Vor knapp einem Jahr initiierte Medya Xanim in ihrer Kolumne bei der kurdischen Zeitung „Ronahî” die Kampagne Ez bisiklêtê dixwazim (dt. „Ich will ein Fahrrad“). Damit gab die Journalistin den Impuls für das erste Radsportteam für Frauen und Mädchen in Qamişlo. Mittlerweile besteht das Team aus zwölf begeisterten Radsportlerinnen im Alter zwischen neun und 22 Jahren, die mehrmals pro Woche eifrig im Stadion „Stada Şehîdên 12‘ê Adarê“ trainieren, um sich auf künftige Radsportveranstaltungen vorzubereiten. Medya Xanim ist nicht nur die Gründerin des Teams, sondern auch die Trainierin. Auch in Kobanê gibt es inzwischen ein Radsportteam.
„Das wesentliche Ziel dieser Kampagne ist es, nicht nur in Rojava, sondern in allen Städten im Autonomiegebiet von Nord-und Ostsyrien das Fahrradfahren für Frauen in der Öffentlichkeit möglich zu machen und damit ein gesellschaftliches Tabu zu brechen”, sagt Medya Xanim. In islamisch geprägten Ländern wie Syrien oder dem Irak ist Radfahren für Frauen tabu. Frauen auf dem Rad gehören nicht zum öffentlichen Bild, der Druck kommt von der teils noch patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Vor allem in den ländlichen Regionen, wo die traditionellen Strukturen noch sehr dominant sind.
So verwunderte es nicht, dass auf den Tabubruch von Medya Xanim Anfeindungen und andere negative Erfahrungen folgten. Als junges Mädchen wurde ihre Begeisterung für das Fahrradfahren in ihrem familiären Umfeld noch akzeptiert, aber das änderte sich mit dem Älterwerden. Für viele Frauen gilt Fahrradfahren in der Öffentlichkeit immer noch als „Schande”.
Immer mehr Frauen und Mädchen wollen ins Team, aber in Rojava gibt es zu wenig Fahrräder, sagt Medya Xanim
Kämpfen gegen die Mentalität der Gesellschaft
Medya Xanim ist ihrer Leidenschaft treu geblieben und hat sich nicht einschüchtern lassen. Jeden Tag fährt sie mit dem Rad durch die Straßen von Qamişlo zur Arbeit. Anfangs wurde sie häufig beleidigt und mit negativen Vorurteilen konfrontiert. Autofahrer versuchten sie sogar am Weiterfahren zu hindern. Aber inzwischen haben sich die Menschen in der multiethnischen Großstadt an die fahrradfahrende junge Frau gewöhnt, die Anfeindungen werden immer seltener.
„Fahrradfahren soll überall in Nord- und Ostsyrien für Frauen möglich werden, egal welchen Alters. Und das heißt kämpfen gegen die Mentalität der Gesellschaft”, sagt Medya Xanim. Vor allem in den arabischen Gebieten stoßen solche Initiativen auf großen Widerstand. Die Nachwirkungen der IS-Herrschaft sind spürbar.
Daher sei es besonders wichtig, wie etwa bei dem von der Kampagne Ez bisiklêtê dixwazim organisierten Fahrradmarathon in Amûdê vor einem Jahr öffentlich aufzutreten. Vor einer Woche hat das Team auch am Sport- und Jugendfestival der nordostsyrischen Jugendbewegung in Qamişlo teilgenommen. Und es gibt Pläne für die nahe Zukunft: Ein Fahrradmarathon in der Stadt Dêrika Hemko und Fahrradkurse für Frauen.
Zu wenig Fahrräder in Rojava
„Der Fahrradsport soll nicht nur für Frauen und Mädchen selbstverständlich werden, er soll in der gesamten Region als Sportart für alle etabliert werden”, wünscht sich Medya Xanim. „Der erste Schritt in Qamişlo war sehr erfolgreich. Die Bevölkerung spricht positiv über das Team der fahrradfahrenden Frauen. Immer mehr Frauen wollen Teil des Teams werden. Doch leider gibt es nicht genügend Fahrräder. Aber die Frauen hoffen auf die Unterstützung der Sportvereinigung der Stadt.”
Die Freiheit, Fahrrad zu fahren, hat die erste Hürde genommen.