Positionspapier: Unsere Rechte sind nicht verhandelbar!

Ein neues transnationales Frauennetzwerk hat ein wegweisendes Positionspapier verfasst, um das öffentliche Bewusstsein auf die Gewalt gegen Frauen zu lenken und den Widerstand gegen Angriffe rechter Regierungen auf die Istanbul-Konvention zu koordinieren.

Ein internationales Netzwerk aus zwölf Frauenbündnissen und -plattformen, die insgesamt rund tausend Frauenorganisationen repräsentieren, hat ein gemeinsames Positionspapier verfasst, um das öffentliche Bewusstsein für die besorgniserregende Realität von Frauen zu schärfen, die weltweit Gewalt, Diskriminierung, Not und Verletzungen ihrer elemanteren Rechte erfahren. Die Erklärung wurde auf Grundlage eines feministischen Online-Treffens am 15. Oktober erarbeitet, das mit dem Ziel stattgefunden hat, den Widerstand gegen die Angriffe rechtspopulistischer Regierungen und Gruppen auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu koordinieren, das allgemein als Istanbul-Konvention bekannt ist.

Die türkische Frauenplattform für Gleichberechtigung (Eşitlik İçin Kadın Platformu, EŞİK) organisierte dieses Treffen als ersten Schritt zur Gründung eines transnationalen feministischen Netzwerks, das Frauengruppen über die Grenzen hinweg unterstützen und sie in die Lage versetzen soll, ihre Aktivitäten in ihren eigenen Ländern effektiver durchzuführen. Ein solches Netzwerk würde auch nationale und lokale Bemühungen vereinen und den Frauen auf internationalen Foren und zwischenstaatlichen Organisationen Gehör und Anerkennung verschaffen.

An dem Treffen nahmen 170 Frauen aus 15 Ländern teil, darunter aus Polen, Ungarn, Kroatien, Bulgarien, Finnland, Estland, Georgien, Deutschland, Österreich, England, Spanien, Kanada, den Vereinigten Staaten, der Slowakei und der Türkei. Die Teilnehmerinnen kamen zu dem Schluss, dass die Argumente, die in Ländern, welche einen Austritt aus der Istanbul-Konvention in Erwägung ziehen, auf gemeinsame frauenfeindliche, homophobe und transphobe patriarchalische Ideologien zurückzuführen sind. „Unsere Rechte sind nicht verhandelbar“, lautet die Botschaft des feministischen Positionspapiers, in dem hervorgehoben wird, dass weltweit neoliberale Politik, zunehmender Autoritarismus, Klimawandel, Militarismus und die aktuelle COVID-19-Pandemie zur Verschärfung von Gewalt gegen Frauen beitragen.

Online-Treffen am 15. Oktober

Das Positionspapier der Organisationen mit dem Titel „Erklärung zu den Rechten der Frau 2020“ lautet wie folgt:

„Wir, die unterzeichnenden Frauengruppen und feministischen Organisationen, die zusammen fast eintausend Frauenorganisationen vertreten, haben am 15. Oktober 2020 ein Treffen abgehalten, um die Angriffe auf die Istanbuler Konvention und unsere anderen gemeinsamen Probleme zu diskutieren. Wir geben diese gemeinsame Erklärung ab, um die Aufmerksamkeit auf die anhaltende Diskriminierung und Gewalt sowie die zunehmende Not und die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen zu lenken, denen Frauen weltweit ausgesetzt sind, und um zu bekräftigen, dass unsere Rechte nicht verhandelbar sind.

Wir beobachten mit tiefer Besorgnis, dass

-patriarchalische Strukturen, neoliberale Politik, autoritäre Regierungsführung, Militarismus und Kriegsführung seit langem die Rechte von Frauen und Mädchen verletzen und ihr Leben gefährden;

-die Verschärfung der Armut, die wirtschaftliche Ungleichheit, der Klimawandel und die aktuelle COVID-19-Pandemie die Situation weiter verschärft haben und Frauen aller Klassen, Gruppen, Ethnien und Nationen auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Ausmaß betreffen;

-geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt durch Worte und Taten von zahlreichen Regierungen und Gruppen unterschiedlicher politischer Orientierung, Religion und Kultur ausgeübt werden;

-diese staatlichen und nichtstaatlichen Akteure trotz ihrer Unterschiede der gleichen frauenfeindlichen, homophoben und transphobisch-patriarchalen Ideologie angehören.

Wir fordern, dass

-alle staatlichen Stellen, privaten Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen das Prinzip der Gleichheit mit der Idee der Menschenwürde der/s Einzelnen verteidigen, das die Grundlage der internationalen Menschenrechte bildet;

-alle Regierungen die Gleichstellung der Geschlechter anstreben, indem sie mit Frauenorganisationen zusammenarbeiten und durch eine angemessen finanzierte und wirksam umgesetzte Politik die Verwirklichung der wirtschaftlichen, politischen, sozialen, kulturellen, sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen und Mädchen gewährleisten;

-alle Regierungen eine internationale Zusammenarbeit und multilaterale Politik zur Bewältigung globaler Krisen, zur Verwirklichung und zum Schutz der Menschenrechte in allen Gebieten und zur Gewährleistung der Gleichstellung der Geschlechter verfolgen;

-alle Parlamente ihre legislative Funktion erfüllen und diskriminierende Gesetze durch solche ersetzen, die auf dem Prinzip der Geschlechtergleichheit beruhen, sowie ihre Regulierungsfunktion und die Regierungen zur Rechenschaft ziehen;

-alle lokalen, nationalen und globalen Medien negative Stereotypen beenden, öffentliche und private Täter von geschlechtsspezifischer Gewalt und Frauenrechtsverletzungen entlarven und nachlässige Behörden zur Rechenschaft ziehen;

-alle internationalen Organisationen und Gremien dazu beitragen, die Rechte von Frauen und Mädchen zu verwirklichen, jegliche sexuelle Orientierung und geschlechtsbezogene Diskriminierung zu beenden und die Gleichstellung der Geschlechter ohne Kompromisse durch wirksame Steuerungs-, Überwachungs- und Follow-up-Mechanismen sicherzustellen;

-alle internationalen Menschenrechtsinstrumente - insbesondere die Konvention von Istanbul, die Aktionsplattform von Peking, CEDAW und die Kinderrechtskonvention - gegen Falschdarstellungen verteidigt, von allen Staaten ratifiziert und von den Vertragsstaaten vollständig umgesetzt werden.

Wir erklären, dass wir entschlossener sind denn je

-trotz des schrumpfenden demokratischen Raums uns weiterhin mit patriarchalischer Gewalt, Fehlinformationen, maskulinistischen Diskursen und Angriffen auf unsere hart erkämpften Rechte auseinandersetzen werden;

-uns für den Aufbau einer Welt der Gleichheit, der Gerechtigkeit und des Friedens einsetzen werden - gemeinsam, in Schwesternschaft und transnationaler Solidarität!“

Unterzeichnende Organisationen

*Advocates for Human Rights, USA

*Bulgarian Gender Research Foundation, Bulgarien

*Great Coalition for Equality and Choice, Polen

*Hungarian Women's Lobby, Ungarn

*Organization for Promotion of Women's Rights (DOMINE), Kroatien

*Ukrainian Women Lawyers Association (JURFEM), Ukraine

*Women Against Violence Europe (WAVE)

*Women's International League for Peace and Freedom (WILPF)

*Women's Network Croatia, Kroatien

*Women's Platform for Equality (EŞİK), Türkei

*Women's Rights Center, Polen

*Women's Support and Information Center (NPO), Estland

*European Women's Lobby (Supporting organization)