Dachverband des Êzîdischen Frauenrats fordert Ende der Gewalt

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen fordert der Dachverband des Êzîdischen Frauenrats die sofortige Beendigung des Genozids und Feminizids in Şengal, ganz Kurdistan und weltweit.

Der Dachverband des Êzîdischen Frauenrats e.V. erinnert in seiner Erklärung zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen insbesondere an die Opfer des noch andauernden 73. Genozid und Feminizid in der Region Şengal durch den IS. Schätzungsweise 7.000 Mädchen* und Frauen* sind verschleppt worden, die sich noch immer in den Fängen des sog. IS und ihrer Verbündeten befinden, betont der Frauenrat und fordert ihre Freilassung sowie die strafrechtliche Verfolgung der Täter, Anstifter, Beihelfer und Unterstützer des Genozids/Feminizids, national und international, insbesondere die Verfolgung der Staaten, die darin verwickelt sind. In der Erklärung des Dachverbandes des Êzîdischen Frauenrats heißt es weiter:

„Zum diesjährigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen gedenken wir mit großem Respekt den Frauen*, die weltweit von physischer und psychischer Gewalt betroffen sowie Opfer systematischer Ausbeutung sind – sei es in Form von Reproduktionsarbeit oder auf dem Arbeitsmarkt. Als êzîdische Frauenbewegung gedenken wir insbesondere den Opfern des noch andauernden 73. Genozids und Feminizids an den Êzîd*innen vom 3. August 2014 in der Şengal-Region (Südkurdistan / Nordirak) durch den sog. Islamischen Staat, kurz ‚IS‘ und seine Verbündeten. Wir möchten an die verschleppten Frauen* und Kinder erinnern, von denen noch immer jegliche Spur fehlt. Gleichzeitig begrüßen wir den tapferen und historischen Widerstand der Frauenverteidigungseinheiten YJŞ und solidarisieren uns mit dem Befreiungskampf um die verschleppten Frauen* und Kinder! Auch wir werden uns weiterhin für ihre Freiheit einsetzen. Denn die Freiheit der Frauen* und Kinder in Şengal symbolisiert die Freiheit der Menschlichkeit!

Bisher konnte das gesamte Ausmaß des Genozids und Feminizids vom 3. August 2014 an den Êzîd*innen in Şengal noch nicht vollständig untersucht werden. Zum einen wurden große Teile Şengals und die umliegenden Dörfer zerstört und zum anderen ist die Umgebung noch voller Mienen. Schätzungsweise 7.000 Mädchen* und Frauen* wurden verschleppt und sind noch immer in den Fängen des sog. IS und ihrer Verbündeten. Sie werden als Kriegsbeute auf extra dafür eingerichteten Sklavenmärkten als Sexsklavinnen verkauft. Die Käufer sind Kämpfer des „IS“, aber vor allem saudische und europäische Geschäftsmänner, die die misogyne Ideologie des ‚IS‘ teilen. Frauen* werden lediglich als Lustobjekte betrachtet, die es ökonomisch und sexuell auszubeuten gilt. Frauen die sich befreien und fliehen konnten sind traumatisiert und psychisch am Boden, so dass ein „normales“ Leben nicht mehr denkbar ist.

Von ursprünglich 500.000 leben aktuell nur noch 80.000 Menschen in den Siedlungsgebieten der Êzîden. Die meisten sind in die umliegenden Staaten und nach Europa geflohen. Zudem führt die türkische Regierung seit dem 20. Januar 2018 einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bevölkerung in Afrin in Nordsyrien. Zehntausende Êzîd*innen waren gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Durch die zunehmende Vertreibungspolitik und der völkerrechtswidrigen Angriffe versucht die türkische Regierung mit seinen verbündeten Terrorbanden die Êzîden zu vernichten und deren Siedlungsgebiete zu besetzen. Auch die Ermordung von Mam Zekî Şengalî am 15. August 2018 – ebenfalls durch die türkische Regierung – ist ein gezielter Angriff auf die êzîdische Gesellschaft und die Fortführung des Genozids. Mam Zekî Şengalî war einer der wichtigsten politischen und gesellschaftlichen Persönlichkeiten der êzîdischen Gemeinde. Mit seinem Einsatz in der Region Şengal hat er Tausende Êzîd*innen vor weiteren Gräueltaten des „IS“ und der Besatzerstaaten beschützt. Er hat sich in seinem 35-jährigen Kampf für den Erhalt und Aufbau von demokratischen Strukturen sowie einer geschlechterbefreiten Gesellschaft eingesetzt und hat somit einen enormen Beitrag zur Demokratisierung im Nahen Osten und weltweit geleistet.

Am 28. August 2018 wurden die arabischen Familien, die den „IS“ in der Ausführung des o.g. Genozids unterstützt haben, wieder in die Siedlungsgebiete der Êzîden umgesiedelt. Diese verantwortungslose Handlung durch die irakische Regierung führt zu weiteren Spannungen zwischen der êzîdischen Bevölkerung und den radikal islamistischen arabischen Bewohner*innen in der Region. Trotz der katastrophalen Zustände und der Vertreibungspolitik konnten die Êzîd*innen mithilfe von Basisdemokratie kommunale Selbstverwaltungsstrukturen aufbauen. Durch die Selbstverwaltung haben die Êzîd*innen an Hoffnung gewonnen und schauen zuversichtlich in die Zukunft der Region. 4 Jahre nach dem Genozid/Feminizid verfügen die Êzîd*innen in dem Gebirge Şengal eigene Einheiten – die Verteidigungseinheiten von Şengal (YBŞ) und die Êzîdischen Frauenverteidigungseinheiten (YJŞ) – die sich aus Êzîd*innen der Region zusammensetzen. Darüber hinaus sind Selbstverwaltungsstrukturen wie Frauen- und Volksräte gegründet worden. Neben der YJŞ, den Frauen*räten und der Frauenfreiheitsbewegung der Êzîdinnen* (TAJÊ) gibt es auch einen Kindergarten und ein Gesundheitszentrum. Es waren und sind vor allem die Frauen*, die diesen Prozess der Selbstorganisierung als Antwort auf den Genozid und Feminizid weiterhin vorantreiben und aktiv durchführen. Sie bestimmen ihr Schicksal als Subjekte auf Grundlage der Wissenschaft der Frau (Jineolojî), frei von patriarchalen Herrschaftssystemen.

Die Antwort auf Gewalt und auf das Patriarchat ist die Selbstverteidigung und Selbstorganisierung der Frau*, überall zu jeder Zeit!

Wir fordern:

  • - Sofortige Beendigung des Genozids/Feminizids in Şengal, ganz Kurdistan und weltweit

  • - Status für Şengal, auf Grundlage des demokratischen Konföderalismus

  • - Anerkennung des Genozids/Feminizids weltweit und Ernennung des 3.8. zum internationalen Gedenktag des Genozids/Feminizids an den Êzid*innen

  • - Strafrechtliche Verfolgung der Täter, Anstifter, Beihelfer und Unterstützer des Genozids/Feminizids, national und international, insbesondere die Verfolgung der Staaten, die darin verwickelt sind

  • - Freiheit für alle vom sogenannten IS und seinen Verbündeten verschleppten Frauen* und Kinder

STOP violence against women! Jin - Jiyan - Azadî !“