„Je mehr Repression, desto stärker werden wir Frauen“

Die Türkei dreht die Repressionsschraube gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung weiter an. In Amed und Riha wurden am Freitag 18 Frauenaktivistinnen und Politiker festgenommen. In zahlreichen Städten gingen die Menschen auf die Straße.

In vielen Städten Nordkurdistans haben Frauen gegen die Festnahmewelle gegen die kurdische Frauenbewegung protestiert. Am Freitag früh waren bei Razzien in Amed (türk. Diyarbakir) und Riha (Urfa) 15 Frauenaktivistinnen sowie drei HDP/DBP-Politiker festgenommen worden. Sie stehen auf Grundlage von Aussagen sogenannter „anonymer Zeugen“ im Zusammenhang mit legalen politischen Aktivitäten unter „Terrorverdacht“.

Die Frauenplattform Dicle Amed (DAKAP) veranstaltete eine öffentliche Presseerklärung, an der sich neben den HDP-Parlamentarierinnen Dersim Dağ und Remziye Tosun auch Vertreterinnen der HDP-Mitgliedspartei DBP und der lokalen Zivilgesellschaft beteiligten. Die DAKAP-Aktivistin Arin Zümrüt wies darauf hin, dass die staatliche Unterdrückung der Frauen eindrücklich die Angst der patriarchalen Regierung vor der Übermacht von Frauen bestätigt. Ein aktuelles Beispiel sei die Festnahme der 75 Jahre alten Friedensmutter Havva Kıran aus Amed. „Die Herrschenden werden unseren Kampf nicht zum Stillstand bringen können. Je mehr Repression, desto stärker die Frauen. Wir werden uns niemals beugen.“

Eine ähnliche Aktion fand vor der DBP-Hauptzentrale in Amed statt. Die Ko-Vorsitzenden Saliha Aydeniz und Keskin Bayındır lieferten sich zunächst ein hartes Wortgefecht mit der Polizei, weil diese die Menschenmenge daran hinderte, sich vor dem Parteigebäude zu versammeln. In einer Ansprache sagte Aydeniz anschließend, dass es sich bei der jüngsten Repressionswelle um die letzten Atemzüge der Regierung handelt. Die Corona-Pandemie werde von der AKP als Instrument genutzt, die unliebsame Opposition aus dem Weg zu räumen. Statt das Krisenmanagement auf das Wohl der Bevölkerung auszurichten, gehe es einzig um den Machterhalt des Präsidenten. Erdoğan wolle einen türkischen Monismus etablieren, mit den heutigen Festnahmen sei die Seite, die dagegen Widerstand leistet, ins Visier genommen worden: die Frauenbewegung und alle Menschen, die soziale Kämpfe führen. „Dem Wunsch dieser Regierung, dass Frauen stets schweigen und nicht für ihre Rechte eintreten, werden wir gewiss nicht nachkommen. Wir werden unsere Kämpfe fortsetzen und wir werden gewinnen.“

In Riha wiesen die HDP-Abgeordneten Ayşe Sürücü und Ömer Öcalan auf die allgemein repressive Stimmung im Land hin. „Täglich kommt es zu willkürlichen Festnahmen und Verhaftungen, die illegalen Festnahmen unserer Freundinnen und Freunde von heute Morgen sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Regierung ist sich nicht im Klaren darüber, dass die demokratische Politik nicht zerschlagen werden kann. Wir fordern die sofortige Freilassung aller in Gewahrsam genommener Personen.“

Auch in Şirnex (Şırnak) wurde gegen die Festnahmewelle protestiert. Viele Menschen versammelten sich vor den Parteigebäuden der HDP in den Landkreisen Cizîr (Cizre) und Silopiya (Silopi). Die Politikerin Güler Tunç unterstrich, dass Repression dem Zusammenhalt von Frauen und ihrem Widerstand nichts anhaben kann. In Dîlok (Antep), Agirî (Ağrı), Qers (Kars), Colemêrg (Hakkari), Mêrdîn (Mardin), Mûş, Wan, Êlih (Batman), Sêrt (Siirt), Muğla, Manisa, İzmir, Adana, Hatay, Mersin und Ankara gingen Frauen ebenfalls auf die Straße.