Tarnung bei der Guerilla

Bei der Guerilla gibt es Einheiten, deren einzige Aufgabe es ist, den Gegenständen des Alltagsgebrauchs eine der Natur angepasste Tarnung zu verleihen.

Wir laufen einen Pfad entlang und hören ein Geräusch. Im Frühling, wenn die Fruchtbarkeit der Natur die Berge schlagartig grün färbt, fließt überall aus der Höhe Wasser hinab in die Täler und Sturzbäche versperren plötzlich den Weg. Daher nehmen wir an, dass es sich bei dem Geräusch um fließendes Wasser handelt. Es wird jedoch immer lauter und scheint auf uns zuzukommen.

Der Guerillakämpfer, der den Fremdenführer für uns spielt und den Weg kennt, tut so, als ob er die Ursache des undefinierbaren Geräusches selbst nicht begreift. Zehn Minuten später wird uns klar, dass wir uns auf einen Generator zubewegen. Unser Fremdenführer sagt: „Hier ist die Schneiderei.“

Die Guerilla kann man nicht finden

Die Rucksäcke von Hobbybergsteigern haben immer irgendwo ein reflektierendes Abzeichen, um auch in der Nacht sichtbar zu sein. Wenn man nachts verloren geht, kann dieser Reflektor Leben retten. Für die Guerilla in Kurdistan zählen diese Reflektoren als Verstoß gegen die Sicherheitsregeln, denn zum Guerillaleben gehört es, unauffindbar zu sein. Die Guerilla kann man nicht finden, aber sie selbst kann unvermutet plötzlich auftauchen.

Die Schneiderei, die wir betreten, ist keine normale Schneiderei. Wir werden herzlich begrüßt. Auf unsere Frage, was sie tun, antworten sie: Tarnung. Und tatsächlich, sie tarnen alles, was einem in den Sinn kommt: Armbanduhren, die für die Guerilla unverzichtbaren Rucksäcke, Waffen, Magazine und sogar Handgranaten. Es herrscht reges Treiben in der Schneiderei. Alle beschäftigen sich mit etwas. Wir wollen sie nicht stören und, nachdem wir unseren Tee getrunken haben, wieder aufbrechen.

Sie sehen uns an und es wird offensichtlich, dass wir ihrer Ansicht nach nicht ausreichend getarnt sind. „Das macht doch nichts“, sagen wir. Doch, für sie schon. Sie erinnern uns an die Massaker an Zivilisten, die die türkische Armee in Behdînan und den umliegenden Dörfern begangen hat. Und sie haben Recht. Die türkische Besatzerarmee hat unter Missachtung sämtlicher Kriegsregeln Hunderte Zivilisten getötet, für die sich außer der Guerilla niemand interessiert.