Verfolgung kurdischer Aktivisten
Im Dezember finden in München, Stuttgart und Koblenz zahlreiche Verhandlungen gegen vier kurdische Aktivisten statt, die wegen politisch motivierter 129b-Verfahren im Zusammenhang mit dem Betätigungsverbot gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor Gericht stehen. Bei den Angeklagten handelt es sich um Haci Atli, Emin Bayman, Ferit Çelik und Y.G. Der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. hat die Verhandlungstermine bekannt gegeben und ruft dazu auf, die Prozesse solidarisch zu begleiten.
Haci Atli, OLG München
Donnerstag, 05.12.2024
Freitag, 06.12.2024
Freitag, 13.12.2024
Donnerstag, 19.12.2024
Die Verhandlungen findet jeweils um 9.30 Uhr im Saal B 277/II des OLG München in der Nymphenburger Straße 16 in 80335 München statt.
Emin Bayman, OLG Stuttgart
Montag, 02.12.2024
Montag, 09.12.2024
Montag, 16.12.2024
Freitag, 20.12.2024
Die Verhandlungen finden jeweils um 9.00 Uhr im Saal 3 des OLG Stuttgart in der Olgastraße 2 in 70182 Stuttgart statt.
Ferit Çelik, OLG Koblenz
Mittwoch, 04.12.2024
Donnerstag, 05.12.2024
Mittwoch, 11.12.2024
Donnerstag, 12.12.2024
Mittwoch, 18.12.2024
Donnerstag, 19.12.2024
Die Verhandlungen finden jeweils um 9.30 Uhr im Saal 102 des OLG Koblenz in der Karmeliterstraße 14 in 56068 Koblenz statt. Ein Urteil wird voraussichtlich ab dem 18.12.2024 erwartet.
Y. G., OLG Koblenz
Montag, 02.12.2024
Dienstag, 03.12.2024
Montag, 09.12.2024
Dienstag, 10.12.2024
Montag, 16.12.2024
Dienstag, 17.12.2024
Donnerstag, 19.12.2024
Freitag, 20.12.2024
Die Verhandlungen finden jeweils um 9.30 Uhr in Saal 120 des OLG Koblenz in der Stresemannstraße 1 in 56068 Koblenz statt.
Die antikurdische Repression in Deutschland
Die strafrechtliche Verfolgung kurdischer Aktivist:innen wegen des Vorwurfs der Verbindungen zur PKK begann Ende der 1980er Jahre – entweder nach § 129a StGB (Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung) oder ab Mitte der 1990er Jahre nach § 129 StGB (Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung). Der Bundesgerichtshof entschied dann im Oktober 2010, nach türkischen linken und tamilischen Organisationen, auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als eine „terroristische“ Vereinigung im Ausland gemäß § 129a/b einzustufen. Hunderte politisch aktiver Kurdinnen und Kurden sind seitdem von deutschen Strafverfolgungsbehörden angeklagt und von Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte verurteilt worden.
In den meisten 129b-Verfahren geht es nicht um individuelle Straftaten von Angeklagten, sondern um deren politische Gesinnung und vermeintliche Mitgliedschaft in einer Organisation. Grundlage ist das umstrittene Betätigungsverbot der PKK von 1993 und eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur strafrechtlichen Verfolgung von Funktionstragenden (Gebiets-, Regions- und Sektorleiter). Eine generelle Ermächtigung hat das Ministerium im September 2011 ausgestellt, die bis heute automatisch gegen diesen Personenkreis angewendet wird.
In den §-129b StGB-Prozessen beantragen die Verteidiger:innen die Rücknahme der
Verfolgungsermächtigung, was auch während laufender Verfahren möglich wäre, aber durchgängig abgelehnt wird. Die Besonderheit besteht auch darin, dass die vom BMJV erteilten Ermächtigungen weder begründet werden müssen noch rechtlich angegriffen werden können. Jederzeit können auch Einzelermächtigungen erteilt werden, so stehen inzwischen neben der Führungsebene auch „einfache“ Mitglieder vor Gericht. Laut AZADÎ wurden bislang 76 Aktivist:innen nach § 129b StGB wegen Mitgliedschaft in der PKK verurteilt, angeklagt, in Haft genommen oder waren von Durchsuchungen betroffen; 18 Kurden befinden sich aktuell wegen dieses Vorwurfs in deutschen Gefängnissen in Straf- bzw. Untersuchungshaft.
Foto: Demonstration gegen das PKK-Verbot im November 2021 in Berlin © Defend Kurdistan