Bei der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind Hunderte Menschen ums Leben gekommen, nach wie vor gibt es zahlreiche Vermisste. Aktivistinnen des Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrums in Euskirchen zeigen Solidarität mit den Betroffenen im Hochwassergebiet. Donê Iskanê, die Ko-Vorsitzende des Zentrums, berichtet im ANF-Interview von den Aktivitäten.
Was haben Sie am ersten Tag des Hochwassers erlebt?
Wir haben uns vor allem um unsere Bekannten im Hochwassergebiet gesorgt und sind bei erster Gelegenheit zu ihnen gefahren. Als wir ankamen, sahen wir, dass sie mit Eimern das Wasser aus den Häusern schütteten. Beim Anblick der Häuser und Läden wussten wir nicht, was wir tun sollen. Wir wollten helfen, aber wussten nicht, wo wir anfangen sollen. Alles war zerstört und überall waren tote Menschen. Jeden Tag hörten wir von Bekannten, die ums Leben gekommen waren. Wir waren erschüttert und wollten unbedingt etwas tun.
Und was haben Sie getan?
In Euskirchen und Umgebung war der Strom ausgefallen und es gab kein Wasser. Es kamen von überall Menschen her, um zu helfen. Sie holten die unbrauchbar gewordenen Sachen aus den Häusern und Kellern, säuberten die Wohnungen vom Schlamm und bemühten sich, den Grundbedarf der Menschen zu decken. Als Frauen vom kurdischen Gesellschaftszentrum haben wir letzten Montag ein Zelt aufgestellt und selbstgemachte warme Mahlzeiten verteilt. Dabei haben wir gesehen, dass viele Menschen tagelang nichts Warmes gegessen und keinen heißen Kaffee getrunken haben. Sie waren sehr traurig und wir haben sehr emotionale Momente erlebt. Als wir gesehen haben, wie traumatisiert die Menschen sind, haben wir entschieden, mit dem Zelt weiterzumachen. Wir haben fünf Tage lang warme Mahlzeiten verteilt, an etwa 1000 bis 1500 Menschen, außerdem Tee, Kaffee und Wasser. Unser gesamter Rat hat sich an der Arbeit beteiligt, die Freunde haben uns unterstützt.
Wie waren die Reaktionen?
Es kamen sehr positive Reaktionen. Die Kreisverwaltung von Euskirchen hat sich bedankt und unsere Solidarität beispielhaft genannt. Auch die Betroffenen haben sich bedankt. Manche haben geweint. Eine Frau hatte ein großes Geschäft verloren, auch ihr Haus war beschädigt. Wir haben ihr Essen gebracht. Sie hat es genommen, mir in die Augen gesehen und gefragt, wer wir sind. Ich habe gesagt, dass wir Kurdinnen sind und Schmerz kennen und deshalb bei einer derartigen Katastrophe nicht einfach nur zusehen können. Sie hat mich umarmt und geweint.
Einmal kam eine alte Frau zum Zelt und sagte, dass sie seit Tagen beobachtet, wie wir unterschiedslos allen Menschen Essen und heiße Getränke anbieten. Sie fragte, wer wir sind. Wir sagten, dass wir Kurdinnen sind. Auch sie weinte. An einem anderen Tag kam ein kleines Mädchen mit ihrer Mutter zu unserem Zelt und schenkte uns ein selbstgemaltes Bild, auf dem „Danke“ stand. Das hat uns sehr berührt.
Haben außer Ihnen auch andere Kurd:innen Solidarität in Euskirchen gezeigt?
Ja, vom ersten Moment an. Auch kurdische Dönerläden wurden überflutet. Als das Wasser zurückgegangen ist, haben sie ihre Dönerstände auf der Straße aufgestellt und Essen verteilt. Wer dazu in der Lage war, hat in seinem Umfeld bei der Beseitigung der Trümmer geholfen. Außerdem hat Botan Göçmen, der Sohn einer Freundin von uns, die bei Heyva Sor arbeitet, gleich am zweiten Tag der Katastrophe einen Solidaritätsaufruf gestartet. Botan hat eine Boxschule und die Menschen haben Milch, Wasser, Decken, Schuhe, Hundefutter und ähnliche Bedarfsgüter dorthin gebracht. Botan und seine Schüler sind dann in die Dörfer gefahren und haben die Sachen von Haus zu Haus verteilt. Diese Solidarität setzen sie immer noch fort. Und die Freundinnen vom Frauenrat Viyan in Köln haben untereinander Geld gesammelt und 320 Euro an die Kreisverwaltung von Euskirchen gespendet.