Die kurdische Freiheitsbewegung ist in jeder Beziehung revolutionär. Sie geht das System der kapitalistischen Moderne mit einem antipatriarchalen Paradigma an und baut darauf den Kampf gegen Herrschaft, Staat, Kapital und Nation auf. Die Familie ist für das auf Herrschaft und Ausbeutung basierende System zur Quelle der eigenen Reproduktion geworden. Das vorherrschende Konzept der Liebe ist der Kitt, mit dem dieses System knallharter Ausbeutung zum angeblich erstrebenswerten Ziel gemacht wird. Die Frage von Liebe, Beziehung und Freundschaft zu analysieren und Konsequenzen daraus zu ziehen, spielt daher für jede emanzipatorische Bewegung eine wichtige Rolle. Im Interview mit der Journalistin Arjîn Baysal vom Fernsehsender Jin TV beschäftigt sich Besê Erzincan aus der Koordination der KJK (Gemeinschaft der Frauen Kurdistans) mit diesen Fragen aus der Perspektive der kurdischen Frauenfreiheitsbewegung.
Alles hat Wurzeln in der Geschichte. Beginnen wir also mit den historischen Grundlagen. Wie sehen Sie die historische Entwicklung der Beziehung von Liebe und Familie?
Die Familienfrage ist sowohl für die Frauen als auch für die Gesellschaft ein bedeutendes Thema. Es ist wichtig, sie historisch zu betrachten und zu verstehen, wie das heutige System funktioniert und wie es aufgebaut wurde. In der Geschichte wurden Familien von Müttern als ihr Oberhaupt geführt. Die Rolle der Männer war weniger bedeutend als die der Frauen. Sowohl in Bezug auf die Fortpflanzung als auch in wirtschaftlicher Hinsicht, aber auch in anderen Fragen übernahmen Frauen die Führungsrolle im Leben, und sie wurden als heilig angesehen. Diese Grundlage brachte die Zeit der Göttinnen hervor. Nicht alles, was Mythologie ist, ist einfach nur erfunden. Der Mensch kann in vielen Formen der Mythologie Wahrheit finden und diese interpretieren. Später änderte sich die Situation der Frau. Die Männer wurden sich ihrer Position bewusst, sie kamen zusammen, wenn sie auf die Jagd gingen und dort lernten sie Grausamkeit und Gewalt kennen. Die Taktiken, die sie bei der Jagd auf Tiere lernten, wirkten sich auch auf die Situation der Frauen und die Gesellschaft aus. Heute sagen wir, dass die Kernfamilie das Pendant zum Staat ist. Aber natürlich hat diese Form der Familie eine Geschichte von fünftausend Jahren. Diese Struktur hat sich jedoch in den letzten zweihundert Jahren verschärft. In dieser Zeitspanne hat sich eine Familienstruktur entwickelt, in der der Mann an der Spitze steht und sich am Staat orientiert. Früher waren die Familien freier, nicht so abhängig vom System und vom Staat. Vielleicht verhielten sie sich mehr im Einklang mit der Kultur und Tradition der Gesellschaft. Es gab einen allmählichen Wandel in den Clans und Stämmen.
Im Mittelalter hat sich vor allem das dynastische Denken entwickelt. Was ist eine Dynastie? Je mehr Kinder eine Frau hatte, je mehr sie für einen Mann arbeitete, desto mehr stieg ihr Wert. Männer heirateten viele Male und setzten ihr Erbe über Generationen fort. Das war in der Jungsteinzeit nicht der Fall. Damals wurden viele Fortschritte für die Menschheit gemacht. Diese Entwicklung beruhte auf der Intelligenz und der Kraft der Frauen und reichte von der Schrift bis zum Ackerbau, der Viehzucht und darüber hinaus. Viele Entwicklungen entstanden in der Jungsteinzeit. Als jedoch vor 2000 Jahren die Macht der Männer zunahm, nahm die Rolle der Frauen ab und die Form der Familie veränderte sich. Frauen hatten nun weniger zu sagen. Alles war das Eigentum des Mannes. Frauen, Kinder, Land - alles gehörte dem Mann. Die Präsenz der Frau im Leben nahm ab. Der Mann stahl alles und gab es als sein Eigentum aus. Wenn wir uns die dynastische Ideologie ansehen, dann stehen die Frauen außerhalb des Lebens. Frauen wurden als Gebärmaschinen betrachtet. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nie Widerstand und Kampf der Frauen gegeben hätte. Frauen haben sich immer auf unterschiedliche Weise gewehrt. Sie haben sich erhoben, um ihrer Identität Ausdruck zu verleihen. Wenn diese Frauen nicht für sich selbst aufgestanden wären, wären wir heute nicht hier. Wenn wir heute hier stehen, hat der Widerstand der Frauen, der seit Tausenden von Jahren andauert, einen Anteil daran.
Das patriarchale System versucht die Geschichte nach seinen Vorstellungen zu schreiben und der Menschheit so die eigene Macht zu präsentieren. Wenn wir uns die Mythologie anschauen, sehen wir einen permanenten Kampf zwischen Männern und Frauen. So ist es auch in der Philosophie und der Religion. Es gibt eine Menge Frauenarbeit. Schließlich gäbe es ohne die Arbeit der Frauen keine Menschheit. Aber Philosophie, Religion und Wissenschaft wurden geschaffen, um Frauen zu versklaven. Schauen Sie sich die Geschichte von Adam und Eva an; Frauen werden als schlecht dargestellt. Es wird suggeriert, dass Frauen die Menschheit und insbesondere die Männer in die Irre führten, dass sie Verbrecherinnen seien und marginalisiert werden sollten. Wir können in dieser Geschichte vieles entdecken. Wie eine Frau versklavt wird, wie die Gesellschaft in zwei Hälften geteilt wird, wie Männer als Rechtsquelle definiert werden, all das ist in dieser Geschichte versteckt. Schaut man sich die Geschichten über Maria, Aisha und Sarah an, dann können alle sehen, wie Frauen leiden und unterdrückt werden.
Auch in der Wissenschaft ist das so. So hat die Wissenschaft zum Beispiel viele Fortschritte gemacht, aber ist nicht in der Lage, die Frauengeschichte zu beschreiben. Es wird einfach nicht gemacht. Denn die kapitalistische Moderne basierte schon immer auf der Versklavung der Frauen. Wenn wir zu den Nationalstaaten kommen, sehen wir, dass die Familie jetzt vollständig unter der Kontrolle des Staates steht. Alles liegt in den Händen des Mannes. Auch die Familie ist nach dem Prinzip der männlichen Vorherrschaft aufgebaut. Die Familie ist die wichtigste Grundlage für Hierarchie und Autorität. Die Dynastie ist auch im Nahen Osten sehr wichtig. Viele Menschen an der Macht denken und funktionieren dynastisch. In vielen arabischen Staaten wird die Macht über eine Familie ausgeübt. Die Familien Bedîrxan, Talabanî und Barzanî sind Beispiele für die Struktur. Erdoğan versucht das Gleiche zu tun. Ein Mann wird alles tun, um eine Familie zu gründen. Denn die gesamte Energie und Intelligenz einer Frau ist in der Familie gebunden. Sie bekommt Kinder, zieht sie auf und lebt ein beengtes Leben bei sich zu Hause. Selbst wenn sie rausgeht, lebt sie immer noch nach der Ideologie der Familie, weil ihr Wissen und Organisierung fehlen. Im Nationalstaat spielt die Familie eine besonders üble Rolle. Er versklavt die Frau und kontrolliert sogar den Mann, indem er ihn zum sogenannten Oberhaupt des Haushalts macht. Es gibt keine Zukunft für die Kinder, niemand nimmt ihre Bedürfnisse wahr. Kinder wachsen in den Familien nicht gut auf. Jede Familie wird als Instrument der Macht benutzt.
Abdullah Öcalan bezeichnet die Familie als Hindernis für die Freiheit. Können Sie das etwas erklären? Hält die Familie die Frau von der Freiheit fern?
Wir betrachten das Konzept der Familie anders. In Kurdistan liegt nicht alles in unseren Händen. Als Volk werden unsere Sprache und Identität missachtet. Wir stehen seit Hunderten von Jahren unter Besatzung, daher ist die Situation des kurdischen Volkes eine andere, sogar noch schlimmer. Wenn Rêber Apo die Familie definiert, so sagt er auch, dass Männer und Frauen nicht nur für die Familie, sondern auch für die Freiheit der Gesellschaft kämpfen sollten. Sie sollten an ihr Land denken. Rêber Apo bezeichnete die Familie als „kurzes Ziel“. Das kurdische Volk muss aber für sein Ziel groß denken. Was ist das große Ziel? Es ist die Freiheit der Frauen und der Heimat. Denn wenn man diese Freiheit hat, kann man ein noch stärkeres Leben führen. Und was haben die Besatzer getan? Sie wollten immer, dass das kurdische Volk versklavt wird.
Sie wollten es physisch wie mental okkupieren. Deswegen wurde der Familienzwang auch von außen auferlegt. Dabei handelt es sich um eine sehr schmutzige Politik, die sich vor allem gegen das kurdische Volk richtet. Diese Situation hat sich mit unserem Kampf aber etwas geändert. Es wurde eine sehr gute Kritik entwickelt und es wurde auch diskutiert, wie eine demokratische Familie aussehen könnte. Es wurde diskutiert, wie man Ehefrauen, Mütter und Kinder verändern kann. In Kurdistan sind Fortschritte in dieser Hinsicht gemacht worden, aber der Einfluss des Systems bleibt groß. Die Eltern sagen oft, dass die Kinder erwachsen werden und für sich selbst arbeiten sollen, dass sie nicht zu viel über Kurdistan nachdenken sollen, usw. Dagegen muss entschieden vorgegangen werden. Sowohl Mütter als auch Väter müssen sich mehr für Kurdistan einsetzen und sich dem Kampf anschließen.
Männer und Frauen werden vom System durch das Konzept der „wahren und schönen Liebe“ betrogen. Kunst, Literatur und Medien dienen dazu. Ist denn in diesem System „wahre Liebe“ überhaupt möglich?
Im Leben gibt es Männer und Frauen. Natürlich wird es Beziehungen, Freundschaften zwischen ihnen geben. Wir müssen uns nur die Situation in Kurdistan und die Situation im Allgemeinen ansehen. In der Vergangenheit basierten die Beziehungen zwischen Männern und Frauen eher auf Liebe, Respekt und Zusammenarbeit. Aber jetzt hat sich das geändert, wir müssen auch über diese Dinge sprechen. Alle sprechen von „Liebe“. Ist es wirklich Liebe? Wir beobachten die Situation von Männern und Frauen, ihren Umgang miteinander, und wir sehen, dass es in diesem Punkt einen großen Betrug gibt. Das ist Ausdruck des Spezialkriegs des Systems. Dieser Spezialkrieg wird in Kurdistan auf schmutzige und brutale Weise geführt und basiert auf Täuschung und Lügen. Wenn man den Frauen alles wegnimmt, sie zu Hause einsperrt, sie draußen unter ständiger Kontrolle hält, ihnen nicht erlaubt, selbstbestimmt zu sein, wenn man keine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zulässt, wie können wir dann von Liebe sprechen? Auf welcher Grundlage beruht denn die Liebe? Wie kann man von einer gesunden Beziehung sprechen, wenn der Mann immer entscheidet, macht, was er will und den Willen der Frau nicht berücksichtigt?
Schaut man sich Kurdistan an, dann muss man das auf eine ganz andere Weise bewerten. Als unser Kampf wuchs, gewannen die kurdischen Frauen an Willenskraft und Stärke, und deshalb wurde ein sehr schmutziger und massiver Angriff auf die kurdischen Frauen verübt. Die kurdischen Frauen haben ein sehr starkes Potential für die Freiheit. Als unser Kampf wuchs, wurden viele unserer gefallenen Kämpferinnen geboren. Die Ideologie von Rêber Apo war eine wichtige Priorität für die Frauen; die Frauen organisierten sich, spielten ihre Rolle in der Armee, in den Aufständen und in der Politik. Im herrschenden System brach große Angst aus. Es will, dass die Gesellschaft in einem korrumpierten Zustand verharrt. Wenn sich der Zustand der Gesellschaft verschlechtert, können sich die Frauen nicht am Kampf für die Freiheit beteiligen. Wenn die Frauen gebrochen werden, bricht auch die Gesellschaft. Man will die Gesellschaft über die Frauen angreifen. Der Spezialkrieg richtet sich vor allem gegen junge Frauen. Die Energie der Frauen und der Jugend sollen zerstört, ihr Potenzial für Freiheit, Kampf, Widerstand und alternatives Leben vernichtet werden. Man geht mit Soldaten, Polizisten und Spezialeinheiten in die Dörfer Kurdistans und tut dort die schlimmsten Dinge.
Wenn die Gesellschaft ihre Stimme nicht erhebt, kommt es zum sozialen Niedergang. Wenn eine Spezialeinheit in ein Dorf kommt und ein Mädchen vergewaltigt, dann ist es das Allerschlimmste, wenn die Menschen im Dorf nichts dagegen sagen oder reagieren. Das zerstört ihre Persönlichkeiten, entwürdigt sie selbst. Wie sollte sich dieses Dorf dann dem Kampf anschließen? Wenn die Menschen vor lauter Angst ihre Stimme für ein Mädchen nicht erheben können, wie sollen sie dann kämpfen? Es gibt noch eine weitere Situation: Kurdische Mädchen werden unter dem Vorwand der Liebe betrogen. Wie kann sich ein Mensch in seinen Feind verlieben? Es gibt hier ein sehr ernstes Problem, was das Wissen betrifft. Wie kann der Feind so einfach auf den Straßen Kurdistans herumlaufen, als ob nichts wäre? Das, was in diesem Zusammenhang unter dem Vorwand von Liebe oder Beziehung passiert, ist Teil des Spezialkriegs. In einem solchen System gibt es keine echte Liebe. Wenn die Frauen sich nicht bilden, wenn sie nicht für ihre eigene Freiheit und die Freiheit Kurdistans kämpfen, können sie nicht wahrhaftig leben. Wenn eine Frau sagt, dass sie diesen Mann liebe, dann betrügt sie sich selbst.
Im patriarchalen System hat die Ideologie des Liberalismus Sexualität und Triebe stärker in den Vordergrund gerückt als die Liebe. Man nennt Triebe Liebe und Liebe Trieb. Auch unsere Definitionen von Liebe haben sich verändert.
Wenn die Liebe nicht auf einer Idee beruht, hat sie auch keine sexuelle Bedeutung. Aber im System ist es genau umgekehrt. Meistens sind beide Geschlechter nicht einer Meinung, sie kennen sich nicht, die Personen, die zusammenkommen, kennen sich nicht, sie kennen die Ziele des anderen nicht, sie denken nicht darüber nach, ob sie Patrioten sind oder nicht. Sobald sie sich sehen, interessieren sie sich füreinander und gehen eine Beziehung ein. Auf welcher Grundlage werden Männer in der Gesellschaft erzogen, und auf welcher Grundlage werden es Frauen? Männer lernen schlechte Dinge aus Fernsehserien, aus Pornos oder indem sie üble Orte aufsuchen. Sie verinnerlichen die Vergewaltigungskultur. Die meisten Männer erkennen nicht einmal den Unterschied und sagen, das sei Liebe. Das System lehrt nichts Richtiges. Viele Männer und Frauen heiraten. Sie sagen, das sei dann eine Beziehung. Zuallererst müssen sich Männer und Frauen in Bezug auf Ideen, Kampf und Patriotismus einig sein.
Viele Menschen kommunizieren nicht auf diese Weise. Was sind ihre Maßstäbe? Sie schauen auf das Aussehen, sie schauen auf das Geld. Das ist alles falsch. In diesem System basieren sexuelle Beziehungen auf Vergewaltigung. Das System will den Willen der Frauen auf jede Weise brechen. Die Geschlechterbeziehungen sind zu einer Frage der Macht geworden. Meistens gehen Männer auf diese Weise vor. Je mehr der Mann eine Frau bedrohen und vergewaltigen kann, desto größer fühlt er sich selbst. Darunter leiden sowohl Männer als auch Frauen. Auch der Mann leidet darunter, weil er seine Persönlichkeit verliert. So funktioniert Diktatur. Fernsehserien lehren das. Wie man eifersüchtig sein kann, wie man böse sein kann, wie Männer und Frauen sich gegeneinander verschwören - Fernsehserien schaffen ein solches Beziehungsmodell. In den Serien tun Frauen immer schlechte Dinge, verschwören sich, lügen; Männer vergewaltigen und schlagen Frauen, Frauen hassen Frauen. Aber wir müssen das mit einem kritischen Auge sehen und dürfen sie nicht unbesehen akzeptieren. Dies ist das Programm des Systems. Das System unternimmt einen großen Angriff auf die Gesellschaft durch Kunst, Kino, Bildung, Kommunikation und Fernsehen.
Das System will eine solche Art von Familie, damit es sie kontrollieren kann, damit Männer eine Gruppe bilden, damit die Armen ärmer und die Reichen reicher werden. Wenn man darauf achtet, so spricht Erdoğan permanent über die Familie. Er erklärt, wie eine Familie sein sollte, wie eine Frau sein sollte. Dass eine Frau mindestens drei Kinder gebären müsse. Das sagt er nicht einfach so, das ist ein ideologischer Ansatz. Wenn Frauen Sklavinnen sind, dann kann die ganze Gesellschaft kontrolliert werden. Heute sind es die Frauen, die in Kurdistan die meisten Stimmen abgeben. Warum gab es den Austritt aus der Istanbul-Konvention? Der Austritt erfolgte genau darum. Warum wurden die Frauenorganisationen aufgelöst? Weil man die Freiheit der Frauen einschränken will. Aus diesem Grund wird eine korrumpierte Form der Liebe, die auf der Vergewaltigungskultur basiert, propagiert.
Laut Statistik werden die meisten Femizide von den Ehemännern der Ermordeten begangen. Dieser Punkt zeigt die Widersprüchlichkeit. Auf der einen Seite wird propagiert, dass der Mann liebe, auf der anderen Seite wird er zum Mörder.
Das ist das Interessanteste: Das System schafft eine bestimmte Geisteshaltung. Wenn man diesem Konzept folgt, dann befindet sich der Mann in der Position zu sagen: „Ich bin ein Mann, ich muss alles entscheiden. Die Frau gehört mir. Sie hat keine Freiheit. Sie ist mein Haus, mein Eigentum.“ Nach Ansicht des Mannes gehört die Liebe genauso dem Mann, wie die Frau zum Mann. So sieht es auch die Frau oft. Doch im Laufe der Zeit lernen sich die Menschen einander kennen, die Frauen akzeptieren einige Dinge nicht mehr und der Mann ermordet sie dann.
Untersuchungen haben ergeben, dass die häufigsten Täter bei Femiziden die Ehemänner sind. Die Ehe ist wie ein Handel. Sie ist eine Kette der Sklaverei. Frauen sollten sehr vorsichtig sein. Sie sollten nicht nur nach ihren Gefühlen, sondern auch nach ihrer Logik handeln. Man kann an den Männern sehen, wie tief die Korruption durch das System reicht.
Aber was ist denn die Alternative? Rêber Apo hat gesagt: „Ich sage nicht, dass die Institution der Familie vollkommen ausgelöscht werden soll, aber sie kann verändert werden.“
Die Frauen müssen sehr stark sein. Am 25. November protestierten früher nur Frauen gegen patriarchale Gewalt. Aber als der Kampf der Frauen stärker wurde, schlossen sich auch viele Männer diesen Märschen an. Männer marschierten in Rojava, Aleppo, Kobanê, Cizîr. Was zeigt das? Wenn die Frauen stark sind und sich organisieren, können sie auch die Männer verändern. Der aktuelle Mann sollte niemals akzeptiert werden. Sowohl Männer als auch Frauen müssen sich ändern. Sie sollten in der Lage sein, darüber zu diskutieren, ob sie eine Beziehung auf der Grundlage von Patriotismus und Freiheit aufbauen wollen oder nicht.
Die Schaffung einer Alternative erfordert Kampf, Krieg und Wissen. Viele Menschen sagen, dass sie in einer freien Beziehung leben, aber wenn sie dann zusammenkommen, haben sie nach sehr kurzer Zeit eine systemische Beziehung. Nichts ist also einfach. Man muss es gut durchdenken. Nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen sollten sich selbst hinterfragen. Denn die Kultur der Sklaverei ist tief in den Frauen verwurzelt. Rêber Apo sprach über das Leben in freier Partnerschaft. Er hat das als neues Modell entwickelt. Natürlich ist auch das sehr schwierig. Aber dieses Modell befindet sich außerhalb des Systems, es ist gegen den Staat gerichtet. Es erfordert einen großen Kampf und eine neue Persönlichkeit. Gerade die offizielle Ehe ist sehr gefährlich, aber sie muss diskutiert werden. Wir kritisieren oft das Bestehende, diskutieren aber selten über Alternativen.
Wenn man nicht darüber spricht, dann bedeutet das, dass man sich selbst dazu verurteilt, die Vergangenheit oder Gegenwart zu leben. Ob es einem gefällt oder nicht, Männer und Frauen sind auf der Suche nach Beziehungen. Niemand kann sagen, dass die gesamte Gesellschaft keine Beziehungen haben sollte. Man sollte also die bestehende Form der Beziehung weder leugnen noch akzeptieren. Das erfordert auch einen harten Kampf gegen den Feind. Unser Land befindet sich unter Besatzung. Wenn man nicht die richtige Einstellung gegenüber den Besatzern hat, kann man keine wahre Liebe erfahren. Man muss gegen die Mentalität des Staates und der Herrschaft kämpfen. Wenn man nicht kämpft, kann keine echte Freundschaft, keine echte Beziehung entstehen.
Foto: Frauendorf Jinwar