Wieder verdächtiger Tod eines politischen Gefangenen

Seit 1992 war Mehmet Hanefi Bilgin aus politischen Gründen hinter türkischen Gittern, im Juni sollte er entlassen werden. Nun wurde er in einer Zelle des Hochsicherheitsgefängnisses in Bolu tot aufgefunden.

In der Türkei ist erneut ein politischer Gefangener gestorben. Bei dem Toten handelt es sich um Mehmet Hanefi Bilgin, der gebürtig aus der Provinz Çewlîg (tr. Bingöl) stammte. Der Kurde wurde 1992 von einem Staatssicherheitsgericht zu einer erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, im Juni stand seine bedingte Entlassung an. Nun wurde der 58-Jährige tot in einer Zelle des Hochsicherheitsgefängnisses der nordtürkischen Provinz Bolu aufgefunden.

Laut der Vollzugsleitung der Einrichtung habe Bilgin einen „tödlichen Herzinfarkt“ erlitten. Dies sei der Familie des Gefangenen telefonisch mitgeteilt worden, äußert sein Bruder Veysel Bilgin. Der Leichnam wurde zwecks Obduktion dem Institut für Rechtsmedizin (ATK) in Ankara zugeführt, mit dessen vorläufigem Ergebnis dürfte frühestens Ende der kommenden Woche zu rechnen sein.

Wie Veysel Bilgin weiter mitteilte, wisse die Familie nicht, ob es bei seinem Bruder irgendwelche Anzeichen für einen plötzlichen Herztod gegeben habe. „Er erlitt vor mehr als drei Jahren eine Attacke. Ihm ging es den Umständen entsprechend gut. Die letzten drei Wochen hatte unsere Mutter die Telefonkontakte mit ihm wahrgenommen. Irgendwelche Beschwerden äußerte er bei diesen Gesprächen nicht.“ Bilgins Körper wird inzwischen auf dem Karşıyaka-Friedhof aufbewahrt. Er soll am Montag nach Çewlîg überführt und in seiner Geburtsstadt Dara Hênî (Genç) beerdigt werden.

Mehmet Hanefi Bilgin mit seiner Mutter

Mit Mehmet Hanefi Bilgin sind seit Dezember mindestens zehn Gefängnisinsassen gestorben. Acht der Toten waren politische Gefangene, bei den anderen beiden handelt es sich um einen Straf- und einen Untersuchungsgefangenen. Die Demokratische Partei der Völker (HDP) ist entsetzt. Ihr menschenrechtspolitischer Sprecher Ümit Dede beklagte am Sonntag massive Verstöße gegen Gefangenenrechte, die durch ausgedehnte und systematische Angriffe gekennzeichnet seien. „Diese Todesfälle dürfen nicht losgelöst von der Politik der Regierung betrachtet werden. Der Staat hat die Hafteinrichtungen dieses Landes in Zentren physischer und psychischer Folter verwandelt. Es wäre nicht übertrieben, von Todestrakten zu sprechen.“ Alle Rechte der Gefangenen seien faktisch ausgehebelt, so Dede.