Das 21. Jahrhundert verdeutlicht immer mehr, dass die Krise der kapitalistischen Moderne sich in ihrem Bestehen vertieft. Kriege, Naturkatastrophen, Erkrankungen und Gewalt sind nur einige Merkmale dieser männerdominierten Welt. Dies offenbart, dass der Mittlere Osten sich bereits in einem 3. Weltkrieg befindet, der seinen Ursprung in den strukturellen Problemen des patriarchalischen und kapitalistischen Systems hat. Obwohl dieser Kriegszustand wie ein aktuelles Problem erscheinen mag, handelt es sich im Grunde um ein Problem, das aus dem System der Ausbeutung herrührt, das mit der Veränderung der gesellschaftlichen Werte beginnt, die von dem Mann über Tausende von Jahren durch den Einsatz von Gewalt und Täuschung geschaffen wurden. Mit anderen Worten, es ist die Krise, die entsteht, wenn der Mann sich in einen Herrscher verwandelt, der mit der Kolonialisierung der Frau begonnen und nach und nach Gewalt über die gesamte Gesellschaft ausgeübt hat.
„Die Frau“, ein kleines Wort, hinter dem sich die größte Kraft und gleichzeitig das größte Leid verbirgt. Dieser Tatsache liegt zugrunde, dass Frauen seit Anbeginn der Zeit eine Rolle und Position vertreten, in der sie das Gleichgewicht der gesamten Welt in Einklang halten und Fähigkeiten besitzen, welche ihnen ermöglichen, in ihrer Verhaltensweise extreme Widersprüche harmonisch umzusetzen. Dies bedeutet, dass Frauen so vieles sind, sie sind liebevoll und kämpferisch, vergebend und bestimmt sowie besänftigend und rebellisch und weitaus mehr.
Seither besteht auf der gesamten Welt ein Kampf um die Aufklärung und Platzeinnahme der eigentlichen gesellschaftlichen Position der Frau. Es ist ein Kampf, der sich gegen das männliche kapitalistische System auflehnt und dabei viele Opfer bringen musste und weiterhin wird. Doch wenn wir Frauen uns nicht für unseren eigenen Wert einsetzen und uns nicht organisieren, dann werden wir weitaus mehr Opfer bringen und dies, ohne aufrecht gestanden zu haben. Denn es ist innerhalb dieses Systems eine Normalität, Femizide und Feminizide zu begehen, physische und psychische Gewalt gegenüber Frauen anzuwenden, sie in ihrer Freiheit einzugrenzen und sie als Sexobjekte darzustellen.
Daher ist es uns vor allem an einem Tag wie heute, nämlich am Weltfrauentag, besonders wichtig daran zu erinnern, dass sich der Wert einer jeden Frau jeden Tag aufs Neue in ihren Gedanken, in ihrer Haltung und in ihrer Stimme widerspiegeln muss. Wenn wir präsent sind und uns nicht durch die kapitalistische und frauenfeindliche Politik gegeneinander ausspielen lassen, so werden die kommenden Geschichtsbücher darüber berichten, dass die Frau sich ihren eigenen Weg freiräumen konnte und ihren wahren Platz eingenommen hat. Aus diesem Grund kommen Frauen auf der ganzen Welt jedes Jahr am 8. März zusammen, um sich füreinander zu solidarisieren und zu mobilisieren. Die Grundlage für diesen Tag wurde von der Kommunistin Clara Zetkin geboten und 1920 in Moskau auf der internationalen Konferenz kommunistischer Frauen offiziell ins Leben gerufen. Seit 2019 ist dieser Tag in Berlin zudem ein gesetzlicher Feiertag.
Doch auch wenn die Frauenbewegung, wie der Name es schon hergibt, einiges bewegen und verändern konnte, so sind wir selbst mit der Einführung solcher Feiertage oder dem Wahlrecht für Frauen nur so frei, wie es das System zulässt. Deshalb sind wir nicht nur als Frauen, sondern als Gesellschaft erst dann befreit, wenn wir uns von den Fesseln des Patriarchats und des Kapitalismus gelöst haben. Aus diesem Grund sind es die Frauen der kurdischen Freiheitsbewegung in Rojava, die uns bereits vorleben, wie sich die wahre Freiheit gestaltet und wie man diese erreicht. Es ist die Selbstverwaltung und die Ideologie hinter dem kurdischen Wort Xwebûn (Selbstsein), die es ihnen ermöglichte, gegen die männlichen Machtstrukturen und gegen die Terrormiliz IS erfolgreich anzukommen. Das Frauendorf Jinwar sowie der gesamte Freiheitskampf dieser Kämpferinnen ist der reale Beweis dafür, dass das freie Leben keine Illusion ist und diese Revolution für die gesamte Bevölkerung bestimmt ist. Im vergangenen Jahr konnten wir miterleben, wie der leitende Spruch der kurdischen Freiheitsbewegung „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit), in allen Teilen der Welt polarisiert wurde und den Frauen in Ostkurdistan und im Iran die Stärke verliehen hat, sich gegen das islamische Regime aufzulehnen, und wie dadurch eine internationale Solidaritätswelle entstanden ist. Auch deshalb ist es hierbei wichtig zu erwähnen, dass paradoxerweise eine stetige Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung im Vordergrund steht, aber gleichzeitig von ihr und ihren Werten auf politischer Ebene profitiert wird.
Der Weg, den Widerstand und den Sieg, den Kampf der Frauen und seine Ergebnisse als neues Lebens- und Gesellschaftsmodell mit Leben zu erfüllen, besteht darin, auf der Grundlage der offenbarten Werte zu kämpfen.
In dieser Krisensituation setzen Frauen von Kurdistan bis Afrika, von Afghanistan bis Abya Yala, von Iran bis nach Indien mit ihrem Frauenbefreiungskampf, mit ihrer kompromisslosen Selbstverteidigung alle vorgegebenen Werte, Definitionen und Strukturen außer Kraft und zeigen mit ihrem Widerstand den Frauen der Welt die Hoffnung, dass Freiheit durch Kampf möglich ist.
Zu allen Zeiten und an allen Orten gilt es, den Kampf der Frauen unter allen Umständen zu verstärken, für die Entwicklung einer freiheitlichen Perspektive in allen Bereichen des Widerstandes zu kämpfen und in dieser Hinsicht radikal und entschlossen zu sein. In der Tat gibt die männliche Herrschaft ihre aggressive Haltung gegenüber den Frauen nicht einen Moment auf. Deshalb wäre es ein Fehler, das erreichte Niveau als ausreichend zu betrachten und die erreichten Errungenschaften in Frage zu stellen.
Das 21. Jahrhundert fordert von uns Frauen, dass wir das erreichte Niveau durch den gemeinsamen und organisierten Kampf aller Frauen der Welt noch weiter anheben und den Zeiger der Geschichte in Richtung Freiheit der Frau drehen müssen.
Jin Jiyan Azadî! Es lebe der internationale Frauenkampf! Es lebe die internationale Frauenorganisierung!
*Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.