YJŞ schließen sich Anti-Femizid-Kampagne der TAJÊ an
Die Fraueneinheiten Şengals haben sich der Kampagne gegen Femizid und für die Selbstverteidigung von Frauen angeschlossen.
Die Fraueneinheiten Şengals haben sich der Kampagne gegen Femizid und für die Selbstverteidigung von Frauen angeschlossen.
Die Fraueneinheiten Şengals (YJŞ) haben sich der von der ezidischen Frauenbewegung TAJÊ ins Leben gerufenen Kampagne gegen Femizid und für die Selbstverteidigung von Frauen angeschlossen. Das gab der autonome Frauenverband des ezidischen Hauptsiedlungsgebiets im Nordwesten des Iraks in einer Mitteilung bekannt. Zu den Hintergründen erklärten die YJŞ:
„Frauen waren im Laufe der Menschheitsgeschichte immer in der Lage, Eigenschaften wie Selbstverteidigung, Aufbau und Innovation zu bewahren. Sie haben sich stets gegen jede Form von Gewalt gewehrt und stellten die Avantgarde in den Widerständen gegen Gewalt an der Gesellschaft. Hunderte von ihnen hinterließen durch ihre Kämpfe, ihre Haltung und ihre Rebellion ihre Namen in der Geschichte. Frauen sind es, die schon immer die Beschützerinnen der Kultur, der Zukunft und des Glaubens waren. Wenn es heute gewisse Werte gibt, die von der Vergangenheit bis zur Gegenwart bewahrt werden konnten, so ist dies den Frauen zu verdanken. Mit dieser Eigenschaft schützen sie auch weiterhin die gesellschaftlichen Werte. Die männlich dominierte Mentalität konnte diesen Widerstand der Frauen nicht hinnehmen und wollte die Frauen mit allerlei List unter dem Einfluss ihres eigenen Schattens gefangen halten. Als die Frauen diesen Zustand überwanden, begannen brutale Angriffe gegen die Gemeinschaft. Dabei ging es vor allem darum, den Frauen ihren Platz in der Gesellschaft streitig zu machen. Ihre Realität sollte zerstört werden.“
Gewalt stoppen und die Freiheit der Frauen garantieren
Das konkreteste Beispiel hierfür seien die Erfahrungen der ezidischen Frauen im Zuge des Völkermords 2014 in Şengal durch den selbsternannten IS („Islamischer Staat“). Als dieser Genozid verübt wurde, sei die Realität der frauenfeindlichen Mentalität noch deutlicher zutage getreten, so die YJŞ:
„Es wurde geschwiegen zur Verschleppung der Ezidinnen, ihrer Ermordung und Vergewaltigung. Waren sie es, die bis gestern mit dieser schrecklichen Realität der von Männern dominierten Mentalität konfrontiert gewesen sind, sind es heute die Frauen Afghanistans und Palästinas. Frauen werden entführt, ermordet und vergewaltigt, aber niemand kümmert sich darum.
Doch der Punkt, an dem wir zurzeit stehen, offenbart, dass sich die Realität der Frauen dank ihrer Organisierungsfähigkeit nicht auslöschen lässt – egal, mit welchen Mitteln auf dieses Ziel hingearbeitet wird und die Angriffe dieser Mentalität auf Frauen andauern. Vor allem unter dem Deckmantel der Ehre wird versucht, Massaker an Frauen zu legitimieren. Hinter all diesen Angriffen verbirgt sich die Angst, die sie aufgrund der Realität der Frauen empfinden. Sie haben Angst vor der Macht und dem Widerstand der Frauen. Der Feind sieht, dass Frauen willensstark sind, dass sie das ihnen auferlegte Schicksal nicht akzeptieren und sich dagegen auflehnen. Das konkrete Beispiel dafür sind die YPJ, YJA Star, HPJ und YJŞ.“
Das Hauptziel der Kampagne gegen Femizide und für Selbstverteidigung sei es, sich gegen jede Art von Unterdrückung und Gewalt zu stellen, die Einheit der Frauen zu stärken und die bestehenden Angriffe radikal zu bekämpfen. „Und wir bringen erneut zum Ausdruck, dass wir bereit sind, jeden solcher Angriffe zu beantworten. Wir sind überzeugt, dass wir mit dieser Kampagne alle Formen von Gewalt stoppen und die Freiheit der Frauen garantieren können.“
Kampagne von TAJÊ
Die internationale Kampagne gegen Femizid und für die Selbstverteidigung von Frauen wurde am 8. März dieses Jahres ausgerufen. Der Beginn der Offensive fiel damit auf den Weltfrauentag, der auch als internationaler Frauenkampftag bekannt ist. Die Kampagne hat fünf zentrale Forderungen: Femizid muss als Kriegsverbrechen anerkannt und alle Täter und Unterstützer müssen verurteilt werden. Das Recht von Frauen auf organisierte Selbstverteidigung muss gesellschaftlich und institutionell Akzeptanz finden. Das vom IS vor zehn Jahren in Şengal begangene Massaker muss auf allen Ebenen offiziell als Völkermord eingestuft und entsprechend verfolgt werden. Weiter fordert die TAJÊ die Anerkennung der nach 2014 in Şengal etablierten Selbstverwaltung und Sicherheitskräfte als legitime Vertretung und Verteidigung der Gemeinschaft. Als überlebensnotwendig fordert die Bewegung zudem die Einstellung aller Angriffe auf die ezidische Gesellschaft ein, vor allem der Luftangriffe durch den türkischen Staat. Bis zum 3. August, dem zehnten Jahrestag des Genozids und Femizids in Şengal, sollen Stimmen von Frauen und Frauenorganisationen in dieser Kampagne zusammengebracht werden. Die TAJÊ lädt dazu ein, sich mit vielfältigen Methoden daran zu beteiligen, so etwa durch Fotos, Videos, Texte, Lieder, Gedichte, Kundgebungen und Demonstrationen.
Der 74. Ferman
Am 3. August 2014 überfiel die Terrormiliz „Islamischer Staat“ Şengal mit dem Ziel, eine der ältesten Religionsgemeinschaften auszulöschen: Die Ezidinnen und Eziden. Durch systematische Massakrierung, Vergewaltigung, Folterung, Vertreibung, Versklavung von Mädchen und Frauen sowie der Zwangsrekrutierung von Jungen als Kindersoldaten erlebte die ezidische Gemeinschaft den von ihr als Ferman bezeichneten 74. Völkermord in ihrer Geschichte. Mindestens 10.000 Menschen fielen Schätzungen nach den Massakern des IS zum Opfer. Mehr als 400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt, bis heute werden 2.800 Frauen und Kinder vermisst. Daher stellt dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar.