Türkei „rettet“ moldauische Dschihadistin aus Camp Hol

Der türkische Geheimdienst hat eine moldauische Dschihadistin und ihre Kinder aus dem Internierungslager Hol in Nordostsyrien „gerettet“ und an Moldawien übergeben. Präsident Igor Dodon bedankte sich bei Erdoğan für dessen Unterstützung.

Der türkische Geheimdienst MIT hat eine im Internierungslager Hol (al-Haul) im nordostsyrischen Hesekê festgehaltene moldauische Dschihadistin und ihre Kinder aus dem Camp befreit und an Moldawien übergeben. Die „Rettungsaktion“, wie es in einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur AA heißt, hat offenbar auf Ersuchen der Regierung des südosteuropäischen Landes stattgefunden. Warum sich Moldawien an den NATO-Partner Türkei wendet, um eine Angehörige der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) aus Koalitionshaft zu befreien, statt sich bei der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens für die Rückführung der Frau und ihrer vier Kinder einzusetzen, ist unterdessen unklar.

Im Bericht von AA heißt es mit überheblicher Rhetorik, der MIT habe der Moldawierin Natalia Barkal „mittels technischer Möglichkeiten und einzigartigen Methoden der künstlichen Intelligenz“ übermittelt, wie sie das Camp verlassen könnte. Am 6. Juni sei sie schließlich „aus der Hand von YPG/PKK befreit“ und zunächst in die türkische Besatzungszone Girê Spî (Tall Abyad) gebracht worden. Am gestrigen Donnerstag wurden Barkal und ihre vier Kinder im Alter zwischen einem und zehn Jahren am Flughafen Chisinau von Moldawiens Präsident Igor Dodon empfangen. Der pro-russische Politiker twitterte anschließend, dass die „erfolgreiche Operation zur Repatriierung einer moldauischen Familie aus Syrien“ auf seine Initiative hin erfolgte.

Nach Angaben der Camp-Verwaltung in Hol wurde die Dschihadistin Natalia Barkal im vergangenen Frühjahr nach dem Fall der letzten IS-Bastion im ostsyrischen Baghouz von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) gefangengenommen. In Hol wurde sie im Bereich „Muhadschirat“ (deutsch: Auswanderer) für die Familien der ausländischen Dschihadisten untergebracht. Sie wird als führendes Mitglied der „Hisba-Struktur“ gehandelt, die für die Reorganisierung des IS verantwortlich ist. Die Hisba ist im Islam eine religiöse Institution für die Wahrung der Ordnung der Scharia. Die überwiegend ausländischen Hisba-Frauen in Hol nennen sich daher „Scharia-Wächterinnen“ und haben einen heimlichen Gerichtshof gegründet, vor dem Frauen und Männer aus dem Camp für „Fehlverhalten“ verurteilt werden. Mit einer „Religionspolizei” versuchen sie zudem, ihre tyrannische Herrschaft aufrechtzuerhalten. Mindestens 30 Morde innerhalb der letzten zwölf Monate an IS-Abtrünnigen aus dem Camp gehen auf das Konto der „Hol-Hisba”.

Die Version von AA zum Hintergrund von Barkal klingt – wie sollte es auch anders sein – völlig anders. So habe die Frau bis 2013 mit ihrem Ehemann syrischer Herkunft in Moldawiens Hauptstadt Chisinau gelebt. Dann hätten sie den Entschluss gefasst, nach Syrien auszuwandern, um in Minbic „Handel zu betreiben“. 2017 soll ihr damaliger Ehemann bei Zusammenstößen getötet worden sein. Sie selbst sei in „YPG/PKK-Haft“ gelandet. Wie sich das Leben Barkals bis zu ihrer Festnahme zwei Jahre später in Baghouz abspielte, darauf geht die offizielle Pressagentur der Türkei nicht ein.

Eine Quelle aus dem Camp Hol, die ihren Namen aus Sicherheitsgründen nicht hier lesen möchte, erklärte gegenüber ANF-Korrespondent Ersin Çaksu, dass es sich bei Natalia Barkal womöglich um eine wichtige Kontaktperson der türkischen Regierung handeln könnte. „Warum sonst wurde ein Aufwand in solch einem Ausmaß betrieben, um sie aus dem Lager zu evakuieren?“, so die Quelle.

Camp Hol

Das Hol-Camp besteht aus acht Bereichen. In den Bereichen eins, zwei und drei befinden sich Menschen aus Mosul, die 2014 vor dem IS geflohen sind. Im Bereich vier sind syrische Binnenflüchtlinge untergebracht. In den Bereichen fünf, sechs und sieben werden IS-Dschihadisten und ihre Angehörigen und im Bereich „Muhadschirat“ die Familien der ausländischen Dschihadisten festgehalten.

Aktuell sind in Hol etwa 65.000 Menschen untergebracht. Die Zeltstadt wurde Anfang 1991 während des Zweiten Golfkriegs vom UNHCR für irakische Flüchtlinge errichtet. Nachdem es zwischenzeitlich geschlossen war, wurde das Camp im Zuge des Irakkrieges 2003 wiedereröffnet. Seit der Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS im März 2019 wird es hauptsächlich zur Unterbringung von Frauen und Kindern benutzt, die zuvor in Gebieten unter Kontrolle des IS lebten.