Kampf gegen Gewalt an Frauen und Kindern in Amed

Frauenorganisationen haben in Amed zu einem „Notfallplan“ gegen Gewalt an Frauen und Kindern aufgerufen. In der nordkurdischen Metropole sind in den letzten beiden Monaten drei Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet worden.

Das „Netzwerk gegen Gewalt“, ein Zusammenschluss verschiedener Frauenorganisationen in Amed (Diyarbakir), hat auf einer Pressekonferenz im Frauenverein Rosa zum dringenden Handeln gegen Gewalt an Frauen und Kindern aufgerufen.

In Amed sind innerhalb der letzten beiden Monate drei Frauen von ihren Partnern bzw. Ex-Partnern ermordet worden. Auf der Pressekonferenz wurde angeprangert, dass Gewalt an Frauen politisch ist und Frauen und Kinder nicht vor Gewalt geschützt werden. Die Situation sei so dringend, dass ein gemeinsamer Notfallplan ins Leben gerufen werden müsse, erklärten die Netzwerk-Frauen und stellten eine Bilanz der Gewaltfälle in den vergangenen vier Monaten vor.

Wie Ruken Ergüneş vom Frauenverein Rosa mitteilte, haben sich innerhalb dieses Zeitraums 954 Frauen wegen erlittener Gewalt an eine der Organisationen des Netzwerkes gewandt. „Jede dieser Frauen hat öfter als einmal innerhalb oder außerhalb der Familie Gewalt durch Männer erfahren“, erklärte die Aktivistin. Gewalterfahrungen finden demnach auf physischer, sexueller, ökonomischer, psychischer, sozialer und digitaler Ebene statt. 701 Frauen berichteten neben anderen Gewaltformen von „ständiger psychischer Gewalt“. In 418 Fällen ging es um physische und in 160 Fällen um sexuelle Gewalt. Nach Einschätzung des Netzwerkes befinden sich 258 der Frauen in Lebensgefahr.

Dass es sich bei diesen Zahlen nur um einen Bruchteil der tatsächlichen Gewaltfälle handelt, ist den Netzwerk-Frauen bewusst. „Es geht uns nicht um Zahlen. Es geht hier um Frauen und Kinder, die Gewalt ausgesetzt sind“, sagte Ruken Ergüneş.

Das Netzwerk begleitet Frauen zur Polizei, wenn diese Anzeige stellen oder Schutzmaßnahmen fordern wollen. „Der erste Ansprechpartner im öffentlichen Raum der Polizeistationen ist dann zumeist ein männlicher Polizist, der vor allen anderen Männern nach dem Grund der Anzeige fragt. Zuständig ist immer die Polizeiwache am Wohn- oder Tatort. Wenn sich also eine Frau mit Mühe und Not aus einer Gewaltsituation retten konnte, wird sie dorthin zurückgeschickt“, erläuterte Ruken Ergüneş die Prozedur, bei der die Frauen auf Polizisten angewiesen sind, die nicht für den Umgang mit traumatisierten Menschen geschult sind.

Am Ende dieser Prozedur gehen die Täter oftmals straffrei aus, weil es keine Beweise gibt oder sie wegen „guter Führung“ vorzeitig entlassen werden. Entsprechend ist das Vertrauen von Gewaltopfern in die Justiz gering und die Selbstmordrate hoch.

Das Netzwerk gegen Gewalt sieht insbesondere den Staat in der Verantwortung, aber ebenso die Familien und die gesamte Gesellschaft. Aus diesem Grund fordern die Frauenorganisationen einen gemeinsamen Notfallplan, um Gewalt an Frauen und Kindern zu bekämpfen.