Organisierung und Selbstverteidigung
Die Institution Mala Jin (Haus der Frau) ist ein zentraler Pfeiler der Selbstverwaltung, Selbstorganisierung und Selbstverteidigung von Frauen in der Revolution von Rojava. Die Aufgaben des Frauenhauses reichen von Bildung und Ausbildung bis hin zur Selbstverteidigung, zum Schutz und zur Konfliktlösung. Eine der Gründerinnen des Frauenhauses in Amûdê ist die 53-jährige Hamdiye Abdullah. Sie engagiert sich seit 1985 für die kurdische Freiheitsbewegung und ist auch heute eine der Verantwortlichen des Mala Jin in Amûdê.
Hamdiye Abdullah berichtete über ihre Biografie im ANF-Gespräch: „Mein jüngerer Bruder hatte die Studenten (die PKKler) kennengelernt. Sie wurden Freunde. Die Studenten begannen, uns zu Hause besuchen. Zunächst einmal erregte ihr Lebensstil meine Aufmerksamkeit. Ich wusste auch, dass wir Kurden waren, und ich war mir der Tatsache bewusst, dass das kurdische Volk eigentlich Rechte hatte, aber immer unterdrückt worden war. Die Apoisten – damals nannte man sie ‚Studenten‘ – kämpften für das kurdische Volk, verteidigten die Sache des kurdischen Volkes. Sie leisteten mit aller Kraft Widerstand, um die Vernichtung des kurdischen Volkes und Kurdistans zu verhindern. Auch der Kampf der Frauen war bemerkenswert. Aufgrund der Auslöschungspolitik des Baath-Regimes gegenüber den Kurdinnen und Kurden konnten wir weder unsere Muttersprache sprechen noch in unserer Muttersprache schreiben. Wir konnten nicht einmal sagen, dass wir Kurden sind. Wir konnten uns nicht das Foto eines Gefallenen an die Wand hängen. Für das alles hat die kurdische Freiheitsbewegung gekämpft.“
„Wir erreichten alle sozialen Schichten“
Hamdiye Abdullah erinnerte, dass der Kampf in Qamişlo mit dem Volksaufstand im Jahr 2004 stärker wurde. Damals gab es ein vom Regime organisiertes antikurdisches Pogrom und die Menschen gingen zur Selbstverteidigung über. Sie beschrieb die Arbeit damals: „Wir haben Flugblätter verteilt. Wir hatten verschiedene Methoden. Wir sammelten Spenden und erreichten durch unsere Arbeit alle Teile der Gesellschaft. Wir stärkten unsere Organisation, indem wir uns an Orte begaben, an denen sich vor allem Frauen aufhielten, wie beispielsweise Felder, Schneidereien ... Amûdê ist eine kleine Siedlung, so klein wie ein Dorf. Die Menschen dort sind in der Landwirtschaft und der Viehzucht tätig. Wir gingen auf die Menschen zu, die die Felder pflügten und ihre Tiere weideten; wir halfen und erklärten, wie die kurdische Freiheitsbewegung arbeitete, und verteilten Broschüren.“
Frauenbefreiungskampf
Ein wichtiger Pfeiler sei immer der Frauenbefreiungskampf gewesen, sagte Hamdiye Abdullah und schilderte ihre Situation als Mädchen und Frau: „Mein Vater starb, als ich noch jung war. Ich war das älteste Kind im Haus und meine Mutter und ich wurden praktisch Schwestern. In dem Moment, in dem eine Frau aus dem Schutz eines Mannes heraustrat, wurde sie verleumdet, ignoriert, und alles konnte mit ihr passieren. Die Gesellschaft tat Schlimmes, um die Stimme von Frauen zu unterdrücken. Ich konnte die Gewalt, die Grausamkeit und den Blick auf die Frau als ‚unvollständiges, unvollkommenes Wesen‘ nicht verkraften. Ich stand auf eigenen Füßen und kämpfte für Freiheit. Und ich zog es vor, mit meiner Familie zu leben, anstatt mein Leben einem Mann zu widmen. Dies führte mich zum Frauenbefreiungskampf.“
Eröffnung des ersten Frauenhauses
Noch vor der Revolution in Rojava wurde 2011 das erste Mala Jin eröffnet. Hamdiye Abdullah war eine von vier Frauen, die an der Eröffnung teilnahmen. Sie berichtete: „Wir wurden mit 22 weiteren Frauen für die Aktivitäten der Frauenbewegung Yekîtiya Star in Amûdê gewählt. Mit jedem Tag wurde die Arbeit umfangreicher und die Probleme wurden größer. Daher wurde die Entscheidung getroffen, ein Frauenhaus zu eröffnen. Ich bin eine der Zeitzeuginnen und eine der Frauen, die direkt für die Eröffnung des Frauenhauses gearbeitet haben. Wir waren dem Widerstand der Gesellschaft ausgesetzt, denn viele Leute sagten: ‚Was ist ein Frauenhaus?‘ Es war nicht leicht, mit den Angriffen einer solchen Mentalität fertig zu werden, einer Haltung, die es nicht duldete, dass Frauen eine Institution und Organisation haben. Das Frauenhaus, das damals abgelehnt, nicht akzeptiert, verachtet und ausgegrenzt wurde, ist zu einem Ort geworden, an dem die Menschen zusammenkommen, um Familienprobleme zu diskutieren und zu lösen. Das ist dem permanenten Kampf der Frauen zu verdanken.“
„Selbstverteidigung ist Widerstand“
Hamdiye Abdullah betonte, dass durch Frauensolidarität die Frauenselbstverteidigung auf das höchste Niveau gebracht werde: „In jeder Frau ist eine andere Frau verborgen. Frauen erleben dieselbe Tyrannei und Unterdrückung. Zugleich muss der Widerstand der Frauen auch eine Einheit bilden. Eine Frau, die sich wehrt, ist eine Frau, die sich befreit. Selbstverteidigung ist der Begriff für den Widerstand von Frauen. Eine Frau ohne Selbstverteidigung kann ihre Errungenschaften nicht schützen. Wenn die Selbstverteidigung stärker wird, wird unsere Freiheit garantiert sein.“