25. November: „Gewalt gegen Frauen ist politisch“
Die kurdische Frauenbewegung in Europa startet zum internationalen Kampftag gegen Gewalt an Frauen eine Kampagne unter dem Motto: „Gewalt an Frauen ist politisch: Es hättest auch du sein können!“
Die kurdische Frauenbewegung in Europa startet zum internationalen Kampftag gegen Gewalt an Frauen eine Kampagne unter dem Motto: „Gewalt an Frauen ist politisch: Es hättest auch du sein können!“
Wie CENÎ, das Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V., in einer Pressemitteilung ankündigt, startet die kurdische Frauenbewegung in Europa aus Anlass des internationalen Kampftages gegen Gewalt an Frauen am 25. November eine Kampagne unter dem Motto: „Gewalt an Frauen ist politisch: Es hättest auch du sein können!“ Mit der Kampagne, die von zahlreichen Einrichtungen aus ganz Europa getragen wird, soll ein Bewusstsein über die ständige Präsenz drohender Gewalt gegen Frauen geschaffen werden.
Zu der neuen Kampagne teilt CENÎ mit:
„In Presse und Fernsehen lesen und sehen wir tagtäglich Nachrichten über Frauen, die vom Ex-Ehemann oder Ex-Partner oder Familienmitgliedern getötet wurden. Während in diesen Berichten stets der Fokus darauf liegt, wie der Name der Frau ist und wo sie gelebt hat, wird ihre Identität als Frau, die in der kapitalistischen Moderne zum Angriffsziel gemacht wurde, ignoriert. Die Ungeheuerlichkeit des Umstandes, dass sie von Männern, die ihnen nahestanden, ermordet wurden, dass der Mörder aus der direkten Umgebung kam, wird nicht thematisiert. Über die Tatsache, dass Frauen jeden Tag Gefahr laufen, von einem ihnen nahestehenden Mann ermordet zu werden, wird hinweg gesehen und es wird zur Tagesordnung übergegangen.
Mit einer Ideologie der Männerherrschaft wird tagtäglich weiter daran gestrickt, Gewalt gegen Frauen zu institutionalisieren. Die Gesellschaft wird durch jede weitere Gewalttat gegen Frauen desensibilisiert und die Gewaltkultur wird durch die Nichtbestrafung der Täter weiter vertieft. Wenn wir all das betrachten, sehen wir, dass Gewalt nicht nur vom Mann als Person ausgeübt wird, sondern das politische Ergebnis eines von Männern dominierten Systems ist.
Frauen sollen verteidigungsunfähig gemacht werden
Das patriarchale Denken hat sich immer Mittel geschaffen, sein herrschsüchtiges, repressives, auf Macht und Gewalt basierendes Verständnis von der Welt in die Realität umzusetzen. Ebenso wie es die Natur und die Frauen unter diese Männerherrschaft zwingen will, so zwingt es auch einzelne Männer unter seine Herrschaft. Um Macht über die Gesellschaft innezuhaben und Herrschsucht ausleben zu können, hat das Patriarchat dem Mann diejenigen Eigenschaften entwendet, die das Menschsein ausmachen. Es bedient sich einer brutalen Männlichkeit, die das gesamte Denken der Männer prägen soll. Im Patriarchat sollen Frauen in der Wahrnehmung von Männern schwach, ohne eigenen Willen und ohne Selbstvertrauen sein. Frauen sollen jederzeit auf die Unterstützung von Männern angewiesen sein, sie sollen allein und unorganisiert bleiben. Mit der Schaffung eines verteidigungsunfähigen Zustands von Frauen wird der Boden bereitet, auf dem Männer - wann immer sie wollen - Gewalt ausüben können. So wird der Mann, der angeblich aus Liebe für eine Frau sterben würde, mit der Macht ausgestattet, sie zu töten.
Diktatorengewalt
Am 25. November 1960 wurden die Schwestern Mirabal vom Generalstab der Dominikanischen Republik brutal misshandelt und ermordet. Die drei Schwestern waren ein Symbol des Widerstands. Sie standen für die Widerstandslinie von Frauen, die sich jeder Unterdrückung und Verfolgung konsequent widersetzten. Deshalb waren sie für den dominikanischen Diktator Trujillo ein Angriffsziel, genauso wie es auch heute Diktatoren gibt, die vor allem organisierte Frauen zum Ziel ihrer mörderischen Gewalt machen. Während die Massaker Erdoğans und des sogenannten Islamischen Staat (IS) in Shengal und Rojava anhalten, sind Frauen zugleich auf der ganzen Welt in jeder Minute Gewalt und sexuellen Übergriffen bis zu Vergewaltigung und Mord ausgesetzt.
Ein typisch männliches Phänomen
Widersprüchen oder Problemen zwischen Männern und Frauen mit psychologischer, verbaler, ökonomischer oder physischer Gewalt bis hin zum Mord zu begegnen, anstatt im Dialog nach Lösungen zu suchen, ist ein typisch männliches Phänomen. Diese Tatsache wird vom patriarchalen System verschleiert. Sie bringt die Gesellschaft für den Fortbestand dieses männlichen Denksystems dazu, die Wahrnehmung und die Gewalt von Männern als maßgeblich und legitim und sogar notwendig zu betrachten, die Schreie zu überhören und die Täter nicht wirklich zur Rechenschaft zu ziehen. Frauen, die ein von Gewalt gekennzeichnetes Leben nicht akzeptieren, patriarchale und staatliche Herrschaft nicht akzeptieren, die versuchen, ihren eigenen Willen zu vertreten, werden zuerst vom Mann misshandelt, dann von der Gesellschaft und danach von Gesetzen, vor denen sie angeblich gleich sein sollen. Eine Gesellschaft, in der Frauen einer institutionalisierten und ideologisch verankerten Gewalt ausgesetzt sind, zeigt das Ausmaß der Versklavung dieser Gesellschaft. Frauen am Arbeitsplatz billigst auszubeuten, ihre Arbeit zu Hause gar nicht als solche anzuerkennen, Frauen in öffentlichen wie in privaten Räumen menschenunwürdiger Behandlung auszusetzen und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, wird der Gesellschaft als Normalzustand suggeriert.
Gewalterfahrung als Frauenschicksal hinzunehmen, die Ungleichheit der Geschlechter nicht zu hinterfragen, sondern zu verinnerlichen, das bereitet den Boden für alle Arten von Unterdrückung und Sklaverei!
Wie nahe ist die Wahrscheinlichkeit von Gewalt?
Aus all diesen Gründen und um gegen die verschiedenen Formen und Ebenen von Gewalt an Frauen organisiert zu kämpfen, starten wir als kurdische Frauenbewegung in Europa die Kampagne „Gewalt gegen Frauen ist politisch“. Das Hauptziel der Kampagne ist es, Männer wie Frauen zu fragen, ob sie von der Gewalt von Männern gegen Frauen wissen, und sie dazu zu bringen, sich selbst die Frage zu stellen, ob die Wahrscheinlichkeit von Gewalt nicht näher an ihnen dran ist, als sie glauben. Aus diesem Grund haben wir den Slogan „Das hättest auch du sein können“ gewählt. In dem Wissen, dass Gewalt gegen Frauen an jedem Tag zu bekämpfen ist, wollen wir unseren Kampf verstärken.
Lassen wir es nicht zu, dass das Thema „Gewalt gegen Frauen“ von der Tagesordnung verbannt wird, verstärken wir unseren Kampf und entziehen der Gewalt den Boden!“
Die Unterzeichnerinnen
Getragen wird die Kampagne von Dachverbänden, Räten und Kommunen der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E), darunter sind der Verband der Frauen aus Kurdistan in Deutschland (YJK-E), die Kurdische Frauenbewegung Frankreich (TJK-F), der Verband kurdischer Frauen in der Schweiz (YJK-S), der Frauenverband SARA in Schweden (SARA), der Verband kurdischer Frauen in Belgien (YJK-B), der Frauenrat Sevê (Kopenhagen), der Frauenrat Ronahî (Den Haag), der Frauenrat Fatoş Sağlamgöz (Arnhem), die Frauenkommune Rojin (Amsterdam), die Frauenkommune Jin (Rotterdam), Ezidisch-Kurdische Frauen, Alevitisch-Kurdische Frauen, Junge Frauen, Studierende Frauen aus Kurdistan (JXK) und das Kurdisches Frauenbüro für Frieden (CENÎ).