Vom 6. bis 7. Oktober findet an der Goethe-Universität in Frankfurt die Frauenkonferenz „Revolution in the Making“ des Netzwerks „Women Weaving the Future“ statt. Zwei Tage lang wird ein Austausch stattfinden über die Krise des Patriarchats und seinen systematischen Krieg gegen Frauen, den weltweiten Frauenkampf für Freiheit und seine Aufbauprozesse sowie über die Erfahrungen unterschiedlicher Frauenbewegungen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die künftige Zusammenarbeit. Neben den Podiumsdiskussionen werden auch Workshops stattfinden.
„Aufbau eines antipatriarchalen Systems in greifbarer Nähe“
Das Netzwerk schreibt in seiner Einladung:
„Der Kapitalismus ist in einer strukturellen Krise und obwohl er behauptet, dass es keine Alternative gäbe, hat er weltweit seine Legitimität verloren. Um diese Krise zu überwinden, verändert und reinstalliert er seine Grundsäulen: Fundamentalismus, Sexismus, Feudalismus, Faschismus und Nationalismus und versucht so, sich selbst als die einzige Alternative zu präsentieren. Wir wissen, dass die fundamentale gemeinsame Basis all dieser Wege die weitere Kolonialisierung von Frauen darstellen wird. Ebenso bedeutet dies eine Vertiefung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme.“
Auf der Konferenz sollen die Möglichkeiten jenseits der als Alternativen propagierten Wege herausgestellt werden. „Der Aufbau eines antipatriarchalen Systems und einer demokratischen Ökonomie ist in greifbarer Nähe und hat das Potential, sich dauerhaft zu etablieren. Das 21. Jahrhundert hat das Potential, zum Jahrhundert der Freiheit der Frauen* und der Völker zu werden“, heißt es weiter in der Einladung.
Simultanübersetzung in sieben Sprachen
Die Konferenz beginnt um 9.00 Uhr im Studierendenhaus an der Goethe-Universität, Mertonstraße 26 in 60325 Frankfurt am Main. Es wird eine Simultanübersetzung in Kurdisch, Englisch, Deutsch, Türkisch, Italienisch, Spanisch und Französisch geben. Um die Kosten zu decken, wird eine Teilnahmegebühr in Höhe von 30 Euro inklusive Mittagessen, Tee und Kaffee erhoben. Ein besonderer Service der Veranstalterinnen ist die Unterbringung auswärtiger Gäste bei solidarischen kurdischen Familien und Freund*innen. Außerdem sind günstige Pensionszimmer vorreserviert.
Zur Anmeldung schreibt das Netzwerk: „Bitte meldet euch bis zum 15. September unter der Mailadresse [email protected] an. Teilt uns dabei mit, von wo ihr anreisen werdet, wann ihr ankommt, ob und für wie viele Nächte ihr Unterkunft und ob ihr Kinderbetreuung braucht.“
Das Programm der Konferenz
TAG 1
Eröffnung
Session I Die Krise des Patriarchats und sein systematischer Krieg gegen Frauen
1. Der Höhepunkt des Patriarchats: Die Frauenfeindlichkeit des Kapitalismus
Nie zuvor in der Geschichte waren Frauen einer so tiefen und vielschichtigen Ausbeutung ausgesetzt wie im Kapitalismus. Zusammen mit dem Nationalstaat bildet der Kapitalismus den institutionalisierten Ausdruck des Patriarchats. Darüber hinaus zerstörte der Kapitalismus, als er zum System wurde, diejenigen Gesellschaften, die auf der Mutter-Frau-Kultur beruhten, die als sein Gegenstück angesehen werden können. Wie sollen wir, davon ausgehend, die Verbindung zwischen dem patriarchalen System und dem Kapitalismus definieren? Warum und wie hat das hegemonial-männliche System im kapitalistischen Zeitalter seinen Höhepunkt erreicht? Und kann ein Befreiungskampf der Frauen, der keinen antikapitalistischen Charakter hat, erfolgreich sein?
2. Der Zusammenbruch des 21. Jahrhunderts: Frauen ergreifen Herausforderungen und Chancen
Das kapitalistische Weltsystem ist mit einer strukturellen Krise in das 21. Jahrhundert eingetreten. Entsprechend seines Charakters versucht es, aus seiner systemischen Krise hervorzugehen, indem es die Angriffe auf seine Feinde intensiviert. Insbesondere können wir über einen systematischen Krieg gegen Frauen sprechen. Aber Krisen enthalten immer auch die Möglichkeiten für starke Aufstände. Welche Risiken und Chancen birgt die patriarchale Systemkrise für die Frauenbefreiung? Wie können wir die aktuelle Krise aus weiblicher Perspektive einschätzen?
3. Sexismus und seine Verbindung mit der heiligen Dreifaltigkeit des Kapitalismus
In der kapitalistischen Moderne reproduziert sich die Macht basierend auf den ideologischen Grundsäulen des Sexismus, Nationalismus, Fundamentalismus und Szientismus. Während diese Säulen alle nicht voneinander getrennt werden können, ist Sexismus die Grundlage aller Formen von Herrschaft. Was ist der Zusammenhang zwischen Sexismus und den drei anderen ideologischen Säulen der kapitalistischen Moderne? Und wie geht man mit Nationalismus, Fundamentalismus und Szientismus im Kampf gegen Sexismus um?
Session II Workshops
1. Der Aufstieg faschistischer Regime und ihre Auswirkungen auf Frauen*
2. Feminizid, sexuelle Gewalt und Selbstverteidigung
3. Ökologie
4. Matriarchale Gesellschaften und soziale Identitäten
5. Krieg, Vertreibung und Migrationspolitik
6. Kolonialismus, kapitalistische Moderne und ihre Auswirkungen auf Frauen*
7. Die Feminisierung von Armut und kommunalistische Wirtschaft
8. Frauen* und alternative Medien
9. Von der Theorie zur Praxis
Abend: Konzert
TAG 2
Session III Frauenbefreiungskampf von Fis nach Kobanê und von Minbic nach Raqqa
1. Die Philosophie hinter dem Bruch mit dem patriarchalen System
Wie sind wir auf dem Weg von Fis nach Raqqa zu dem Schluss gekommen, dass die Befreiung der Frau kostbarer ist als die Befreiung eines Landes? Wie grundlegend sind die Befreiung von Frauen und das Töten der dominanten Männlichkeit für das Erschüttern der Grundlagen des patriarchalen Systems? Wie ermöglichen uns die Demokratische Nation und die Freiheitssoziologie unsere eigene Zukunft zu gestalten? Welche Rolle spielt dabei die Jineolojî?
2. Die Herstellung des konföderalen Systems der Frauen: Die Philosophie in der Praxis
Die Umwandlung unserer Errungenschaften in ein kontinuierliches und nachhaltiges System ist entscheidend. Dafür müssen wir die wichtigsten Säulen der patriarchalen Ordnung ersetzen. Bedeutend hierfür sind Organisierung, Vernetzung, Bildung, kommunale ökologische Ökonomie und der Aufbau außerstaatlicher Strukturen (einschließlich des Systems der Co-Vorsitzenden) sowie deren Erhalt
3. Warum „Selbstverteidigung“ und nicht „Schutz“ von Frauen: Der Mythos, die Heuchelei und die Wahrheit
Sowohl das Gewaltmonopol der Nationalstaaten und anderer Staatsformen der Vergangenheit als auch die exzessive und uneingeschränkte Anwendung von Gewalt durch die revolutionären Bewegungen in der Vergangenheit und deren unzureichende Analyse haben unser Verständnis von Selbstverteidigung geprägt. Haben wir uns nie selbst verteidigt oder müssen uns andere verteidigen wenn es so ist, stellt sich die Frage warum? Und wer wendet Gewalt gegen uns an? Wie sollten wir unser Verständnis von Selbstverteidigung definieren und artikulieren? Welche Vorkehrungen sind zu treffen, damit Selbstverteidigung nicht zur ungewollten – patriarchalen – Form der Gewalt wird?
Session IV Verschiedene Orte, universelle Kämpfe: Frauenbewegungen und ihre Erfahrungen
1. Von bandit-queens zu pink-gangs: Postkolonialer Widerstand asiatischer Frauen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Vergewaltigung
Indien ist eines der Länder, in denen der Konflikt zwischen einer Kultur der Mutter-Frau und Sexismus am deutlichsten gesehen werden kann. Auf der einen Seite die Kultur der Muttergöttin, auf der anderen Seite Witwenverbrennungen, das Töten von weiblichen Föten, Gruppenvergewaltigungen. Wie ist es möglich, dass in einem Land, in dem Frauen noch vor kurzer Zeit geheiligt wurden, Frauenfeindlichkeit ein so hohes Niveau erreichen konnte? Welche Rolle spielte der Kolonialismus? Und wie widersetzen sich Frauen in Indien in Theorie und Praxis gegen verschiedene Formen von Sexismus und Ausbeutung?
2. Das Nicht-Trauern um schwarze Leben und warum weiße Vorherrschaft sexistisch ist
Die außergerichtlichen Hinrichtungen, Polizeigewalt, systematische Ungleichheit und Diskriminierung gegen „black people“ in den USA sind der lokale Ausdruck einer viel universelleren Realität: Jene, deren Leben von der bio-politisch hegemonialen Ordnung abgewertet werden, deren Leben als entbehrlich erachtet wird, werden zu offenen Zielen von Tötungen. Sie sind diejenigen, die das System an seinen Wurzeln erschüttern würden, wenn sie frei wären. Könnte es in diesem Sinne ein Zufall sein, dass parallel zum Wachstum der BlackLivesMatter-Bewegung unter der Führung von Frauen* eine Person, die für Sexismus und weiße Vorherrschaft steht, Präsident der USA wurde?
3. Das Erwachen der Kinder der Göttinnen: Die 2. Frauenrevolution im Nahen Osten
Atargatis in Nordsyrien, Ishtar in Mesopotamien, Anahita im Iran, Star in Kurdistan: Im Nahen Osten, wo die Kultur der Muttergöttinnen tief verwurzelt ist, weben Frauen eine zweite Frauenrevolution. Aber der Nahe Osten ist auch der Ort, an dem das Patriarchat institutionalisiert wurde und heute ein heftiger Kampf zwischen männlicher (Vor)Herrschaft und Frauenbefreiung stattfindet. In Anbetracht der historischen Bedeutung der Region sollte der Frage nach einer universellen Bedeutung des Befreiungskampfes der Frauen* im Nahen Osten nachgegangen werden. Welche Bedeutung hat die Frauenrevolution innerhalb der Revolution?
4. Gabrielas Nachfolgerinnen: Frauenbündnis in Theorie und Praxis
Ein effizienter Befreiungskampf der Frauen* gegen das patriarchale System erfordert ein einheitliches und vernetztes Handeln. Aber wie können wir uns trotz unserer Unterschiede vereinen? Welche Prinzipien und Verständnis sind für einen gemeinsamen Kampf notwendig? Was sind die Schwierigkeiten und Erfolge von Allianzen? Wie entwickeln wir ein gemeinsames Organisationsmodell und schützten gleichzeitig die Autonomie der einzelnen Organisationen in der Praxis?
5. #NiUnaMenos: Wir werden keine Frau* weniger werden
In Lateinamerika haben die Tötungen von Frauen das Ausmaß eines Feminizids erreicht. Frauen kämpfen seit Jahren darum, die Tötungen auf staatlicher Ebene sichtbar zu machen und sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. In Anbetracht der Komplizenschaft des Staates folgerten sie, dass ein Feminizid nur mit einer starken Organisierung gestoppt werden kann. Die Bewegung Ni Una Menos begann in Argentinien und verbreitete sich über ganz Lateinamerika. Wie können Feminizide gestoppt werden? Welche Art von Organisierung brauchen wir?
6. Wiedergeburt der revolutionären Kultur: Frauenorganisierung in Afghanistan
Afghanistan, Iran, Türkei - die späten 70er und frühen 80er Jahre waren Jahre, in denen das große revolutionäre Potenzial der Gesellschaften des Nahen Ostens und insbesondere der Frauen sichtbar wurde. Die Hegemonialmächte reagierten darauf mit der Unterstützung von Militärputschen, islamistischen Gruppen und politischen Tötungen. Unter dem Deckmantel der Demokratisierung oder ab 2001 des "Kampfes gegen den Terror" waren sie aktiv an der Förderung blutiger "Bürgerkriege" beteiligt. Sie verfolgten damit insbesondere einen besonderen Krieg gegen das revolutionäre Potential von Frauen. Die Versklavung von Frauen ist die Zerstörung der revolutionären Kultur. Aber afghanische Frauen kämpfen unter schwierigen Bedingungen gegen ihre Versklavung, indem sie ihre revolutionäre Kultur wiederbeleben.
Session V Revolution im Aufbau: Wir weben unsere Zukunft gemeinsam
Die Umwälzungen und Umbrüche unserer Zeit führen nicht nur zu viel Schmerz, Gewalt und der Vertreibung von Millionen von Menschen aus ihrem Land, sondern bieten uns auch die Chance, unsere eigene Lebensweise zu weben. Was sind können die Maßstäbe dessen sein, was wir vorschlagen? Wir wissen viel mehr als je zuvor über unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In wie weit ist es möglich, sich innerhalb jedes dieser Maßstäbe zu vernetzen? Das Verständnis von Solidarität muss sich ändern, aber wie können wir eine Einheit von Anstrengungen, von Kämpfen, von Taten und von Schöpfung erreichen und sie zusammenweben.
• Schwarze Frauenbefreiungsbewegung: Schwarze Frauen haben brutale rassistische Repression erlebt, sowie ihre Manifestation in archaischer Versklavung und Kolonisierung und die Aggression, die sie in verschiedenen Formen mit sich bringt. Doch von Beginn an haben sie um ihre Freiheit gekämpft und sind weiterhin eine Inspiration für kämpfende Frauen weltweit. Was ist der Weg vor uns und wie können wir Verbindungen knüpfen?
• Die schönen Farben zeigen, wie die Frauen* in Indien es wagen, die Angriffe der neoliberalen Politik des Kapitalismus und die allumfassenden Angriffe des Patriarchats zu bekämpfen und widerständig zu sein. Wie schaffen wir Raum für verschiedene Formen von Solidarität?
• Die Frauen* aus den arabischen Ländern haben den zweischichtigen Freiheitsverlust durch das sehr harte arabische hegemoniale Patriarchat erlitten, das seine regionale und weltweite Macht an die kapitalistische Hegemonie verloren hat. Wie können wir die Grenzen zwischen den Frauen der Region überwinden und gemeinsam handeln?
• Aus den Trümmern von Fundamentalismus, Feudalismus, Nationalismus und den jüngsten Kriegen erheben sich die Frauen aus Kurdistan - die Versklavtesten der Versklavten, um alle Formen des Patriarchats zurückzuweisen. Wie können Frauen* (wieder) gemeinsam handeln, wenn es um gemeinsame Ziele geht?
• Zapatistas - Die Frauen* der Regenwälder singen uns dasselbe Lied in einer anderen Melodie; Sie führen den Kampf und den Widerstand der Frauen in den Regenwäldern fort und darüber hinaus. Räumlich weit voneinander getrennt und doch so nah in der Vision.