Zîlan-Festival in Duisburg: Eine andere Welt ist möglich

Zum achtzehnten Mal hat der Verband von Frauen aus Kurdistan (YJK-E) zum traditionsreichen Zîlan-Festival eingeladen. Die Stimmung war gewohnt kämpferisch.

„Mit Jin-Jiyan-Azadî zur Frauenrevolution“

Zum mittlerweile 18. Mal hat das Zîlan-Frauenfestival stattgefunden, diesmal in der zwischen Rhein und Ruhr liegenden ehemaligen Zechenstadt Duisburg. Tausende Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet kamen zusammen, um sich auszutauschen, sich zu vernetzen und den antipatriarchalen Befreiungskampf feiern. Für alle, die an einem Einblick in die Themen kurdischer Frauen interessiert waren, gab es Vorträge, Ausstellungen, Infostände und ein reichhaltiges Bühnenprogramm. Für Kinder wurde ein gesondertes Programm umgesetzt, das von Şerko Kaniwar und dem Team von MA Müzik gestaltet wurde.

„Mit Jin-Jiyan-Azadî zur Frauenrevolution“ lautete die Losung des traditionsreichen Festivals der kurdischen Frauenbewegung in Europa, das vom Verband der Frauen aus Kurdistan in Deutschland (YJK-E) in Kooperation mit dem Frauenkulturrat Kevana Zêrîn und Frauenorganisationen aus allen Teilen Kurdistans im RheinPark ausgerichtet wurde. Die Veranstalterinnen brachten Frauen aus den vier Landesteilen Kurdistans zusammen, um gemeinsam die Stärke für einen neuen Aufbruch im weltweiten Frauenbefreiungskampf zu gewinnen.


Kritik an Desinteresse des Westens am Krieg in Kurdistan

Eröffnet wurde das diesjährige Festival mit der vom Kinderchor Zarokên Rojê vorgetragenen kurdischen Nationalhymne Ey Reqîb (deutsch: „Oh Feind“) und einer daran anschließenden Schweigeminute. Kezban Doğan, die Sprecherin der kurdischen Frauenbewegung ist, erklärte in einer Begrüßungsansprache, dass es sich bei dem Fest nicht lediglich um eine kulturelle oder politische Veranstaltung handele, sondern es sich einreihe in die internationale Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage“. Im Nahen Osten hätten die Frauenrevolution von Rojava und die Selbstverteidigung der Frauen unter der Führung der kurdischen Frauenbewegung einen sehr großen Einfluss auf die Welt, sagte Doğan. „Und da wir unsere Farben aus der Philosophie Abdullah Öcalans beziehen, ist es für uns ein grundlegendes Prinzip, für seine Freiheit zu kämpfen und die Inhalte seines Paradigmas auch allen anderen Frauen zugänglich zu machen.“ Kritisch äußerte sich Doğan gegenüber westlichen Ländern, die den „Krieg des türkischen Staates gegen kurdische Frauen“ ignorierten – etwa in Form von Drohnenangriffen auf die Frauenrevolution von Rojava.


Der Preis der Frauen Belutschistans

Weiter ging das Bühnenprogramm mit einer Def-Performance der Gruppe Koma Kevana Zêrîn, dem Gesang von kurdischen Bardensängerinnen sowie Musik- und Tanzauftritten von Xecê, Sîmav Huseyîn, Suna Alan, Firmêsk, Zarok Ma und einer afghanischen Tanzgruppe. Zwischendurch kamen weitere Rednerinnen auf die Bühne, unter anderem eine Aktivistin der Frauenbefreiungsbewegung Belutschistans. Sie sprach über den hohen Preis, den vor allem junge Frauen in ihrer Heimat für ihre Freiheit zahlen müssten, und forderte internationale Solidarität mit ihnen ein. Den kurdischen Frauenbefreiungskampf würdigte sie als eine „Quelle der Inspiration und Hoffnung“ für Belutschinnen und alle anderen Frauen, die im Widerstand gegen Unterdrückung seien.


Vom IS verschleppte YJŞ-Kommandantin bei Panel

Auch auf dem Gelände des RheinParks stand das Kulturpolitische im Vordergrund. Um Frauenarbeit sichtbar zu machen, hatten die Veranstalterinnen unter anderem eine „Kunststraße“ errichtet, an Ständen gab es Angebote von Literatur und Fotografie bis zu kurdischer Musik und einer Nähwerkstatt. Darüber hinaus wurden drei Diskussionsveranstaltungen in zwei Neben- und einem Hauptzelt durchgeführt. Bei einem der Panels stellte die kurdische Frauenbewegung die Philosophie hinter dem Slogan „Jin Jiyan Azadî“ vor und diskutierte über die Haftbedingungen seines Schöpfers Öcalan, der seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist. Unter den Rednerinnen der von der Autorin Meral Şimşek moderierten Veranstaltung war auch Hêza Şengalî. Die Ezidin war im August 2014 während des Genozids der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus dem Şengal nach Syrien verschleppt worden. Ihr gelang es zu fliehen und zu einer Kommandantin der YJŞ (Fraueneinheiten Şengals) zu werden. Als solche war Hêza Şengalî unter anderem an der Befreiung von Raqqa, der Hauptstadt des selbsternannten IS-Kalifats, beteiligt.


Alternativen zum patriarchalen Herrschaftssystem

„Als ezidische Frauen haben wir uns auf dem Prinzip Jin-Jiyan-Azadî organisiert, um sowohl unsere Selbstverteidigung als auch den Schutz unserer Gesellschaft zu gewährleisten. Abdullah Öcalan und die kurdische Frauenbewegung haben immer wieder neue Anstöße dazu gegeben, den Frauenbefreiungskampf als einen universellen und internationalistischen Kampf zu organisieren. Zugleich geben sie Impulse für den Aufbau von demokratisch-ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaftsperspektiven“, betonte Şengalî. Sie zeichnete einen kurzen Umriss der Historie des Widerstands der ezidischen Bevölkerung – gegen den IS und den türkischen Staat – und würdigte den Willen der Ezidinnen und Eziden, unter dem Eindruck dieser Bedrohungen an ihrem Ideal, ein neues Leben aufzubauen, festzuhalten. Auch wies sie auf die Bedeutung eines internationalistischen Frauenkampfes hin: „Um unserer Sehnsucht nach einem Leben frei von Unterdrückung und Ausbeutung näherzukommen, ist es wichtig, die unterschiedlichen Realitäten und Bedürfnisse von Frauen aus verschiedenen Ländern besser kennenzulernen und gemeinsame Perspektiven für unsere Widerstände zu entwickeln. Ein offener Austausch, wie ihn dieses Festival bietet, ist eine Voraussetzung dafür, Alternativen zum patriarchalen, kapitalistischen und sexistischen Herrschaftssystem aufzubauen.“        

Botschaft der KJK

Auch die Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK) legte den Fokus auf gemeinsame Kämpfe. In einer Botschaft an das Festival betonte der Dachverband der kurdischen Frauenbewegung die Notwendigkeit der Entwicklung einer gemeinsamen Haltung gegen patriarchale, kapitalistische und faschistische Strukturen in der gesamten Welt. „Wir müssen uns jeden Tag weiterbilden und ein System und freie Lebensräume für Frauen aufbauen. Wir müssen unsere Schritte im Einklang mit diesen Prinzipien unternehmen und unseren Kampf verstärken.“ Ein strategischer Aspekt bleibe die Verwirklichung der physischen Freiheit von Abdullah Öcalan und die „Zerschlagung des Folter- und Isolationssystems“ auf Imrali. „Wir rufen euch, Frauen, deren Herzen mit der Liebe zur Freiheit schlagen, dazu auf, jeden Ort zu einer Kampffront zu machen.“