„Weil Kenan Ayaz sich nicht reumütig zeigt...“

Mit der unverhältnismäßig hohen Strafforderung der Bundesanwaltschaft im PKK-Prozess in Hamburg soll der kurdische Aktivist Kenan Ayaz nach Auffassung der Verteidigung für seine unbeugsame Haltung sanktioniert werden.

Statement der Verteidigung im Hamburger PKK-Prozess

Im Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz (Behördenname: Ayas) in Hamburg hat die Bundesanwaltschaft am letzten Verhandlungstag viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Diese unverhältnismäßig hohe Strafforderung ist nach Auffassung der Verteidigung Ausdruck des in jüngster Zeit noch weiter verschärften Vorgehens der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegenüber der PKK. Mit dem Strafmaß solle sanktioniert werden, dass Kenan Ayaz sich nicht reumütig zeige und eine klare und unbeugsame Haltung für die kurdische Sache einnimmt, erklärten die Berliner Rechtsanwältin Antonia von der Behrens und ihre Kollegen Stephan Kuhn aus Frankfurt/Main und Efstathios C. Efstathiou aus Nikosia nach dem Plädoyer des Staatsanwalts.

Kenan Ayaz ist im März 2023 aufgrund eines deutschen Auslieferungsersuchens in der Republik Zypern festgenommen worden, wo er seit 2013 als anerkannter politischer Flüchtling lebte. Wegen seiner politischen Aktivitäten war er bereits in der Türkei insgesamt zwölf Jahre im Gefängnis. Seit einem Jahr befindet sich Ayaz im Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis, Prozessauftakt war im November. Ihm wird nach §129b StGB vorgeworfen, von 2018 bis 2020 als mutmaßliches PKK-Mitglied verschiedene Gebiete, unter anderem Hamburg, verantwortlich geleitet und hierbei personelle, finanzielle und organisatorische Angelegenheiten koordiniert zu haben. Zum aktuellen Stand des Verfahrens gaben die Verteidiger:innen am Donnerstag folgende Erklärung ab:

Generalbundesanwalt fordert 4 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe für Kenan Ayas

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat in dem Strafverfahren gegen Kenan Ayas am 19. Juni 2024, dem 31. Hauptverhandlungstag, die Beweisaufnahme geschlossen. Zuvor lehnte es drei weitere Beweisanträge der Verteidigung ab. Dies war nicht verwunderlich, nachdem bisher fast alle der weit über 70 Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt worden waren. Damit ist die Beweisaufnahme im Prozess abgeschlossen.

Im Anschluss hielt der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts sein Plädoyer. Erwartungsgemäß sah er die Anklage durch die Beweisaufnahme in vollem Umfang bestätigt: Die PKK sei eine „ausländische terroristische Vereinigung“ und Kenan Ayas ein „Mitglied der PKK“.

Deutschland hält an ideologischer Haltung fest

Die Annahme, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt, wird nach Ansicht des Generalbundesanwalts maßgeblich durch mehr als 30 Urteile deutscher Oberlandesgerichte „belegt“. Diese Urteile zeigen jedoch lediglich, dass Deutschland unabhängig von den konkreten politisch-historischen Umständen an der Bewertung der PKK als „terroristische Vereinigung“ festhält. Ob die PKK in Friedensverhandlungen mit der türkischen Regierung steht, ob sie mit der YPG/YPJ gegen den IS kämpft oder ob sie sich im Nordirak eigentlich nur gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe der türkischen Armee verteidigt, spielt für den Generalbundesanwalt und deutsche Oberlandesgerichte keine Rolle. Es ist diese ideologische Haltung, die Deutschland mit den Europäischen Haftbefehlen gerade auch in EU-Mitgliedstaaten exportiert, die - wie Zypern - anders mit der PKK umgehen und deren (vermeintliche) Mitglieder nicht als Terroristen verfolgen. 

Wenig belastbare Beweise

Ebenso steht für den Vertreter des Generalbundesanwalts außer Frage, dass Kenan Ayas von 2018 bis 2020 Regionsleiter der PKK in Hamburg und Köln war. Er stützt sich dabei allein auf von der Verteidigung nicht hinterfragbare Geheimdienstinformationen und einseitig interpretierte SMS und Telefonate, die er allesamt Kenan Ayas zuschreibt. Tatsächlich zeigte sein Plädoyer jedoch, dass die für die Behauptungen der Anklage angeführten Beweise wenig belastbar sind und die Beweisführung vom Ergebnis her bestimmt, zirkulär und widersprüchlich ist.

Am Ende seines Plädoyers beantragte der Vertreter des Generalbundesanwalts, Kenan Ayas zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten zu verurteilen.

Unverhältnismäßig hohe Strafforderung

Diese unverhältnismäßig hohe Strafforderung ist Ausdruck des in jüngster Zeit noch weiter verschärften Vorgehens der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegenüber der PKK. Sie lässt außer Acht, dass Kenan Ayas nicht vorbestraft ist, in der Türkei lange Jahre zu Unrecht inhaftiert war, schwer gefoltert wurde und ihm auch nach Auffassung des Generalbundesanwalts nur wenige konkrete und gewaltfreie Handlungen vorzuwerfen sind.

Mit dieser hohen Strafforderung soll sanktioniert werden, dass Kenan Ayas sich weder geständig noch reumütig zeigte, sich also nicht als "Terrorist" bezeichnet, sondern eine klare und unbeugsame Haltung für die kurdische Sache einnimmt.

Plädoyer der Verteidigung am 2. Juli

Es werden nun am 2. Juli 2024 die Schlussvorträge der drei Verteidiger:innen von Kenan Ayas folgen und anschließend, wahrscheinlich beginnend am 9. Juli 2024,wird Kenan Ayas das sogenannte letzte Wort gewährt. Er wird die Gelegenheit haben, seine Sicht auf das Verfahren und die Vorwürfe ausführlich darzulegen.