Wie heute bekannt wurde, erhielt die ÖkoLinX-Aktivistin und frühere Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit eine Morddrohung. Im Nachrichtendienst Twitter beschrieb sie die „rassistischen, sexistischen explizit antisemitischen“ Inhalte der Drohmail. Der Absender habe „martialische Schlachtungsarten“ beschrieben und unterzeichnet mit „Heil Hitler wünscht dir der Nationalsozialistische Untergrund 2.0 – NSU“.
Schon in der Nacht zum Montag erhielten Jutta Ditfurth wie auch weitere Personen, die sich öffentlich zum Antifaschismus bekennen, Morddrohungen. So zum Beispiel auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE im hessischen Landtag Janine Wissler, die NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız, die ZDF-Moderatorin Maybrit Illner, die TAZ-Autorin Hengameh Yaghoobifarah oder die Kabarettistin Idil Baydar. Es trifft – nicht nur, aber hauptsächlich – Frauen. Sie erhalten Todesdrohungen, durchsetzt mit Vergewaltigungsfantasien und offen faschistischer Hetze. Unterschrieben sind die Mails meist mit „NSU 2.0“ in Anspielung auf den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), der von 2000 bis 2007 in Deutschland zehn Menschen ermordete. Obwohl die Justiz den NSU-Prozess als abgeschlossen betrachtet, fordern seit Jahren Antifaschist*innen „keinen Schlussstrich“ zu ziehen, denn rechte Terrornetzwerke in Deutschland operieren weiterhin und hatten und haben Verbindungen zu Polizei und Verfassungsschutz. Seit Jahren kursieren sogenannte „Feindeslisten“. Betroffen sind Migrant*innen, Antifaschist*innen, Medienschaffende oder Politiker*innen, oft Frauen. Sie sollen damit eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden.
Die aktuelle Serie von Morddrohungen enthält persönliche Daten der Betroffenen, die nicht öffentlich zugänglich sind, oft auch Privatadressen. Dabei ist bekannt, dass die Abfragen von hessischen bzw. Berliner Polizeirechnern aus erfolgten. Die Zugangssysteme zu verschiedenen Polizeidatenbanken lassen sich nach verschiedenen Medienberichten relativ einfach austricksen.
Immer wieder geraten rechte Netzwerke in deutschen Sicherheitsbehörden in die Schlagzeilen. In Messenger-Gruppen tauschen Polizist*innen Bilder mit Hakenkreuzen aus oder sie senden sich „deutsche Grüße“. Wenn immer derartige als „Einzelfälle“ titulierte faschistische Netzwerke in den Reihen der Polizeibehörden in den Blick der Öffentlichkeit geraten, gibt man sich erstaunt, findet es „unbegreiflich“ und verspricht schnellstmögliche Aufdeckung. Auch Hessen hat bereits ein Bauernopfer. So wurde der hessische Landespolizei-Chef Udo Münch jetzt in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Nach „Sonderermittlern“ wird gerufen und Datenschutzexpert*innen wollen mit allerlei Vorschaltpasswörtern und dem Vier-Augen-Prinzip die rechtsextremen Polizeitäter ausfindig machen.
Doch sind Zweifel an der Ernsthaftigkeit von angekündigten Untersuchungen angebracht. Gerade was Ermittlungen in den eigenen Reihen anbelangt, scheint sich der Aufklärungswille der deutschen Politik in Grenzen zu halten. Medienberichten zufolge wurde seit 2015 immer wieder gegen Polizeibeamt*innen in Hessen wegen rechtsextremer Bezüge ermittelt, doch die Verfahren laufen schleppend, viele wurden bereits eingestellt. Bisher wurde auch die Generalbundesanwaltschaft nicht in die Ermittlungen eingeschaltet. Das lässt darauf schließen, dass man die Bedrohung von Nazi-Netzwerken insgesamt als doch nicht so „staatsgefährdend“ einstuft.
Lieber die Täter*innen zu schützen und die Opfer zu stigmatisieren hat in Deutschland Methode. Nach den Diskussionen um rassistische Polizeigewalt lehnt Innenminister Horst Seehofer eine Studie zu Rassismus in der Polizei und zu Racial Profiling nach wie vor ab. Stattdessen schlägt er jetzt allen Ernstes eine Untersuchung zur Gewalt gegen Polizist*innen vor. Eines solche Geisteshaltung ist bekannt aus den Zeiten des NSU. Es hat sich nichts geändert.
Den von den Drohmails Betroffenen kann man nur raten, sich nicht einschüchtern zu lassen und jeden Angriff öffentlich zu machen. ANF sind weitere Fälle bekannt, bei denen der Gang in die Öffentlichkeit nicht beschritten wurde. Natürlich ist es immer eine persönliche Entscheidung, wie mit rechtsextremen Drohungen umgegangen wird. Doch antifaschistische Solidarität hilft nicht nur über die individuelle Angst und Wut, sondern es ist auch wichtig, den rechten Terror ans Tageslicht zu ziehen und seine erschreckenden Ausmaße immer wieder zu benennen.