Die Vereinten Nationen drängen Länder wie Deutschland und Österreich, Kinder und Frauen ausländischer IS-Dschihadisten aus dem Irak und Syrien in ihre Heimatländer zu holen. „Staaten haben wichtige Pflichten gegenüber ihren Bürgern”, sagte UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet am Montag zum Auftakt der dreiwöchigen Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf.
„Ausländische Familienmitglieder sollen in ihre Heimat zurückgeholt werden, wenn ihnen nicht wegen Verbrechen ein Prozess nach internationalen Standards gemacht wird.” Insbesondere Minderjährige, die von der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) ideologisch beeinflusst worden seien, müssten beschützt und psychologisch betreut werden. Die Kinder hätten „schwere Menschenrechtsverletzungen” erfahren. Dabei bezog sich Bachelet ausdrücklich auch auf jene, die von der Terrormiliz „indoktriniert oder zur Ausführung von Gewalttaten rekrutiert” wurden.
Seit der Zerschlagung der letzten IS-Bastion in Ostsyrien durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) befinden sich mutmassliche IS-Dschihadisten aus fast 50 Ländern mit ihren Familien in Gefangenenlagern in Nordsyrien und dem Irak. Bachelet sprach von insgesamt 55.000 festgenommenen Islamisten und ihren Angehörigen, die sich im Camp Hol im nordsyrischen Kanton Hesekê aufhalten. Die Mehrheit seien Syrer*innen und Iraker*innen. Laut dem UNO-Kinderhilfswerks UNICEF sind die meisten der rund 11.000 Kinder im Hol-Camp jünger als zwölf Jahre.
Was die festgenommenen IS-Dschihadisten selbst angeht, verlangte Bachelet nicht unbedingt deren Rückführung. Allerdings müssten die Länder dafür sorgen, dass ihren Bürgerinnen und Bürgern ein fairer Prozess nach internationalen Standards gemacht werde.
„Wenn keine Gerechtigkeit waltet, wenn die Prozesse mangelhaft sind - etwa durch unrechtmäßige und inhumane Haft oder Todesstrafen - spielt (es) nur denen in die Hände, die Missstände beklagen und Vergeltung fordern”, sagte Bachelet.
Die Bundesregierung hat nach Informationen des WDR erstmals einen genaueren Überblick über die Anzahl der Kinder deutscher IS-Dschihadisten, die sich derzeit in Gefangenenlagern und Gefängnissen in der Region befinden. Bislang beruhten die Zahlen eher auf Schätzungen.
Demnach handelt es sich um 117 Kinder, bei denen eine deutsche Staatsbürgerschaft aufgrund mindestens eines deutschen Elternteils angenommen wird. Bei weiteren 21 Kindern gibt es Bezüge nach Deutschland, ihre Eltern sollen jedoch keine deutschen Staatsbürger sein. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte im Mai betont, es müsse vor Rückführungen geprüft werden, ob es sich auch wirklich um Deutsche handle.
Frankreich, Norwegen, Schweden, Russland, der Sudan und andere Länder haben bereits IS-Angehörige aus Syrien zurückgeholt. Doch viele der betreffenden Heimatländer weigern sich in den meisten Fällen, ihre Staatsbürger*innen zurückzunehmen.