Anlässlich des 20. Todestages von Andrea Wolf (Şehîd Ronahî) veranstaltete das Widerstandskomitee Berlin eine Gedenkakademie. Drei Tage kamen bis zu 70 Internationalist*innen zur „Andrea-Wolf-Akademie“ zusammen, um Vorträge zu hören und zu diskutieren. Neben zahlreichen Gruppen aus Berlin waren auch Freund*innen aus Leipzig, Magdeburg und Hannover zugegen. Thema des Wochenendes war die Auseinandersetzung mit der Geschichte des demokratischen Widerstandes in Europa und Deutschland.
Die Akademie startete mit einem Vortrag über das Leben von Andrea Wolf, die aus der Hausbesetzerszene Deutschlands als eine der ersten Internationalist*innen 1996 in die Berge Kurdistans ging, um sich der kurdischen Befreiungsbewegung anzuschließen. In den Reihen der YAJK, dem Verband freier Frauen Kurdistans, kämpfte sie unter dem Namen Ronahî gegen die türkische Armee. Am 23. Oktober 1998 wurde sie in der nordkurdischen Provinz Wan bei Şax (Çatak) von einem türkischen Offizier ermordet.
Der weitere Abend war der geschichtsphilosophischen Frage „Warum beschäftigen wir uns mit Geschichte?“ gewidmet. Um zu verstehen, in welcher historischen Bedeutung heute freiheitliche Kämpfe geführt werden, brauche es eine Geschichte der demokratischen Zivilisation auch für Europa. Das Wissen um diese Geschichte könne die innere Haltung bestärken, die für die politischen Kämpfe gebraucht werden. Als Ansatzpunkt, sich mit dieser Geschichte auseinander zu setzen, sprachen drei Referent*innen auf einem Podium über die Erfahrungen und Analysen linksradikaler Bewegungen von den 70ern bis in die 90er Jahre in Deutschland. Nach der Revolte von 1968 und weltweiter Zunahme und Erfolge linker Befreiungsbewegungen sah sich die radikale Linke auch in der Bundesrepublik in einer historischen Situation der Stärke, berichteten die Referent*innen. Die Möglichkeit revolutionärer Umbrüche schien eine realistische Option. „Dennoch scheiterte die Bewegung an ihren Ansprüchen, da sie weitestgehend von der Gesellschaft isoliert war. Die Frauenbewegung hatte in diesen Jahren in Westeuropa viele Räume autonomer Frauenorganisierung erkämpft, die nachfolgend mehr und mehr wieder zerfielen. In der DDR entwickelte sich eine Oppositionsbewegung auch mit Beteiligung linksradikaler Gruppen, Versuche, diese zu bündeln wie in der ‚Initiative für eine geeinigte Linke‘ misslangen. Zu stark war die BRD-Propaganda für eine Wiedervereinigung.”
Die unterschiedlichen Perspektiven der Referent*innen auf die politische Lage in Deutschland zeichneten ein beeindruckendes Bild der jüngeren Widerstandsgeschichte. Die besondere Rolle von Frauen in der Geschichte demokratischen Widerstandes wurde in einem Vortrag präsentiert. Von den Amazonen der griechischen Mythologie über die Organisierung in Nonnenklöstern bis zur Verfolgung von Hexen in der frühen Neuzeit verdeutlichte eine der Referent*innen den Jahrtausende alten Kampf um Befreiung.
Die Zeit reichte nicht aus, um in die zahlreichen Details dieser Geschichten zu gehen. Die Diskussionsrunde am Abend analysierte die Entwicklung der globalen Verhältnisse und deren Bedeutung für die Region. Den letzten Tag nutzten die Teilnehmer*innen für ausgiebige Diskussionen und Reflexion. Die gemeinsame Arbeit habe sich in den letzten Monaten intensiviert und wurde allgemein als positiv aufgenommen. Mit weiteren Kommissionen soll die Zusammenarbeit auch auf weitere Felder ausgeweitet werden. Neben der alltäglichen politischen Arbeit sei es nötig, wieder gemeinsame gesellschaftliche Perspektiven zu entwickeln. Eine Basis dafür sei geschaffen, aber diese Prozesse müssten nun weitergeführt werden. Alle Teilnehmenden betonten, wie die gemeinsame Bildung sie in Ihrer Überzeugung gestärkt hat und es kam die Forderung auf, weitere gemeinsame Veranstaltungen folgen zu lassen. In der Abschlussrunde bemerkte eine Freundin: „Wir haben diese Bildung dem Gedenken an Andrea Wolf gewidmet und ich glaube, wir sind ihr gerecht geworden!“