Ein polizeilich verfügtes Verbot der Verwendung von Fahnen der Widerstandseinheiten Şengal (Yekîneyên Berxwedana Şengalê – YBŞ) auf Demonstrationen ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Kassel mit Urteil vom 5. Januar 2021 ohne mündliche Verhandlung festgestellt.
Nach Angaben von Rechtsanwalt Sven Adam fand am 7. Oktober 2017 in Kassel eine Versammlung unter dem Motto „Frieden in Kurdistan – Freiheit für Abdullah Öcalan“ statt. Im Zuge der Versammlung verbot der zuständige Polizeieinsatzleiter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Versammlung die Verwendung einer Fahne der YBŞ, die nach dem IS-Massaker im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal in Südkurdistan/Nordirak zur Selbstverteidigung gegründet wurde. Es bestünden mittelbare Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, da die Eziden von den kurdisch-syrischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) ausgebildet worden seien.
Ein Betroffener hat aufgrund dieser Verbotsverfügung gegen die hessische Polizei geklagt und Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht erklärte das Verbot für rechtswidrig. Weder die YPG noch die YBŞ seien verboten. Zudem erschließe sich mit Blick auf das Versammlungsmotto „Frieden in Kurdistan“ insgesamt nicht, „warum die Fahne einer jesidischen Bürgerwehr, die unter dem Eindruck der Sommeroffensive der Terrororganisation IS 2014 gegründet wurde, nicht gezeigt werden darf“, so das Gericht.
Als der IS 2014 Şengal überfiel und einen Genozid am ezidischen Volk verübte, kamen nur die PKK-Guerilla aus den kurdischen Bergen und die Verteidigungseinheiten YPG/YPJ aus Rojava den Menschen zur Hilfe. „Es ist nicht nur unter diesem Eindruck befremdlich und zynisch, dass deutsche Sicherheitsbehörden schnell bei der Sache sind, Verbote auszusprechen, sobald Fahnen kurdischer Selbstorganisationen im Zusammenhang mit Versammlungen in Deutschland erscheinen“ kritisiert Rechtsanwalt Sven Adam, der den Kläger vertritt, dass es überhaupt zu dem Verfahren kommen musste.