang mit der demokratischen Moderne gegen die faschistischen Kräfte entwickelt haben, eine Realität aufgezeigt, von der systemfeindliche Kräfte inspiriert werden. Das findet in einer Zeit statt, in der von extrem rechten bis zu revolutionären Kreisen weltweit behauptet wird, dass der Guerillatrend vorbei sei. In den 38 Jahren unseres Kampfes, vor allem in den letzten zehn Jahren, hat unsere Praxis mit konkreten Beispielen gezeigt, dass der revolutionäre Volkskrieg, der durch die Überwindung des klassischen Kriegsstils angewandt wird, den Feind und sogar die höchsten Technologien besiegen kann.
Die Guerilla marschiert furchtlos
In den letzten zehn Jahren hat in unserem Land ein sehr brutaler und unerbittlicher Krieg stattgefunden. Wenn wir das Jahr, in dem wir uns befinden, bewerten, ohne zu weit zu gehen, hat die Art der Bewegung und Aktion der Guerilla gegen die Mitte April im Zap gestartete Invasion in den Medya-Verteidigungsgebieten einen sehr auffälligen und lehrreichen Wert. In diesen vier Monaten hat sich gezeigt, dass der Faschismus durch die Anwendung des richtigen Guerillastils tödliche Schläge erhalten kann. Heute wird in Kurdistan ein Krieg geführt, der nicht mit den Weltkriegen vergleichbar sein wird. Alle Arten von Waffen, einschließlich chemischer Waffen, werden gegen unsere Kräfte eingesetzt. Jeder Zentimeter unseres Landes wird von Kampfjets, Drohnen, Panzern und Haubitzen bombardiert. Trotz alledem marschiert die Guerilla furchtlos auf den Feind zu und führt mit den von ihr entwickelten kreativen Taktiken wirksame Schläge aus. Was diese tapfere und heldenhafte Haltung hervorbringt, ist die leidenschaftliche Verbundenheit der Guerilla mit Rêber Apo [Abdullah Öcalan], den Gefallenen und der Freiheit. Es ist ihr Glaube an den Sieg der Revolution. Im Zap wird der Guerillakampf des 21. Jahrhunderts praktiziert.
Wir durchlaufen keine gewöhnliche Zeit
In dieser Zeit, in der wir in Kurdistan einen erbitterten Krieg auf Leben und Tod führen, müssen unser Volk und insbesondere die Jugend ihr Leben und ihren Kampf dementsprechend ausrichten. Die Zeit, in der wir uns befinden, sollte nicht als normaler und gewöhnlicher Prozess behandelt werden. Alle Völker und revolutionären linken Organisationen müssen den Kampf für die Freiheit mit diesem Bewusstsein führen.
Die Guerilla erzielt fast jeden Tag mit ihren Aktionen, die sie mit kreativen Taktiken durchführt, neue Erfolge. Die kurdische Freiheitsguerilla lässt die Kolonialisten und Besatzer nicht durch. In Kurdistan wird die Geschichte der Freiheit geschrieben."