Jineolojî-Workshop in Johannesburg

Die Jineolojî-Akademie hat in Johannesburg zu einem Workshop eingeladen. An der Veranstaltung gab es eine rege Beteiligung vieler Frauenorganisationen und -gruppen.

Vielfältige Perspektiven

Am 8. Februar 2025 versammelte sich die International Labour Research and Information Group (ILRIG) zusammen mit der Jineolojî Academy, Abahlali baseMjondolo, Tembisa, und der Eva Hoffman Abahlali Base Freedom Park Women's Group für einen Jineolojî-Workshop. Der Seminarort war eine von der malawischen Gemeinschaft betriebene Schule in Vusumuzi, Tembisa, einem großen besetzten Gebiet im Norden Johannesburgs, das überwiegend von der schwarzen Arbeiterklasse bewohnt wird.

Gemeinsame Vorbereitung

Vor der Zusammenkunft hielten vier Frauen aus den oben genannten Organisationen Vorträge zu den Themen Land- und Raumbeschaffung (Besetzungskampf), Frauenkollektive, Kommunen und gemeinsame Kooperationsbemühungen in ihrer Gemeinde.
Melita Ncobo, Phumza Dumbata, Necibe Qeredaxi und Lara Reddy hielten außerdem eine Videokonferenz ab, um sich gegenseitig kennenzulernen und Vorbereitungen zu treffen. Gemeinsam organisierten sie den Workshop. Eine weitere Organisation, die gegen geschlechtsspezifische Gewalt kämpft (Black Women Caucus), beteiligte sich ebenfalls mit Energie, Begeisterung und positiven Beiträgen.


Lage in Südafrika gefährlich für Frauen

In Südafrika herrscht eine sehr hohe Rate an Gewalt, Mord und sexualisierten Übergriffen gegen Frauen. Es ist für sie immer sicherer, nur in Gruppen zu reisen. Aufgrund der Verkehrsprobleme in Südafrika und der besonderen geografischen Gegebenheiten der Apartheid ist das Reisen für arme schwarze Frauen sehr schwierig.

Jineolojî stieß auf großes Interesse

Die verschiedenen Panels des Workshops wurden von Melita Ncobo moderiert. Vertreterinnen verschiedener Organisationen und Akademien referierten über Frauen, Land, Kollektive und den allgemeinen Kampf der Frauen. Während der Veranstaltung weckte die Jineolojî besonders die Aufmerksamkeit der Frauen aus Johannesburg. Lara Reddy, eine der Organisatorinnen, sagte: „Ich sprach mit den Frauen aus Johannesburg und informierte sie über das, was ich durch die Lektüre von Öcalan und die Ausbildung der Akademie der Demokratischen Moderne sowie durch den Austausch mit südafrikanischen Frauen im letzten Jahr gelernt habe. Doch das Lernen von der Jineolojî-Akademie selbst, war für die Frauen sehr interessant und authentisch.

Revolution der Frauen durch Organisation und Bildung

Die Frauen stellten interessante Fragen. Dennoch habe ich den Eindruck, dass sie noch viel tiefgreifende und gezielte Bildung brauchen. Das Umfeld der Frauen ist anders, aber unsere Situation ist ähnlich. Uns fehlt der Grad der autonomen Selbstorganisation, den die kurdischen Frauen aufgebaut haben. Damit einhergehend auch ein tiefes Verständnis dafür, dass Frauen zuerst in Geist, Körper und Seele kolonisiert wurden und dass die Revolution der Frauen gegen den Kolonialismus durch Organisation und Bildung erfolgt.“

Tiefgehende Analyse als Grundlage

Frauen und Frauenorganisationen sind in Südafrika trotz des neoliberalen Systems mit sozioökonomischen Hindernissen, Armut, Gewalt und Patriarchat konfrontiert. Dies macht eine Analyse dieser Themen und der kulturellen sowie historischen Realitäten der afrikanischen Frauen zu einer absoluten Notwendigkeit. Vor allem in Johannesburg, dem wirtschaftlichen Zentrum Südafrikas, in dem die meisten städtischen berufstätigen Frauen leben. Von Studentinnen bis zu Frauen in der Landwirtschaft, von akademischen und professionalisierten bis zu Frauen, die in den Fängen des Kapitalismus gefangen sind, von Wanderarbeiterinnen und prekär Beschäftigten bis zu Hausfrauen: Alle sind mit der gleichen Geißel patriarchaler Gewalt konfrontiert, wo immer sie sind, und ihr Land und ihre Lebensgrundlagen sind bedroht.

Jineolojî eröffnet neue Perspektiven

Lara Reddy ordnete die Perspektiven der Jineolojî ein: „Das Kennenlernen der Jineolojî eröffnet Wege zur radikalen Demokratie, zum demokratischen Konföderalismus der Frauen und seinen Möglichkeiten, Rollen zu sehen und sich einen dritten Weg vorzustellen, die Selbstorganisation durch die Organisation von Kommunen und Versammlungen und Kommunikationsnetzwerken von Frauen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene. Der Kampf für die Befreiung der Frauen ist universell, beginnt aber auf lokaler Ebene.“

Schwarze Frauen werden am meisten unterdrückt und leisten den größten Widerstand

In der anschließenden Diskussion wiesen die Frauen darauf hin, dass es kleine Schritte gebe, um alte Auffassungen für eine neue feministische Zukunft umzugestalten, Erfahrungen zu sammeln und zu teilen, zu lernen, Frauen in Gemeinschaften zu unterstützen, genossenschaftliche Beziehungen aufzubauen und zusammenzuarbeiten. Sie wiesen auf zahlreiche Probleme hin, die das Leben der schwarzen Frauen ausmachten, wie die patriarchale Kontrolle, den tiefen Schmerz der Frauen aufgrund von Kindheitstraumata und auch den historischen und uralten Schmerz der Apartheid, des Rassismus, des Tötens und der Armut. Schwarze Frauen seien in dieser Gesellschaft am meisten ausgebeutet und unterdrückt worden, aber sie seien die stärksten, widerstandsfähigsten und aufopferungsvollsten Frauen.

Befreiung ist die Aufgabe aller Geschlechter

Die Frauen bestanden darauf, dass auch die Männer aufgeklärt werden müssten, die sie als „Bürgerinnen zweiter Klasse“ behandelten und immer noch ihr Verhalten und ihre Bereiche kontrollieren wollten. Solche Männer fühlten sich durch Frauen-Zusammenkünfte wie dem Jineolojî-Workshop bedroht.
Was die Frauen in der patriarchalen Situation Südafrikas zur Jineolojî geführt hat, sei die Tatsache, dass sie den Feminismus nicht aus westlicher Sicht betrachte, der besage: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Männer zu ändern, sie müssen sich selbst ändern.“

Wellen der Veränderung

Das Patriarchat sei auch für die Männer eine zerstörerische und einschränkende Kraft. Ihr Ego sei darauf aufgebaut, die Frauen zu ihrem Eigentum zu machen. Daher müssten diese Männer „Wellen schlagen und eine Revolution anzetteln, wenn die Macht der Frauen gestohlen wird“. Dies könnten Wellen der Veränderung sein, die durch ein tiefes Verständnis des Selbst, der anderen und der umgebenden Räume entstünden. Hätten alle ihren Platz in der Welt gefunden, könne der Kampf um die eigene Wahrheit beginnen.

„Wo fangen wir an?“

Im weiteren Verlauf fragte Necibe Qeredaxi, Mitglied der Jineolojî-Akademie, die Erzieherin und Forscherin beim Labour Research Service, Nosipho Twala: „Wo fangen wir an?“ Diese antwortete, dass das Erzählen historischer Erinnerungen und die Organisation eigener Bedürfnisse wie die ungeschriebenen Geschichten seien, die die Großmütter rund um Feuer und Essen erzählen. Damit legten sie den Samen für die Selbstorganisation. All diese Ideen der Jineolojî führten die Frauen zu einem Verständnis ihrer selbst, aber auch zu dem Verständnis, dass sie nicht getrennt voneinander seien, sondern Teil eines Ganzen, in dem alle gemeinsam ein freies Leben und ihre Gesellschaft aufbauen könnten.