Vor 27 Jahren, nachdem die kurdische Guerilla einen einseitigen Waffenstillstand als Angebot zur politischen Lösungssuche ausgerufen hatte und kurz danach in Deutschland das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft worden war, erließ der damalige Innenminister Manfred Kanther (CDU) auf Zuruf der Türkei ein Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Damit wurde die Grundlage geschaffen für die umfassende Kriminalisierung einer ausländischen politischen Bewegung und ihrer Mitglieder sowie Sympathisantinnen und Sympathisanten in der Bundesrepublik Deutschland.
Dem kurdischen Widerstand wurde nicht nur eine legitime politische Dimension abgesprochen, mit Hilfe des Straf-, Polizei- und Verwaltungsrechts setzte eine flächendeckende tiefgreifende Repression gegen die kurdische Bewegung, ihre Institutionen und ihre Anhänger*innen ein, die bis heute anhält. Wie in der Türkei wurden und werden Kurdinnen und Kurden als „Terroristen“ stigmatisiert und verfolgt. Durch diese Vorgehensweise sollen alle Wege zu einem politischen Dialog versperrt, die Gesellschaft gespalten und die Solidarität mit der kurdischen Bewegung diskreditiert werden.
Mit Repression und der Beschränkung von Grundrechten in Deutschland lebender Menschen aufgrund ihrer Forderungen nach Demokratisierung, Einhaltung von Menschenrechten und Lösung der kurdischen Frage lassen sich keine politischen Probleme lösen. Vor diesem Hintergrund findet am kommenden Samstag ein dezentraler Aktionstag mit der Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots statt. Die Initiative trägt das Motto „Unsere Utopie gegen ihre Repression“ des gleichnamigen Zusammenschlusses. Dahinter steht die Idee gemeinsamer Kämpfe für eine antirassistische, antikapitalistische, feministische, ökologische und demokratische Gesellschaft.
Dezentrale feministische Aktionen am 21. November in Köln und überall
Auch der Verband der Frauen aus Kurdistan in Deutschland (YJK-E), die Kampagnen „Women Defend Rojava“ und „Gemeinsam Kämpfen für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“, F*Streik Köln, das Aktionsbündnis Flint*-Antikapitalist*innen (ABFAK) und „Denk radikal feministisch“ gehören zu den Unterstützer*innen von „Unsere Utopie gegen ihre Repression“. In einer gemeinsamen Erklärung rufen sie zur Teilnahme an dem Aktionstag und zu dezentralen feministischen Aktionen auf, „in Köln und überall“:
Drei Jahre nach der Wende, in einer Zeit, in der Nicht-Deutsche massiv verfolgt und ermordet wurden, der sogenannte Westen seine vermeintlichen Werte der DDR überstülpte, deutsche Panzer in der Türkei Kurd*innen ermordeten, gingen in Deutschland 100.000 Menschen für eine friedliche Lösung der „Kurdenfrage“ auf die Straße. In diesem Jahr, 1993, bestärkten die deutschen Behörden mit einer Entscheidung einmal wieder ihre rassistische Politik und ihren patriarchalen Bund mit dem türkischen Staat. Am 26. November 1993 erwirkte das Bundesinnenministerium das sogenannte PKK-Verbot, durch das von nun an auch kurdische Aktivist*innen in Deutschland verfolgt werden konnten.
Mit dem Verbot zahlreicher kurdischer Organisationen und Symbole wurde eine demokratische Organisierung für die Lösung der kurdischen Frage und die Vermittlung der Ziele des kurdischen Frauenbefreiungskampfes massiv erschwert. Jegliches Einstehen für das Selbstbestimmungsrecht der Kurd*innen kann seitdem kriminalisiert werden.
Staatliche Antipropaganda versperrt Blick auf PKK-Philosophie
Lange Zeit wurde die öffentliche Wahrnehmung der PKK von staatlich gelenkter Antipropaganda geprägt. Es wurde das Bild einer gewalttätigen, feudalen, terroristischen Organisation geschaffen - viele von uns sind mit diesem Bild aufgewachsen. Bis heute versperren diese Bilder den Blick auf eine Bewegung, die sich mit unerschütterlicher Hingabe, einer tiefgreifenden Philosophie und historischen Analyse, demokratischen Methoden und einem unbändigen Lebenswillen der Befreiung der Frauen verschrieben hat.
Die PKK-Bewegung hat kontinuierlich Frauen ausgebildet und ermutigt, Verantwortung in allen Bereichen der Gesellschaft zu übernehmen. Mit dem Prinzip des Ko-Vorsitzes verbunden mit einer autonomen Frauenorganisierung, mit Frauenräten, Frauenkooperativen und der Jineolojî (Wissenschaft der Frau und des freien Lebens) wurden grundlegende Elemente für die Entwicklung hin zu einer wirklich befreiten Gesellschaft aller geschaffen. Diese stellen durch ihre ökologische und basisdemokratische Ausrichtung eine reale Alternative zum kapitalistischen Patriarchat dar und sind nicht nur für ihre Ursprungsregion modellhaft.
Die PKK verkörpert für uns die Utopie von einer geschlechterbefreiten, demokratischen, ökologischen und vielfältigen Gesellschaft. Die PKK und die Idee des demokratischen Konföderalismus stehen für einen radikalen Frauenbefreiungskampf, der unzählige Heldinnen hervorgebracht hat.
PKK steht für Verbindung des Kampfes gegen Kolonialismus und Patriarchat
Mit den Feststellungen „Kurdistan ist eine Kolonie!“ und „Die Frau war die erste Kolonie!“ stehen die PKK und ihr Begründer Abdullah Öcalan für die Verbindung des Kampfes gegen Kolonialismus und Patriarchat. Dass „eine Gesellschaft nur dann frei ist, wenn die Frauen darin frei sind“, ist bei der PKK fest verankerte Praxis. Und genau das ist auch der Grund, warum sie von den Nationalstaaten, die den Status quo erhalten wollen, bekämpft wird.
Zuletzt wurde mit der Frauenrevolution in Rojava ein blühendes Beispiel der gelebten Utopie der kurdischen Frauenbewegung geschaffen und diese in einem aufopferungsvollen Kampf gegen dschihadistische Terrorgruppen verteidigt. Rojava schafft die Gewissheit, dass eine andere Welt möglich ist, wenn wir dafür einstehen. Diese Hoffnung sät sich in alle freiheitsuchenden Herzen aus und ermutigt uns weiter zu kämpfen.
Währenddessen versucht der deutsche Staat weiterhin erfolglos mit seiner stumpfen Repressionspolitik den Kampf für ein freies Kurdistan und ein ökologisches, demokratisches und geschlechterbefreites Leben dort und auch hier zu unterdrücken.
Gerade jetzt, in dieser krisenhaften Zeit mit ihren Möglichkeiten, aber auch Gefahren, sagen wir als Feminist*innen: PKK?! Na klar!!!
Der Verwirklichung unserer feministischen Utopie viele Denkmäler bauen
Aufgrund der aktuellen Lage der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Absage der bundesweiten Demonstration rufen wir am 21. November 2020 alle Feminist*innen zu kreativen dezentralen Aktionen in Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf und den Freundinnen der PKK auf. Lasst uns alle mit unserer vielfältigen Schönheit kämpferisch und kreativ sein! Lasst uns am 21. November das Stadtbild verändern und gemeinsam für die Aufhebung des PKK-Verbots kämpfen, lasst uns der Verwirklichung unserer feministischen Utopie viele Denkmäler bauen! Jin Jiyan Azadî!