21-jährige Frau in Êlih ermordet

In Êlih ist eine 21 Jahre alte Frau von ihrem Ehemann auf offener Straße erschossen worden. Die Mutter von zwei Kindern ist eine von mindestens 202 Frauen, die dieses Jahr in Nordkurdistan und der Türkei von ihren Partnern oder Verwandten getötet wurden.

Eine 21-jährige Frau ist in der nordkurdischen Stadt Êlih (türk. Batman) aus einem Fahrzeug heraus auf offener Straße erschossen worden. Die Tat ereignete sich am frühen Dienstagabend und wurde von einer Überwachungskamera eingefangen: Die Szenen zeigen Ebru Tekin, die im zentralen Viertel Pınarbaşı eine Straße entlangläuft. Ein weißer Wagen hält neben ihr und feuert mehrere Schüsse auf sie ab. Schwerverletzt sinkt sie zu Boden, danach flüchtet der Fahrer. Ebru Tekin stirbt kurz danach in einem Krankenhaus.

Bei dem Schützen handelt es sich um den zwischenzeitlich festgenommenen Ehemann von Ebru Tekin. Laut Obduktionsbericht tötete er die zweifache Mutter durch fünf Schüsse in den Kopf und Hals. Der Grund: wegen häuslicher Gewalt hatte sie die Scheidung eingereicht und lebte seit einiger Zeit getrennt von ihm. Ebru Tekin ist damit nach Recherchen der Plattform „Kadın Cinayetlerini Durduracağız” (KCDP, dt.: Wir werden Frauenmorde stoppen) eine von mindestens 202 Frauen, die in diesem Jahr in Nordkurdistan und der Türkei meist von ihren Partnern oder männlichen Verwandten getötet wurden. 50 weitere Frauen sind auf verdächtige Weise ums Leben gekommen.

Türkei weist unter 34 OECD-Ländern höchste Femizidrate auf

Im Jahr 2019 wurden landesweit sogar mindestens 474 Frauen getötet, der größte Wert in einem Jahrzehnt, in dem die Zahlen von Jahr zu Jahr gestiegen sind. Für 2020 rechnet KCDP wegen des Corona-Lockdowns mit noch höheren Zahlen. Doch trotz der Tatsache, dass die Türkei unter 34 OECD-Ländern die höchste Femizidrate aufweist, diskutiert die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan den Austritt aus der Istanbul-Konvention. Das Abkommen wurde 2011 vom Europarat ausgearbeitet und soll einen europaweiten Rechtsrahmen schaffen, um Frauen vor Gewalt zu schützen. Die Türkei unterzeichnete als erstes Land das Übereinkommen und startete direkt danach eine Null-Toleranz-Kampagne zu Gewalt gegen Frauen. Das zeigte zunächst Wirkung, da 2011 das Jahr mit den niedrigsten Zahlen an Femiziden in der Türkei war. Mittlerweile hat die Zahl der Frauenmorde einen Negativ-Rekordwert erreicht.

Laut AKP gefährdet Istanbul-Konvention „traditionelle Familie“

Die türkische Regierung begründet die in Erwägung gezogene Aufkündigung der Istanbuler Konvention mit dem Argument, den „Schutz der Familie“ aufrechterhalten zu wollen. Weil der Vertrag und das darauf basierende türkische Gesetz Nummer 6284 traditionelle Werte „untergrabe“ und Männer zu „Sündenböcken“ mache, soll die wichtige Errungenschaft der globalen Frauenbewegung beseitigt werden. Doch dagegen regt sich seit Monaten breiter Widerstand. In der Türkei, einschließlich den kurdischen Regionen, sind die Frauenbewegungen die tragende Kraft für den gesellschaftlichen Wandel. Sie sind zudem die stärkste Kraft, die das Bestreben Erdoğans und seiner Regierungskoalition aus AKP und MHP, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu islamisieren, regelmäßig und meist erfolgreich abbremst. Jeden Tag sind Frauen landesweit für Frauenrechte und gegen Gewalt an Frauen auf den Straßen. So einfach werden sie es Erdoğan nicht machen.

Wer ist die Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen!“?

Die Plattform will Frauenmorde stoppen und Frauen vor Gewalt schützen. Sie setzt sich in erster Linie für die Erhaltung des Lebens und für alle Frauenrechte ein. Die Gründerinnen des Vereins sind Familienangehörige der ermordeten Frauen, Frauen von verschiedenen Parteien, Institutionen, Gewerkschaften, anderen Vereinen, aber auch nicht organisierte interessierte Frauen.