Kurdische Politikerin Hatice Çevik wird aus Gefängnis entlassen

Die kurdische Politikerin Hatice Çevik wird nach sieben Monaten im Gefängnis aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Prozess wegen Terrorvorwürfen gegen die abgesetzte Ko-Bürgermeisterin von Pirsûs wird im Oktober fortgesetzt.

Im Prozess gegen die kurdische Politikerin Hatice Çevik vor dem 2. Schwurgerichtshof in Riha (türk. Urfa) wurde am heutigen zweiten Verhandlungstag die Haftentlassung angeordnet. Die auf Betreiben des türkischen Innenministeriums abgesetzte Ko-Bürgermeisterin der nordkurdischen Stadt Pirsûs (Suruç) war vergangenen November im Zuge des politischen Putschs gegen HDP-geführte Stadtverwaltungen inhaftiert worden. Çevik wird „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung” und „Terrorpropaganda” vorgeworfen. Konkret geht es um Beiträge der Politikerin in Online-Netzwerken zum kurdischen Neujahrsfest Newroz sowie zur Ernennung von Zwangsverwaltern in kurdischen Rathäusern anstelle der demokratisch gewählten Bürgermeister*innen. Die Beiträge stammen teilweise aus dem Jahr 2015.

Im Gerichtssaal persönlich anwesend war Çevik nicht, stattdessen wurde sie aus dem Frauengefängnis Tarsus über das Videokonferenzsystem SEGBIS in die Verhandlung eingebunden. Vertreten wurde die Politikerin von ihren Rechtsanwälten Ahmet Ceylan, İsmail Bülbül und Müslüm Baran. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Fortsetzung der Untersuchungshaft, das Gericht beschloss jedoch die Haftentlassung und vertagte sich auf den 27. Oktober 2020.

Wer ist Hatice Çevik?

Hatice Çevik arbeitete bis 2015 im Familienunternehmen in Ankara. Zusammen mit ihrer Tochter, ihrem Mann und ihrer Schwägerin ging sie am 10. Oktober 2015 auf eine Friedenskundgebung, zu der die HDP und der linke Gewerkschaftsbund KESK aufgerufen hatten. Die Demonstrant*innen forderten das Ende der Angriffe des türkischen Militärs auf die kurdische Zivilbevölkerung. Ein Attentäter der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) sprengte sich inmitten der Menschenmenge in die Luft. 103 Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, darunter auch Çeviks Tochter Başak Sidar Çevik und ihre Schwägerin Nilgün Çevik. Sie selbst, ihr Ehemann und mehr als 500 weitere Menschen wurden verletzt.

Hatice und Izzettin Çevik kurz nach dem Anschlag

Nur noch zwölf HDP-Bürgermeister im Amt

Von den 65 kurdischen Kommunen, die bei der Wahl am 31. März 2019 von der HDP gewonnen wurden, werden inzwischen 45 von staatlich ernannten Treuhändern verwaltet. Gegen mehr als zwei Dutzend gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erging Haftbefehl, 17 von ihnen sitzen noch immer im Gefängnis. In sechs Kommunen konnten die gewählten Bürgermeister*innen ihr Amt gar nicht erst antreten, weil der Wahlausschuss ihnen die Anerkennung verweigerte. An ihrer Stelle wurden die unterlegenen AKP-Kandidaten ins Amt gehievt, die immer wieder durch Raub und Korruption von sich reden machen. Gegen zwei Bürgermeister leitete die HDP selbst Amtsenthebungsverfahren ein. Somit verbleiben insgesamt nur noch zwölf im Amt.