Ilham Omer – Ein Leben im Frauenkampf

Ilham Omer ist als junges Mädchen verheiratet worden. Sie entschließt sich zum Kampf, wird immer wieder vom Regime verhaftet und gefoltert und gehört heute zu den führenden Kräften der Frauenfreiheitsbewegung in Rojava.

Ilham Omer (Diya Ciwan) ist eine der Frauen in Rojava, deren Leben durch den kurdischen Freiheitskampf tiefgreifend verändert wurde. Omer nimmt seit 34 Jahren an der politischen Arbeit teil und engagiert sich seit dem Beginn der Revolution vor elf Jahren in einem Frauenhaus in Qamişlo. Omer sagt zur Bedeutung des Freiheitskampfes für das Leben von Frauen: „Die Frauenidentität, die durch den Griff von Tradition und Brauch verschüttet worden war, wurde erneut ans Licht gebracht. Der Freiheitskampf bedeutete für uns, einen Hauch der Freiheit zu spüren. Ich war eine perspektivlose Frau, die im Kindesalter verheiratet worden war. Heute bin ich in der Position, für alle Frauen arbeiten zu können. Das habe ich Rêber Apo [Abdullah Öcalan], dem Freiheitskampf und unseren Gefallenen zu verdanken.“

Ilham Omer, Jahrgang 1969, musste mit ihrer Familie aus Nordkurdistan nach Rojava fliehen. Bereits in jungen Jahren verlor sie ihren Vater und wurde von der Mutter allein aufgezogen. Als sie 12 bis 13 Jahre alt war, wohnte die Familie Tür an Tür mit dem berühmten kurdischen Dichter Cegerxwîn. Omer berichtet, dass sie durch Cegerxwîn das erste Mal kurdischen Patriotismus kennenlernte: „Cegerxwîn und seine Frau waren beide schon alt. Unsere Türen lagen nebeneinander und wir teilten einen Garten. Ich bin immer wieder zu ihnen gegangen, um ihnen zu helfen. Er sprach von den kurdischen Aufständen. Auch wenn ich nicht alles verstand, so habe ich ihm dennoch zugehört. Ich begann so bereits als Kind, eine Liebe zu Kurdistan zu entwickeln. Ich habe von Cegerxwîn gelernt, was Newroz bedeutet.“

Beeindruckt von Bêrîvan“

1988 lernte Omer die kurdische Freiheitsbewegung kennen. Insbesondere Binevş Agal (Bêrîvan) hinterließ einen tiefen Eindruck bei ihr. Omer erzählt: „Meine Familie hat mich damals der Tradition entsprechend im Alter von 16 Jahren verheiratet. Darunter habe ich immer gelitten. Als ich Bêrîvan kennenlernte, war ich noch ein kleines Mädchen. Ich war gerade bei einer Freundin in meinem Alter. Dort habe ich sie gesehen. Sie erzählte, wie Kurdistan von seinen Feinden in vier Teile geteilt wurde, wie das die Frauen beeinflusste, wie die gesellschaftliche Rolle der Frau geschwächt wurde und wie Frauen Kinderehen eingehen mussten und zu Sklavinnen des Mannes wurden. Sie sagte, Frauen würden sich jetzt dem Kampf anschließen und in den Bergen kämpfen. Ich fand mich selbst in ihren Worten wieder. Ihre Worte bewegen mich sehr. Ich wollte mich nicht mehr von ihr trennen. Gerade zuvor hatte Cegerxwîn von Kurdistan und den Aufständen berichtet. Aber vielleicht, weil ich noch klein war, hatte ich es nicht so gut verstanden. Als ich von meiner Freundin wegging, lud ich Hevala Bêrîvan zu mir nach Hause ein. Ein paar Tage später kam meine Freundin und sagte mir, dass Bêrîvan zu uns kommen würde.“

Ihr Ehemann nimmt am Kampf teil

Omer weiter: „Wäre ich damals nicht verheiratet und Mutter gewesen, wäre ich auf jeden Fall in die Berge gegangen. Aber ich hatte ein Kind. Also beschloss ich, zuerst mit meinem Mann zu sprechen. Ich sagte meinem Mann: ‚Wir haben eine Tochter. Aber ich liebe die Idee der Apoisten, der PKK, und ich werde an ihren Arbeiten teilnehmen. Wenn du zustimmst, dann können wir weiter zusammenleben. Wenn du mich zu hindern versuchst, dann nimm unsere Tochter, sie soll bei dir bleiben. Deine Mutter passt dann auf sie auf. Ich werde dich verlassen und weggehen. Niemand kann mich an dieser Entscheidung hindern.‘ Mein Mann war patriotisch wie ich. Er unterstützte die PKK und ihre Ideen mit Leib und Seele. Er sagte mir: ‚Ich werde auch an den Arbeiten teilnehmen. Wir werden gemeinsam für unsere Heimat kämpfen.‘ Er wurde mir wirklich zu einer großen Unterstützung. Trotz des gesellschaftlichen Drucks wurde er zu einem Genossen und trug meine Last mit. Wir wurden zu einem Vorbild in unserer Umgebung. Wenn ich arbeitete, kümmerte sich mein Mann um die Kinder und den Haushalt.“

Omer sagt, sie habe Sorgen gehabt, dass die Familie ihres Mannes Probleme machen werde; sie habe aber ganz im Gegenteil große Unterstützung von ihrer Schwiegermutter, die selbst schlimmste Grausamkeiten vom türkischen Staat erfahren hatte, erhalten.

Kämpft und rächt uns“

Ilham Omer erzählt weiter: „Meine Familie war aus Nordkurdistan geflohen. Ich wurde in Qamişlo geboren. Der Vater meines Mannes stammt aus dem Stamm der Omeryan. Eine der Familien aus diesem Stamm arbeitet mit dem Staat. Ein anderer Teil, also die Familie von meinem Mann, hatte Probleme mit dem Staat. Der Vater meines Mannes versuchte, nach Rojava zu fliehen, um nicht für die Türkei Kriegsdienst leisten zu müssen. Er und viele Mitglieder meiner Schwiegerfamilie wurden von türkischen Soldaten getötet. Ihnen wurden die Köpfe abgeschnitten. Meiner Schwiegermutter und einigen Verwandten gelang die Flucht und sie kamen nach Qamişlo. Mein Mann und ich waren besorgt, als wir meiner Schwiegermutter sagten, dass wir uns dem Freiheitskampf anschließen und für Kurdistan arbeiten würden. Wir dachten, sie wären ein Hindernis, aber im Gegenteil, sie sagte: ‚Arbeitet und rächt euch am türkischen Staat für uns.‘ Das war für mich eine große Unterstützung. Meine Schwiegermutter war eine sehr große Unterstützung. Tatsächlich engagiere ich mich wie die gesamte Familie meines Mannes in der kurdischen Freiheitsbewegung.“

Das Vertrauen in die Frau entwickelt sich“

Trotz der Unterstützung der Familie waren das Misstrauen und die feudale Mentalität immer noch stark in der kurdischen Gesellschaft, aber mit dem Fortschreiten des Freiheitskampfes habe ein Wandel eingesetzt, sagt Omer: „Auch wenn es die Familie akzeptierte, gab es viel Gerede im Umfeld. Unsere Gesellschaft sah es als merkwürdig an, aber ich und andere Frauen bestanden darauf. Als dann die Nachricht kam, Bêrîvan sei gefallen, hat uns dies zutiefst bewegt. Es hat unsere Verbundenheit noch weiter verstärkt. Wir versprachen, unsere Arbeit noch stärker fortzusetzen.“

Schwere Folter durch das Baath-Regime

Zwischen 1989 und 1991 wurde Omer zweimal vom Baath-Regime inhaftiert. Sie erinnert sich: „Sie folterten mich auch, aber ich gab den Kampf in keiner Weise auf. Als ich zum ersten Mal verhaftet wurde, wirkte selbst die Folter nicht so heftig bei mir, weil die Freundinnen nicht in die Hände des Regimes geraten waren. 1989 musste ich zwei Freundinnen an einer bestimmten Stelle treffen. Als wir in Qamişlo in einen Bus gestiegen waren – ohne zu zeigen, dass wir zusammengehören –, sah ich Agenten des Geheimdienstes. Sie entdeckten uns, und als wir aus dem Bus stiegen, verfolgten sie uns. Wir flohen in die Seitenstraßen und sie verloren unsere Spur. Sie konnten die Freundinnen nicht erwischen, stürmten aber meine Wohnung und nahmen mich fest. Sie fragten, wer die Freundinnen gewesen seien, die mit mir unterwegs waren. Als ich sagte, ich wüsste es nicht, drehten sie völlig durch. Sie brachen mir in der Folter die Beine. Meine Familie konnte mich nach 23 Tagen gegen Geld herausholen.

Das zweite Mal geschah es, glaube ich, im Jahr 1991. Wir waren auf einer Demonstration. Sie hatten uns verfolgt. Sie nahmen mich mit. Ich blieb zehn Tage drin. Sie hatten auch andere mitgenommen. Sie wollten wissen, wer diese Personen seien. Ich kannte sie. Sie alle waren wie ich Frontarbeiterinnen. Ich sagte, ich würde sie nicht kennen. Ich wurde gefoltert. Meine Familie konnte mich schließlich wieder freikaufen.“

Analysen von Öcalan im Gedächtnis gespeichert“

Als Omer die Freiheitsbewegung kennenlernte, konnte sie weder lesen noch schreiben. Sie erzählt: „Ich hörte mir alle Kassetten an, die von Rêber Apo kamen. Jedes seiner Worte bewegte mich zutiefst. Damals konnte ich nicht lesen und schreiben, bald lernte ich aber so viel, dass es für die Arbeit in der Bewegung reichte. Ich habe folgende Methode entwickelt: Ich habe alle Worte, die Rêber Apo sagte, in meinem Gedächtnis Dutzende Male wiederholt und über sie nachgedacht. Ich habe sie wirklich alle auswendig gelernt.“

Maßnahmen gegen Repression

Omer ist in allen Bereichen der Volksarbeit aktiv gewesen und berichtet über ihre Arbeit: „So kam zum Beispiel die Zeitung Dengê Kurdistan heraus. Die habe ich dann verteilt. Damals waren alle Arbeiten klandestin. Das Regime übte massiven Druck aus. Das zeigte sich zum Beispiel an unseren Treffen. Da uns ständig die Verhaftung drohte, haben wir unsere Treffen an Orten mit schlammigen Straßen durchgeführt. Damals hatte sich die Stadt noch nicht so entwickelt. Wir pflegten zu sagen: ‚Wenn uns das Regime bemerkt, dann kommt es mit seinen Fahrzeugen nicht gegen diesen Schlamm an.‘ Die Kraft, um mit so vielen Schwierigkeiten fertig zu werden und Maßnahmen dagegen zu ergreifen, kam nicht nur aus uns selbst, sondern vor allem von Rêber Apo und unseren Gefallenen.“

Eine Vorreiterin der Frauenbewegung

Seit 1988 arbeitet Omer pausenlos für die Freiheitsbewegung. Sie war 2005 eines der ersten Mitglieder der damals in Rojava gegründeten Frauenbewegung Yekîtiya Star (später Kongreya Star) und mit der Revolution von Rojava Gründungsmitglied der am 8. März 2011 geschaffenen Frauenhäuser (Mala Jin). Omer arbeitet bis heute in der Frauenbewegung und ist mittlerweile Verantwortliche für alle Frauenhäuser in Cizîrê.