Jin Jiyan Azadî - Gemeinsam entwaffnen wir das Patriarchat!

Gemeinsam Kämpfen und Women Defend Rojava beteiligten sich am 8. März an Demonstrationen und weiteren Aktionen in ganz Deutschland.

Eindrücke vom 8. März

Am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, waren Tausende Menschen in ganz Deutschland auf der Straße. Die feministischen Initiativen „Gemeinsam Kämpfen“ und „Women Defend Rojava“ haben für ANF ihre Eindrücke zusammengefasst:

Verbunden im gemeinsamen Kampf mit allen kämpfenden Frauen in Rojava, in Abya Yala, in Palästina, in Indien, in Israel, Nepal, Kenia und vielen anderen Orten wurde die Kraft des Jahrhunderts der weltweiten Frauenrevolution für viele hör- und spürbar. Weltweit erleben Frauen Gewalt. In Deutschland beispielsweise gab es im Jahr 2023 insgesamt 193 gezählte Morde an Frauen und Mädchen, wobei von einer deutlich höheren Dunkelziffer auszugehen ist. Feminizide sind nur die Zuspitzung der alltäglichen Gewalt und Unterdrückung, die Frauen erfahren. Die unterschiedlichen Gesichter, mit denen das Patriarchat überall auf der Welt Feminizide, Genozide, Kriege, Unterdrückung und Herrschaft bringt, müssen erkannt, überwunden und entwaffnet werden. Die Trennung unter uns als Frauen und weitere unterdrückte Geschlechter, Vereinzelung, Verunsicherung, die Kraft, die uns allen jeden Tag geraubt wird - wir müssen sie uns zurückholen! Alle Frauen und Menschen weiterer unterdrückter Geschlechter wurden an diesem Tag dazu aufgerufen, sich zu vernetzen, zu organisieren und damit sich selbst und die Werte eines befreiten Zusammenlebens zu verteidigen.

In diesem Sinne gab es in Celle, Köln, Berlin, Jena, Tübingen, Kassel, Köln, Göttingen, Frankfurt am Main, Düsseldorf und vielen weiteren Städten an diesem Tag Demonstrationen und andere Aktionen, über die im Folgenden jeweils kurz berichtet wird. Ziel war, die Kämpfe hier vor Ort zu verbinden und die internationale Solidarität an jedem Ort spürbar machen.

Celle

Mehr als 70 Frauen demonstrierten in Celle für Selbstbestimmung und Gerechtigkeit. Gemeinsam Kämpfen und Women Defend Rojava riefen zu der Demonstration zusammen mit dem autonomen Frauenhaus Celle e.V, dem Êzîdischen Frauenrats e.V. (SMJE), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Celle, der Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Celle und der Gruppe LiST (Land in Sicht - Transition), sowie dem FrauenDiversKinder-Treff der Solidarischen Initiative Neuenhäusen auf. Die Siebdruckwerkstatt im Bunten Haus schenkte den Teilnehmer:innen selbst gedruckte Postkarten. Zum krönenden Abschluss wurde im großen Kreis gemeinsam zu kurdischer Musik getanzt.

„Wir sehen, dass Frauen und Menschen weiterer unterdrückter Geschlechter auf der ganzen Welt und auch in Celle die gesellschaftlichen Probleme durchaus erkennen. Unsere heutige Demonstration war laut und lässt die Hoffnung spürbar werden, dass noch mehr Menschen ihre eigene Lösungskraft wahrnehmen und wir uns gemeinsam für eine feministischere Zukunft organisieren werden“, so eine Aktivistin von Gemeinsam Kämpfen in Celle.

Jena



In Jena versammelten sich rund 2000 Menschen, um unter dem Motto „Unsere Wut ist unsere Stärke - feministisch Kämpfen jetzt". In verschiedenen Redebeiträgen wurde betont, dass hinter dem zunehmenden Faschismus patriarchale Strukturen und eine dominante Männlichkeit steckt. Antifaschismus und Feminismus müssen somit in direkter Verbindung stehen und das Patriarchat als Ursprung aller Unterdrückung erkannt und bekämpft werden. Während der Demonstration wurde auf die widerständige Geschichte von Frauen in Ostdeutschland aufmerksam gemacht: „Genauso sind uns die Geschichten aller widerständigen, nicht binären, lesbischen und queeren Bewegungen hier vor Ort ein Vorbild. Wir bauen in Ostdeutschland auf eine Geschichte organisierter Frauen, die sich gegen die männliche Dominanz des Systems der SED gewehrt haben.“

Die Stimmung war kämpferisch und der Demozug kontinuierlich begleitet von lauten Rufen wie „Für die Freiheit, für das Leben - Selbstbestimmung muss es geben!" und „Jin Jiyan Azadî!". Es wurde während der gesamten Demonstration immer wieder gemeinsam gesungen.

Vor dem Start der Demo gab es außerdem ein gemeinsames Mittagessen auf der Straße, zu dem Passant:innen eingeladen wurden. Dabei wurde darüber gesprochen, was der 8. März als internationaler Frauenkampftag heute bedeutet - was wütend macht, was uns Kraft und Hoffnung gibt. Dabei kamen mindestens 200 Menschen zusammen. Es wurde viel diskutiert, auch gemeinsam gesungen und über verschiedene Generationen hinweg sich ausgetauscht. „Das müssen wir öfter machen! Wenn wir als Frauen hier zusammenkommen entsteht eine große Wärme, Kraft und mein Herz ist wieder voll Stärke", so eine Passantin.

Göttingen und Einbeck

In Einbeck wurde ein Mahnmal gegen Feminizide aufgebaut und an Frauen erinnert, die seit Anfang 2023 von Männern in Deutschland getötet wurden. Sehr viele Leute sind blieben stehen und lasen sich die einzelnen Texte durch.

In der Innenstadt in Göttingen war außerdem ein Stand aufgebaut, dort wurde mit vielen Menschen über das 5000-jährige Patriarchat und Widerstandsgeschichte gesprochen. Es gab ein großes Wimmelbild, das auf großes Interesse stieß. Im späteren Tagesverlauf gab es noch eine große Demonstration durch die Göttinger Innenstadt.

Hannover

Auch in Hannover fand ein kraftvoller Frauenkampftag statt. An einer Demonstration nahmen 3000 Menschen teil. Das diesjährige Motto lautete „Handlungsmacht & Selbstbestimmung!“. Die Teilnehmenden riefen „Jin Jiyan Azadî“, „Gegen Macker und Sexisten – fight the power, fight the system“ und „My body, My choice“ und sprachen sich für internationale Solidarität aus. Mit Hunderten Wimpeln wurde Verbundenheit mit den Frauenverteidigungseinheiten YPJ zum Ausdruck gebracht.

Schon auf der Startkundgebung auf dem Opernplatz wurde von der Einsatzleitung der Polizei versucht, den Ausdruck der Solidarität zu unterbinden. Es wurde die falsche Behauptung aufgestellt, dass das Zeigen der YPJ-Fahne verboten sei und nichts mit dem 8 März zu tun habe. Wütende Demoteilnehmer:innen skalierten daraufhin „Bijî Berxwedana YPJ!“. Schließlich waren es die mutigen Kämpferinnen der YPJ, die zusammen mit den Volksverteidigungseinheiten YPG und der Guerillaeinheiten YJA Star und HPG nach dem IS-Überfall am 3. August 2014 auf Şengal Hunderttausende Ezid:innen über einen Sicherheitskorridor retteten. Diesen Ausdruck der Solidarität haben die Demoteilnehmer:innen sich nicht nehmen lassen. Über den Köpfen der Demonstrierenden tauchte immer wieder eine fünf Meter lange YPJ-Fahne auf.

Kassel

In Kassel wurde mit einem gestickten Transparent an nicht mehr lebende Vorreiterinnen erinnert. Das Transparent ist ein feministisches Gemeinschaftsprojekt. Die Idee, verstorbene und getötete Revolutionär:innen und Feminist:innen zu sticken, hatte eine der Kasslerinnen aus Argentinien mitgebracht. Sie war letztes Jahr am 8. März in Cordoba. Dort hat sie die Gruppe „bordando luchas“ kennengelernt. „Bordando luchas“ bedeutet übersetzt "kämpfe stickend". Das Sticken ist eine Form der Auseinandersetzung und des Erinnerns an die argentinische Militärdiktatur. Auch „bordando luchas“ waren nicht die Ersten. Mit dem Sticken haben sie sich auf eine Praxis widerständiger Mütter und Großmütter in Chile bezogen. Damit verarbeiten sie nicht nur die Vergangenheit, sondern kämpfen auch für eine bessere Zukunft.

Auf dem Transparent wird an Kämpfer:innen der kurdischen Freiheitsbewegung, der Zapatistas, Antifaschist:innen, Vorreiter:innen antirassistischer Kämpfe, der Stone Wall Riots und viele mehr erinnert.

Berlin

Im Rahmen des Berliner Netzwerks gegen Feminizide wurde gemeinsam mit „Deutsche Wohnen enteignen“ und den FLINTA der IL zu einer Vorabenddemo aufgerufen. Forderungen waren nicht nur mehr Frauenhausplätze, es wurde die Verbindung Wohnraumkrise und patriarchaler Gewalt aufgezeigt.

Am 8. März veranstaltete das Netzwerk gemeinsam mit den Omas gegen Rechts ein Mini-Straßenfest auf dem Widerstandsplatz: Es wurde für Solidarität getrommelt und eine Jugendgruppe führte eine Performance zum Thema sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe auf. Das Netzwerk hielt eine Rede, in der besonders die queerfeministische Haltung und Transinklusivität betont wurde, denn dies war nicht bei allen teilnehmenden Strukturen selbstverständlich.

Gemeinsam mit den kurdischen Strukturen ging es nach einem tollen Frühstück schließlich zur großen antiimperialistischen Demonstration der Alliance of Internationalist Feminists, wo die Verbindung von Kolonialismus und Patriarchat problematisiert wurde. Am Abend gab es zum Abschluss der kurdischen Frauenkulturtage ein wunderschönes Konzert mit kurdischer Musik und Govend.

Tübingen

In Tübingen wurde sich der Demonstration des 8M-Bündnisses angeschlossen. Gemeinsam mit über 1100 Menschen wurden feministische Perspektiven auf die Straße getragen. Dabei machte ein „Leerer Block“ auf alle kämpfenden Frauen, nicht-binären und trans-Personen aufmerksam, die nicht da sein konnten: auf die Gefallenen, Gefangenen, auf alle, die vor uns gekämpft haben, und alle, die aus anderen Gründen, wie Care-Arbeit nicht kommen konnten. In der Rede wurde der gemeinschaftliche Aspekt von politischer Arbeit und das Erinnern und Weitertragen der internationalen Kämpfe und Perspektiven betont.