Nicht Frauen, sondern Täter werden geschützt

Zwölf der im vergangenen Jahr gewählten Bürgermeisterinnen der HDP sind im Gefängnis. Die frauenpolitische Sprecherin der HDP, Ayşe Acar Başaran, weist auf die frauenfeindliche Dimension der türkischen Regierungspolitik hin.

Die Abgeordnete Ayşe Acar Başaran hat sich als Sprecherin des Frauenrats der Demokratischen Partei der Völker (HDP) zu den aktuellen politischen Entwicklungen geäußert. Dabei ging sie unter anderem auf die besondere Situation von Frauen in der Corona-Krise und die trotz Repression fortgesetzte Frauenarbeit in den kurdischen Kommunen ein.

In der über die Accounts der HDP in den sozialen Medien veröffentlichten Erklärung wies Ayşe Acar Başaran darauf hin, dass nach wie vor die besondere Situation von Frauen in der Corona-Krise nicht berücksichtigt wird. „Im April sind in der Türkei zwanzig Frauen von Männern ermordet worden. In sechzehn Fällen war der Tatort die eigene Wohnung – also der Raum, in den sie sich nach Meinung der Regierung zurückziehen sollten“, sagte die HDP-Politikerin. Auch im Bereich der nicht-tödlichen innerhäuslichen Gewalt sei ein immenser Anstieg zu verzeichnen, Frauenschutzhäuser seien überfüllt. Die Regierungspolitik setze darauf, nicht Frauen zu schützen, sondern Täter. „Frauen werden mit IS-Methoden angegriffen“, erklärte Ayşe Acar Başaran und nannte Beispiele von Frauen, die in der letzten Zeit mit Säure verätzt, zu Tode gefoltert und durch das Aufschlitzen der Kehle ermordet worden sind.

Kommunale Frauenpolitik

Auch in der Pandemiezeit setze die Regierung ihre frauen- und kurdenfeindliche Politik ohne Unterbrechung weiter fort, führte Ayşe Acar Başaran weiter aus. Ein Beispiel dafür seien die Amtsenthebungen gewählter Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den kurdischen Städten und Kommunen. Insgesamt sind in vierzig Städten und Kommunen staatliche Zwangsverwalter eingesetzt worden, die letzten acht in der Pandemiezeit. „Den Kurdinnen und Kurden wird damit gesagt, dass sie selbstverständlich ihr Wahlrecht nutzen, aber nicht mitregieren dürfen. Wenn sie gewählt werden, kommen sie ins Gefängnis“, so Başaran. Zwölf der im vergangenen Jahr gewählten Bürgermeisterinnen der HDP befinden sich in Haft.

Die Zwangsverwaltung wirkt sich direkt auf die kommunale Frauenpolitik aus. Zahlreiche städtische Fraueneinrichtungen sind geschlossen worden, andere haben ihre Tätigkeit eingestellt, nachdem Männer zu Vorgesetzten gemacht wurden. In den nach wie vor von der HDP geführten Rathäusern wird die Frauenarbeit allen Widrigkeiten zum Trotz ausgebaut. Wie Ayşe Acar Başaran erläuterte, ist in Qers (Kars) eine Frauenkooperative gegründet worden. In Silopi und Sêrt (Siirt) sind Frauennotruftelefone eingerichtet worden. In Sêrt ist außerdem das Frauenzentrum Berfîn eröffnet worden. Ein Sportkomplex für Frauen befindet sich im Aufbau. „Trotz der ständigen Angriffe setzen unsere Rathäuser und Kommunalverwaltungen ihre Arbeit unter Berücksichtigung einer weiblichen Perspektive als Dienstleistung an Frauen und der Bevölkerung fort“, sagte die Sprecherin des HDP-Frauenrats.