Kämpferischer Frauenkampftag in Nordkurdistan

Heute ist 8. März und der internationale Frauenkampftag. An diesem Tag gehen Frauen weltweit auf die Straße, um ihre Rechte einzufordern. In Kurdistan dagegen lautet die Devise schon seit Jahrzehnten: „Jeder Tag ist 8. März”.

Heute ist 8. März und der internationale Frauenkampftag. An diesem Tag gehen Frauen weltweit auf die Straße, um ihre Rechte einzufordern. In Kurdistan dagegen lautet die Devise schon seit Jahrzehnten „Jeder Tag ist 8. März”. Das wurde vor allem bei den Veranstaltungen im nördlichen Teil wieder deutlich.

Amed

In der Widerstandshochburg Amed (tr. Diyarbakır) begann die Kundgebung zum 8. März mit der Überwindung einer Absperrung auf der Straße zum Bahnhofsviertel. Die Polizei hatte unnötig viele Kontrollpunkte errichtet, um zu verhindern, dass die Frauen in mehreren kleineren Sternmärschen auf den Platz ziehen. Vergessen wurde nur, dass kurdische Demonstrantinnen geübt im Umgang mit den Hürden türkischer Sicherheitskräfte sind. So war es ein äußerst schöner Anblick auf die Frauen, die laut, stark und kämpferisch auf den Platz strömten.

Ausgerichtet wurde die Feier von der Frauenplattform Dicle-Amed, die aus der Frauenbewegung TJA, dem Rat der jungen Frauen der HDP, dem Rat der fortschrittlichen Frauen, dem Frauenverein Rosa, der Frauenakademie und vielen anderen Frauenorganisationen besteht. Der Tenor lautet „Gemeinsam verändern – jetzt ist die Zeit der Frauen“. Es handelte sich um die wohl größte Kundgebung der letzten Jahre in Amed. Eröffnet wurde die Zusammenkunft mit einer Schweigeminute in Gedenken an die politische Gefangene Garibe Gezer, die im Dezember nach erlittener Folter unter verdächtigen Umständen in türkischer Haft ums Leben kam.

 

In Redebeiträgen wurde thematisiert, dass die Rechte von Frauen und Mädchen im Land jeden Tag aufs Neue deutliche Einschnitte erleiden. Als besonders einschneidendes Beispiel wurde der dramatische Anstieg von patriarchaler Gewalt und Femiziden sowie der Umgang des Staates mit den Gefangenen genannt, die aus „feindstrafrechtlicher Motivation heraus“ hinter Gitter sitzen – mit einem Hauptaugenmerk auf Frauen. Das Hauptziel müsse daher sein, über den „ultimativen Krieg gegen Frauen“ zu siegen und alle Frauen zu befreien – ob drinnen oder draußen. Den Höhepunkt bildete ein reiches musikalisches Bühnenprogramm.

Dersim

Die Kundgebung zum 8. März in Dersim findet am Seyîd-Riza-Platz im Stadtzentrum statt. Zuvor wurde eine mit Def û Zirne (Trommel und Oboe), dem schrillen Trillern „Tililî“ und Parolen wie „Jin, Jîyan, Azadî“, „Wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht, wir gehorchen nicht“ und „Es lebe der Frauenkampf“ begleitete Demonstration durchgeführt. Fatma Argın Taşkale von der örtlichen Frauenplattform erklärte: „Wir sind heute hier, um herauszurufen, dass wir unseren Kampf gegen den Krieg und die gegen die Völker gerichteten Waffen verstärken werden. Der seit Jahrtausenden von uns Frauen getragene Widerstand gegen das Patriarchat und männliche Bilanz geht weiter. Ebenso dauert unser Kampf gegen Unterdrückung, Gewalt und Einschüchterung an – in jedem Bereich des Lebens.”

Demo durch Dersim

Silopiya

An der Kundgebung ini Silopiya in der Provinz Şirnex beteiligen sich auch die HDP-Abgeordneten Meral Danış Beştaş und Nuran Imir. Letztere thematisierte in einer Rede den allgegenwärtigen antikurdischen Rassismus im Land, der sich in all seinen Formen vor allem gegen Frauen richte. Imir sprach von alltäglicher Ausgrenzung, struktureller Diskriminierungen und Femizid. Dies sei ein zentrales Fundament der Staatsideologie. „Der Staat fürchtet sich vor den kurdischen Frauen“, so Imir. Doch der Kampf kurdischer Frauen für Frieden, Freiheit und Demokratie könne nicht gebrochen werden.

Viele Frauen trugen ihre traditionellen bunten Kleider

Meral Danış Beştaş ging auf die „menschenverachtenden Zustände“ in der Türkei ein. Das Land werde dem „Foltersystem Imrali“ unterworfen, de facto sei die gesamte Gesellschaft isoliert. „Niemand kann seine Meinung demokratisch und frei äußern. Wir erleben eine verschärfte Isolation, mit der die Gesellschaft unterdrückt werden soll. Dieses Regime begann sein Unrecht zuerst in Imrali und machte es zur Regierungsform im ganzen Land“, so Beştaş. Im weiteren Verlauf ging die Politikerin auf die Situation in den Gefängnissen ein, die sie als „entwürdigend“ beschrieb. „Wir fordern die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen, an erster Stelle Abdullah Öcalan.“

Nach weiteren Redebeiträgen wurde eine Solidaritätsbotschaft der Allianz demokratischer Frauen im Nahen Osten und Nordafrika (NADA) verlesen. Darin hieß es unter anderem: „Trotz der Angriffe der Regierung auf das Leben von Frauen, die darauf abzielen, ihre erkämpften Rechte an sich zu reißen, sowie der Eskalation der Welle der Spezialkriegsmethoden gegen kurdische Frauen, den Verhaftungen und der systematischen Gewalt, denen sie ausgesetzt sind, nehmen die Frauenkämpfe nicht ab, sondern zu. Dies gilt es zu würdigen.“

Sêrt

Die Hauptrede auf der Kundgebung in Sêrt kam von der HDP-Sprecherin Ebru Günay. Die Politikerin hob den Anstieg von staatlicher und patriarchaler Gewalt gegen Frauen in der Türkei hervor. Verantwortlich dafür sei in erster Linie die unsoziale und auf Krieg ausgerichtete Politik des Erdogan-Regimes. „Frauen leben aufgrund eines nationalistischen, militaristischen und sexistischen Klimas in einer Gewaltspirale aus sexueller und häuslicher Gewalt, wirtschaftlicher Unterdrückung und psychologischer Erniedrigung. Es handelt sich im Grunde um einen mehrdimensionalen Krieg gegen Frauen, der sich vor allem gegen die kurdische Frau richtet“, sagte Günay. Es gehe um die Vorherrschaft über kurdische Frauen. Als Wurzel dieser Kriegspolitik machte die Politikerin die Isolation auf Imrali aus. Sodann forderte Günay die Freilassung Abdullah Öcalans. „Kommt er frei, steht dem Weg zum Frieden nichts mehr im Weg. Herrscht Frieden, gibt es Demokratie statt Krieg.“

Ausgiebige Tänze dürfen bei kurdischen Veranstaltungen nicht fehlen

Die HDP und TJA organisieren zum diesjährigen 8. März Veranstaltungen in fast vierzig Städten. Vielerorts dauern die Feierlichkeiten noch an.