Wan: Frauen durch Nacktdurchsuchungen traumatisiert

In Wan wurden Frauen wiederholt nach Festnahmen bei Protesten Nacktdurchsuchungen vor Kameras der Antiterrorpolizei unterzogen. Während die AKP ein solches Vorgehen dementiert, sprechen nun betroffene Frauen.

In Nordkurdistan geht die Polizei mit allen Methoden der Repression gegen jegliche Proteste vor. Durch Nacktdurchsuchungen sollen Frauen offensichtlich davon abgebracht werden, sich politisch zu engagieren. Zwei der betroffenen Frauen sind Nûjin Yıldız und Aycan Altan. Sie waren während der Proteste gegen die Einsetzung von Zwangsverwaltern anstelle der HDP-Bürgermeister*innen in Wan (türk. Van), Mêrdîn (Mardin) und Amed (Diyarbakır) am 19. August 2019 festgenommen worden.

Nacktdurchsuchung unter Kameras

Yıldız berichtet, sie sei gemeinsam mit sechs Freundinnen festgenommen und zur Antiterrorabteilung der Polizei gebracht worden. Dort sei sie in einem mit Kamera ausgestatteten Zimmer nackt durchsucht worden. Als sie sich der Nacktdurchsuchung verweigerte, habe eine Polizistin ihr gegenüber gedroht: „Wenn du dich sperrst, dann werde ich Gewalt anwenden.“ Yıldız erinnert sich: „Ich war gezwungen, das hinzunehmen. Freundinnen, die ebenfalls festgenommen worden waren, gerieten darüber in Streit mit den Polizistinnen. Als sich die Freundinnen der Nacktdurchsuchung verweigerten, sind männliche Polizisten gekommen und haben eingegriffen. Leider haben sie uns alle nackt durchsucht.“

Wir werden Gewalt anwenden“

Yıldız gibt an, dass sie nach der Vorführung vor einen Richter wegen der Verlängerung ihrer Haftdauer erneut einer Nacktdurchsuchung unterzogen worden sei: „Als wir wieder in den Gewahrsam gebracht wurden, wurden wir zweimal Nacktdurchsuchungen unterzogen. Wir sagten: ‚Wir sind doch eh schon im Gewahrsam, warum sollen wir schon wieder nackt durchsucht werden.‘ Sie antworteten mit Gewaltandrohungen. Es war eine sehr schlimme Zeit. Sowohl physisch als auch psychisch hinterließ das tiefe Spuren.“

Yıldız betont, wie wichtig es sei, das Thema der Nacktdurchsuchungen mehr auf die Tagesordnung zu bringen. Es sei besonders bitter, dass Frauen diese Maßnahme durchgeführt haben, erklärt sie: „Als wir versuchten, dieses Vorgehen zu verhindern, sind sie sehr hart gegen uns vorgegangen. Die Polizistinnen riefen Männer zur Hilfe. Das zeigt wie dramatisch die Lage ist.“

Ich konnte drei Monate nicht das Haus verlassen“

Aycan Altan ist ebenfalls von einem solchen Übergriff betroffen. Nachdem sie dem Gericht vorgeführt worden war, wurde sie einer Nacktdurchsuchung unterzogen. „Als wir wieder zurückkamen, brachten sie uns ins Anwaltszimmer”, erinnert sie sich. „An der Wand befand sich eine verspiegelte Scheibe, sodass die Männer uns sehen konnten. Dort haben sie uns zum zweiten Mal nackt durchsucht. Später haben wir bemerkt, dass sie uns durch das Fenster beobachtet haben. Außer zweien trugen alle von uns Kopftücher. Nach meiner Entlassung fühlte ich mich psychisch derartig beeinträchtigt, dass ich eine Weile das Haus nicht verlassen konnte. Wenn ich nach draußen ging, hatte ich das Gefühl, alle hätten mich in diesem Zustand gesehen. Denn wenn du nackt durchsucht wirst, sieht dich nicht nur eine Person, es sind viele. Deswegen konnte ich drei Monate lang nicht rausgehen. Wenn du nackt durchsucht wirst, fühlst du dich erniedrigt.“

Vertuschung und Drohgebärden im Parlament

Die Reaktion der Regierungspartei AKP auf diese im Parlament von der HDP vorgetragenen Vorwürfe stellt ein Beispiel der Kriminalisierungs-, Diffamierungs- und Verschleierungspolitik dar. Als der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu, selbst Mitglied des Menschenrechtsausschusses, die Vorwürfe zur Sprache brachte, wurden diese von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AKP, Özlem Zengin, nicht nur dementiert, der Abgeordnete wurde gleich des „Terrorismus“ beschuldigt. Andere AKP-Abgeordnete verlangten schriftliche Dokumente, welche die Nacktdurchsuchungen belegen. Die Polizeidirektion von Uşak, wo die Übergriffe stattfanden, reichte sofort Klage gegen den HDP-Politiker ein. Während die Debatte im Parlament Wellen schlug, meldeten sich über die sozialen Medien immer mehr Frauen, die von ähnlichen Übergriffen berichten.

Es geht darum, die Frauen mundtot zu machen“

Altan erklärt zu dem Dementi von Nacktdurchsuchungen durch die AKP-Politikerin Özlem Zengin, es sei besonders traurig, dass eine Frau so etwas mache: „Sie lügen, was das betrifft. Nacktdurchsuchungen sind sehr weit verbreitet. Aber es gibt keine Erklärungen dazu. Auch wenn eine Straftat vorläge, sollten sie so etwas nicht tun dürfen. Man wird doch sowieso durchleuchtet, sie sehen alles, was man hat. Sie erniedrigen und unterdrücken dich. Es geht dabei darum, die Frauen mundtot zu machen und ins Haus zu zwingen.“