Varisheh Moradi beendet Hungerstreik

Die im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftierte kurdische Aktivistin Varisheh Moradi hat nach fast drei Wochen ihren Hungerstreik beendet. Damit reagierte die 38-Jährige auf Appelle und Aufrufe von besorgten Unterstützer:innen.

Im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert

Die im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftierte kurdische Aktivistin Varisheh Moradi hat nach fast drei Wochen ihren Hungerstreik beendet. Dies berichtete die Kampagne „No to Execution, Yes to Free Life!“ am Dienstag auf X. Die Gemeinschaft der freien Frauen Ostkurdistans (KJAR), deren Mitglied Moradi ist, bestätigte das Ende der Protestaktion. Sie habe damit auf Aufrufe von besorgten Unterstützenden reagiert, hieß es. Informationen über ihre derzeitige Verfassung lagen zunächst nicht vor.

Seit dem 10. Oktober, dem Welttag gegen die Todesstrafe, hatte Varisheh Moradi die Nahrungsaufnahme verweigert, um gegen die unmenschlichen Bedingungen in den Gefängnissen des iranischen Regimes und die Todesstrafe zu protestieren. Bereits in der zweiten Woche des Hungerstreiks war der Zustand der 38-Jährigen aufgrund ihrer ohnehin schlechten gesundheitlichen Verfassung und in Haft erlittener Folter lebensbedrohlich – laut der KJAR hätte sie jederzeit kollabieren, ins Koma fallen oder sterben können.

Appelle an Moradi

Der Dachverband der kurdischen Frauenbewegung in Rojhilat und Iran hatte daher an Moradi appelliert, ihre Aktion abzubrechen. Auch zahlreiche weitere Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen riefen die Kurdin auf, den Hungerstreik zu beenden. Ein besonderer Appell kam von rund 120 Bürgerrechtsaktivist:innen, Frauenrechtler:innen und weiteren Menschenrechtsverteidiger:innen in und aus Iran, die in Solidarität mit Moradi am letzten Samstag in einen eintägigen Hungerstreik traten. In einem vom Kurdistan Human Rights Network (KHRN) veröffentlichten Brief schrieben sie unter anderem:

„In diesen kritischen und bedeutsamen Momenten stehen wir als Teil einer Gemeinschaft, die an Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrechte glaubt, solidarisch an der Seite von Varisheh Moradi. Sie ist zu einem Symbol der Widerstandskraft und des zivilen Widerstands geworden. In den letzten zwei Wochen hat sie durch ihre Entscheidung, in einen Hungerstreik zu treten, ihre Stimme gegen Unterdrückung, Ungleichheit und die steigende Zahl ungerechtfertigter Hinrichtungen erhoben.

Ihr Hungerstreik ist nicht nur ein Beweis für ihre unerschütterliche Entschlossenheit angesichts der Unterdrückung, sondern auch eine Stimme, die in dieser Welt als Wahrheit und Widerstandskraft widerhallt. Wir haben volles Verständnis für die schwierigen und herausfordernden Bedingungen, die sie ertragen hat, sowie für die riskante Entscheidung, die sie getroffen hat, um diesen Ungerechtigkeiten entgegenzutreten.

Dennoch bitten wir Varisheh Moradi heute als ihre Weggefährt:innen, ihren Hungerstreik zu beenden. Ihr Kampf zeigt sich nicht nur in ihrem aktuellen Hungerstreik, sondern in all ihren bisherigen Bemühungen und Taten. Sie ist eine Persönlichkeit, die unsere Gesellschaft braucht, um den zivilen Kampf fortzusetzen; sie ist eine Vertreterin all jener, die von einer freien und gerechten Gesellschaft träumen.

Wir haben nicht die Absicht, die Bedeutung und Wichtigkeit ihres Protests zu unterschätzen. Im Gegenteil, wir sehen ihre Aktion als einen wichtigen Schritt auf dem Weg des zivilen Widerstands. Aber da Varisheh Moradi selbst immer die Rolle der Gesellschaft und die aktive Beteiligung von Aktivist:innen betont hat, brauchen wir ihre Präsenz und Kraft auf diesem Weg jetzt mehr denn je. Ziviler Widerstand erfordert Energie, Widerstandskraft und Kontinuität, denn dieser Kampf ist langwierig und herausfordernd.

Wir bitten sie, ihren Hungerstreik zu beenden, damit wir und andere die Möglichkeit haben, an ihrer Seite zu stehen und unsere ganze Kraft einzusetzen, um den Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit fortzusetzen. Nichts sollte wertvoller sein als ein Menschenleben, und wir brauchen sie, damit sie weiterhin an unserer Seite steht, nicht nur jetzt, sondern während dieses ganzen Weges des Widerstands.“

Über Varisheh Moradi

Varishe Moradi (andere Schreibweise Warisheh), auch bekannt als Ciwana Sine, war am 1. August 2023 im Zuge einer Polizeikontrolle in der Nähe ihrer Geburtsstadt Sine (Sanandadsch) festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Irans Regime-Justiz beschuldigt sie der „Feindschaft zu Gott“ und „bewaffneter Rebellion gegen den Staat“. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit Moradis Mitgliedschaft in der KJAR und ihres Engagements für frauenpolitische und feministische Themen. Teheran sieht in der KJAR eine „separatistische Terrororganisation“, weil sie Teil der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) sei.

Brutal gefoltert, misshandelt und verhört

Nach Moradis Verschleppung war ihr Aufenthaltsort monatelang unklar. Erst durch Recherchen des KHRN wurde bekannt, dass die Aktivistin nach ihrer Festnahme zunächst wochenlang vom iranischen Geheimdienst in Sine brutal gefoltert, misshandelt und verhört worden war, bis sie Ende August vergangenen Jahres nach Teheran überführt wurde. Dort hielt man sie über Monate im berüchtigten Hochsicherheitstrakt 209 des Evin-Gefängnisses fest – ebenfalls unter Folter und Misshandlungen, mit dem Ziel, sie zu brechen oder ein Geständnis von ihr zu erzwingen. Seit Anfang Januar befindet sich Moradi in der Frauenabteilung der Haftanstalt. Zugang zu einem Rechtsbeistand wird ihr die meiste Zeit verwehrt. Sollte sie verurteilt werden, droht ihr die Todesstrafe.