Auf der Hochweide in Wan

Wenn die Temperaturen in Wan steigen, ziehen die Menschen mit ihren Viehherden auf die Hochweiden. Trotz staatlicher Verbote bewahren sich die Frauen ihre Kultur.

Jeden Sommer ziehen Frauen aus dem Dorf Êzdînan (Konalga) im Kreis Şax (Çatak, Provinz Wan/Van) auf die Hochweiden. Auf den hochgelegenen Almen Mêrgastran und Alandeşt wachsen verschiedene Pflanzen, weshalb sie ein Anziehungspunkt in der Region sind.

Die Frauen aus Êzdînan stehen morgens früh auf und ziehen nach dem Frühstück auf die Weiden, um ihre Schafe zu melken. Vorher müssen die Pferde gesattelt werden. Der zweistündige Weg führt an gefährlichen Abgründen vorbei, aber die Frauen unterhalten sich oder singen. „Wir erleben sowohl den Sonnenaufgang als auch den Sonnenuntergang“, sagen sie.

Heybet Tarten kümmert sich seit Jahren auf der Hochweide um die Schafe. „Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Eine Zeitlang war der Zutritt zu den Weiden verboten, das Verbot wurde später wieder aufgehoben. Das Leben auf der Hochweide ist sehr schön, aber auch anstrengend. Unsere Zelte stehen in Mêrgastran, aber um die Schafe zu melken, reiten wir nach Alandeşt. Der Weg dauert zwei, manchmal sogar drei Stunden. Es ist ein gefährlicher Weg, aber darauf geben wir nicht viel. Wir vertreiben uns die Zeit mit Liedern und Gesprächen.“

Hicret Okan lebt seit fünfzig Jahren von der Tierhaltung auf der Hochalm. „Wir stehen morgens um fünf Uhr auf und arbeiten bis zwanzig Uhr durch. Auf dieser Weide sind nur Frauen, die ganze Last liegt auf unseren Schultern. Die Tierhaltung ist keine einfache Arbeit und besonders an einem Ort wie diesem sind die Schwierigkeiten und die Verantwortung groß. Ich liebe das Leben auf der Hochweide sehr. Eine Zeitlang war uns der Zutritt verboten, aber wir haben dieses Leben trotzdem nicht aufgegeben. In Colemêrg und vielen weiteren Orten sind die Weiden gesperrt. Die Bevölkerung lebt jedoch davon, mit diesen Verboten sollen die Kurden wirtschaftlich geschwächt und in die Armut getrieben werden. Wir werden diese Kultur nicht aufgeben und sie unser Leben lang bewahren.“

Hizret Altan macht jedoch darauf aufmerksam, dass die jüngere Generation das Leben auf der Hochweide ablehnt: „Sie wissen es nicht zu schätzen. Die Luft in den Städten macht krank, deshalb sind die Hochweiden mit ihrer heilenden Wirkung vorzuziehen. Früher kamen hier fast hundert Familien zusammen, aber das hat sich geändert.“